Logos von Google Chrome und Firefox Mozilla auf einem Bildschirm
ORF.at/Zita Klimek
Browser-Krise

Googles letzter Konkurrent strauchelt

Die Ankündigung von Firefox-Entwickler Mozilla, ein Viertel der Belegschaft zu entlassen, könnte sich auf das gesamte Netz auswirken: Schon jetzt hat der Google-Browser Chrome einen enormen Marktanteil – sollte Firefox nun weiter in die Krise geraten, wäre der Suchmaschinenbetreiber praktisch Alleinherrscher im Netz. Für die langfristige Rettung des letzten Chrome-Konkurrenten muss Mozilla nun aber ausgerechnet auf Google hoffen.

„Es ist eine Zeit der Veränderung für das Internet“: Mit diesen Worten kündigte Mozilla-Chefin Mitchell Baker am späten Montagabend die Umstrukturierung des Konzerns an. Künftig wolle man sich stärker auf „das Produkt“, aber auch auf die Wirtschaftlichkeit konzentrieren. Und: Das Geschäftsmodell, bei dem „alles kostenlos“ war, habe Konsequenzen gehabt – man müsse sich nach neuen Geschäftsoptionen umsehen, so Mitchell in ihrer Ankündigung.

Abzuwarten bleibt, was das für den Browser Firefox konkret bedeutet – klar ist aber: Mozilla ist durch die Pandemie noch weiter in die Krise gerutscht. Schon im Jänner wurden 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen. Das Dilemma des Unternehmens wird in Bakers Mitteilung schnell ersichtlich: Mozilla sei das „technische Zugpferd in der Bewegung der Netzaktivisten“ – demgegenüber steht eine Vielzahl wirtschaftlicher Probleme.

Nur Firefox ohne Google-Kern

Unter Aktivisten gilt Mozilla tatsächlich als großer Verfechter des Datenschutzes – das ist nicht zuletzt in der Unternehmensstruktur verankert: Eine Non-Profit-Stiftung ist für die Projektleitung zuständig, der Quellcode des Browsers ist komplett frei einsehbar, prinzipiell kann sich jeder an der Entwicklung beteiligen. Und: Nachdem Mozilla nicht an der Börse notiert, kann der Browser auch nicht ohne Weiteres von einem anderen Konzern aufgekauft werden.

Die Sorge nach der Ankündigung Mozillas ist aber auch deshalb groß, weil Firefox in der Praxis der letzte namhafte Konkurrent von Googles Chrome ist. Zwar gibt es alternative Browser, etwa Microsofts Edge, Opera und Vivaldi, die einen messbaren Marktanteil haben. Doch sie alle setzen mittlerweile auf einen Browser-Kern von Google.

Frau mit Laptop auf der Couch
Getty Images/Maskot
Auf Laptops und Desktops hat Firefox zuletzt an Bedeutung verloren, Chrome beherrscht den Markt fast allein

Das heißt: Auch wenn nicht „Google“ auf dem Browser draufsteht, bauen praktisch alle Entwickler auf dem frei verfügbaren Chrome-Kernstück Chromium auf. Mozilla setzt hingegen auf Eigenentwicklungen unter den Codenamen Gecko und Quantum – und ist damit auf technischer Seite unabhängig von Google.

Firefox in Statistiken nur noch knapp zweistellig

Doch auch ohne Chrome-Varianten ist der Marktanteil des Google-Browsers mittlerweile enorm. Zwar gibt es keine komplett verlässlichen weltweiten Daten, Googles Chrome führt allerdings jede einzelne große Statistik an. Auf Computern liegt der Browser – je nach Anbieter der Zahlen – zwischen 60 und 70 Prozent, Firefox ist in diesen Statistiken nur noch knapp zweistellig. Auch am Handy führt Chrome die Listen an – hier ist vor allem Apples Browser Safari ernstzunehmende Konkurrenz. Firefox spielt mobil praktisch gar keine Rolle.

Chrome könnte im Alleingang den Ton angeben

Diese Dominanz kann langfristig Auswirkungen auf das gesamte Netz haben: Zwar kann sich an der Entwicklung des Chrome-Kerns Chromium ebenfalls jeder beteiligen – das Projekt wird aber von Google geleitet, und damit kann letztlich der Konzern über die Funktionalität des Browsers entscheiden.

Am Tag nach der Ankündigung von Mozilla wurde eine mögliche Monopolstellung durch einen theoretischen Wegfall von Firefox in Sozialen Netzwerken heftig diskutiert: Expertinnen und Experten debattierten darüber, wie sich diese Machtstellung des Suchmaschinengiganten, der vor allem mit Werbeeinnahmen Geld macht, auf das Web auswirken könnte. Letztlich könnte es damit Google obliegen, zu entscheiden, was im Web funktioniert – und was nicht. Dabei werden Unternehmensinteressen – wie wohl in jedem Konzern – nicht komplett außer Acht gelassen werden können.

Internet-Explorer-Dominanz wirkt bis heute nach

Was die enorme Dominanz eines einzelnen Webbrowsers für das gesamte Netz bedeutet, zeigte Microsofts Internet Explorer bereits in den 90er Jahren. In der Zeit der „Browserkriege“ versuchte Microsoft auf dem Markt Fuß zu fassen – zu der Zeit war Netscape Navigator (aus dem später Firefox hervorging) der meistverwendete Browser. Die Strategie, den eigenen Browser mit dem Betriebssystem auszuliefern, funktionierte – zum Ende des Jahrhunderts hatte Microsoft einen Marktanteil von über 90 Prozent.

Rechtlich war die Monopolstellung umstritten – sowohl die USA als auch die EU-Kommission klagten den US-Konzern, zumindest zum Teil erfolgreich. Technisch bedeutete die Explorer-Dominanz, dass Internetseiten nur noch auf den Microsoft-Browser zugeschnitten waren. Bis heute gibt es, vor allem innerhalb von Unternehmen, Seiten, die nur mit dem Internet Explorer funktionieren – lange nachdem selbst Microsoft sich von dem Browser verabschiedet hat.

Firefox muss auf Google hoffen

Heute ist der Entwicklungsprozess durch den Trend zum offenen Quellcode transparenter als damals – wie sich die Alleinherrschaft eines Browsers nun auf das Netz auswirken würde, ist dennoch nur schwer abzuschätzen. Momentan wird Firefox aber ohnehin noch aktiv entwickelt – noch im August soll Version 80 des Browsers erscheinen.

Allerdings wird auch die wirtschaftliche Lage über die Zukunft von Firefox entscheiden – und gerade da könnte der größte Konkurrent zum Retter werden. Denn ein Großteil der Einnahmen des Konzerns kommt von Google – durch einen Deal, der sichert, dass Google die Standardsuchmaschine in Firefox ist. Im November 2017 kam es zu dieser Vereinbarung – diesen Herbst läuft sie aus.

Rettung durch Konkurrenz kein Einzelfall

Nach den Kündigungen scheint klar, dass Mozilla mehr denn je auf dieses Geld angewiesen ist. 2018 erhielt Mozilla rund 430 Millionen Dollar durch Abmachungen, den Großteil von dem Suchmaschinenanbieter. Offen ist, ob Google diesen Betrag auch künftig zahlen wird – vor allem im Hinblick auf den geringeren Marktanteil von Firefox.

Dass die größte Konkurrenz einem Konzern unter die Arme greift, wäre in der IT-Branche aber nichts Neues: Auch Apple wurde einst in letzter Sekunde gerettet, und zwar von Microsoft, um die US-Richter in dem Monopolverfahren gegen den Konzern milde zu stimmen – mit Erfolg. Einen Konkurrenten am Leben zu halten könnte damit auch für Google attraktiv sein – und den Wettkampf zwischen den Browsern neu anfachen.