LGBT-Demonstranten und Polizei in Warschau
Reuters/Agencja Gazeta
Dutzende Festnahmen

Polen geht gegen LGBT-Aktivisten vor

In Polen verstärkt sich die aufgeheizte Stimmung rund um die Diskriminierung sexueller Minderheiten weiter. Am Wochenende wurden fast 50 Menschen in Gewahrsam genommen, die gegen die Verhaftung einer Aktivistin demonstriert hatten. Die ultrakonservative Regierung sowie der von ihr unterstützte Präsident Andrzej Duda treten strikt gegen die Anerkennung der LGBT-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transmenschen) auf.

Im Juli hatte sich Duda bei der Präsidentschaftswahl durchgesetzt, gegen den Bürgermeister Warschaus, Rafal Trzaskowski. Der Sieg war äußerst knapp, die Wahl galt als Richtungsentscheidung einer gespaltenen Gesellschaft zwischen zwei Denkmodellen: konservativ-klerikal gegen liberal und gesellschaftlich offen.

Die Rechte von sexuellen Minderheiten spielten im Wahlkampf eine prominente Rolle. Nach dem Sieg der Konservativen, die vor allem am Land stark punkteten, setzt die regierende PiS-Partei ihre Kampagnen gegen die LGBT-Community verstärkt fort.

Gegenseitige Vorwürfe

Zuletzt wurden bei Protesten gegen die Festnahme einer LGBT-Aktivistin 48 Demonstrantinnen und Demonstranten in Gewahrsam genommen. Ihnen werde unter anderem Beleidigung von Polizeibeamten und Beschädigung eines Polizeiautos vorgeworfen, teilte die polnische Polizei am Samstag auf Twitter mit. Dutzende Menschen hatten am Freitagabend in Warschau versucht, die Polizei an der Festnahme der Aktivistin zu hindern.

LGBT-Demonstranten und Polizei in Warschau
Reuters/Agencja Gazeta
Warschau: Proteste mit gereizter Stimmung gegen die Verhaftung einer Aktivistin

Sie versperrten dem Polizeiauto mit der Festgenommenen den Weg, einige sprangen nach Polizeiangaben dabei auch auf den Wagen. Die Beamten konnten den Weg schließlich aber frei machen. Die Aktivistinnen und Aktivisten warfen der Polizei vor, friedliche Proteste zu eskalieren.

Ein Gericht hatte zuvor eine zweimonatige Untersuchungshaft gegen die Frau verhängt. Sie wird beschuldigt, im Juni in Warschau einen Lieferwagen, auf dem homophobe Sprüchen standen, beschädigt zu haben. Außerdem soll sie die Besitzerin des Wagens, die als Freiwillige für eine Anti-Abtreibungs-Stiftung tätig ist, gestoßen haben.

Duda sieht religiöse Gefühle verletzt

Die Aktivistin gehört einer Gruppe namens „Stoppt den Unsinn“ an. Die Gruppe wird verdächtigt, mehrere Denkmäler in Warschau mit LGBT-Flaggen und anarchistischen Symbolen behängt zu haben. Darunter auch eine Jesus-Skulptur vor der Heilig-Kreuz-Kirche im Zentrum von Warschau. Gegen drei mutmaßliche Täter wurde Anklage wegen Entweihung von Denkmälern und Verletzung religiöser Gefühle erhoben.

Gegen die Aktion trat auch Duda selbst auf. „Ich denke, viele gläubige Menschen in Polen haben sich dadurch verletzt gefühlt“, so Duda. Die Aktivisten hätten versucht, die Regenbogenfahne in irgendeiner Weise mit Christus zu verbinden. Das sei nicht fair und ein „sträflicher Akt“.

Duda hatte sich bereits im Wahlkampf unter Berufung auf traditionelle Werte mit homophoben Äußerungen hervorgetan. Unter anderem sagte er mit Blick auf Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender: „Man versucht uns einzureden, dass das Menschen sind. Aber es ist einfach nur eine Ideologie.“

In Konflikt mit EU-Rechten

Durch die Haltung von Regierungspartei und Präsident verschärft sich die Situation von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen in Polen. So hatten sich zuletzt sechs polnische Städte zu „LGBTI-Ideologie-freien Zonen“ erklärt. Mehr als 50 Gemeinden, überwiegend im Südosten des Landes, verabschiedeten Resolutionen gegen die angebliche Ideologie. Fast 40 weitere Kommunen haben eine „Charta der Familienrechte“ unterzeichnet, welche unter anderem die Ehe als Verbindung ausschließlich zwischen Mann und Frau definiert.

Abgeordnete im Parlament in Warschau
Reuters/Kacper Pempel
Bei der Vereidigung Dudas kam die Opposition in Regenbogenfarben

Die EU-Kommission wies als Reaktion Anträge zur Förderung von Städtepartnerschaften ab. Die Mitgliedsstaaten seien verpflichtet, die Werte und Grundrechte der EU zu respektieren, hieß es als Begründung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzte sich für die Rechte der LGBT-Community ein. „Unsere Verträge stellen sicher, dass es jedem Menschen in Europa freisteht, zu sein, wer er ist, zu leben, wo er möchte, zu lieben, wen er will und so hoch hinaus zu wollen, wie er mag“, schrieb von der Leyen am Donnerstag auf Twitter. Polens Regierung reagierte empört auf die Absage der Förderungen.

Aktivisten beklagen Druck

Das Thema blieb auch in Polens Parlament akut. Mit Kleidern und Anzügen in Regenbogenfarben protestierten diese Woche viele Oppositionspolitiker im Parlament bei Dudas Vereidigung gegen seine Haltung. Die PiS-Parlamentarier unterstützten Duda hingegen mit Gesang und Applaus.

Der zunehmende Druck auf sexuelle Minderheiten in Polen macht Aktivistinnen und Aktivisten große Sorgen. Es gebe eine „beispiellose Hetzjagd“, sagte Marcin Dzierzanowski von der Stiftung „Glaube und Regenbogen“ kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Sowohl Kirchenvertreter, die Regierung als auch Präsident Andrzej Duda betrieben eine Strategie der Entmenschlichung, kritisierte Magdalena Swider von der „Kampagne gegen Homophobie“.