Paar beim Videotelefonieren
Getty Images/Marioguti
Durch Pandemie getrennt

Paare kämpfen um Wiedersehen

Weltweit kämpfen binationale Paare – einige davon verheiratet, viele nicht – nach Monaten der Trennung aufgrund der Coronavirus-Krise für ihr Recht, einander wiedersehen zu können. Dafür, dass das für das Gros der Betroffenen bisher nicht möglich war, gibt es einige Gründe: von rigorosen Reisebestimmungen, Verwirrung auf den Flughäfen bis hin zu Visablockaden. Eine Kampagne macht auf die Problematik aufmerksam – und auch die EU-Kommission setzt sich für ein Wiedersehen der Liebenden ein.

„Es ist wirklich, wirklich, wirklich hart“, sagt die Schweizerin Nadja L., die ihren Partner Joel S. aus Mexiko seit Februar nicht mehr gesehen hat, im Gespräch mit ORF.at. Kennengelernt haben die beiden einander während L.s Weltreise 2019, seither sind sie ein Paar. Anfang August wollten sie sich aufgrund einer Lockerung der Einreisebestimmungen in der Schweiz wieder in die Arme schließen, wie L. erzählt. Doch dazu kam es nicht: S. wurde zuerst beim Transit auf dem Flughafen in Frankfurt abgewiesen, auch ein weiterer Einreiseversuch über den Pariser Flughafen scheiterte.

„Mir wurden verschiedene Gründe dafür genannt“, so die 33-Jährige. Einmal hieß es, ihr 32-jähriger Freund stelle als Einreisender aus einem Risikogebiet eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar, ein anderes Mal war den Behörden die neue Regelung der Schweiz, wonach Lebenspartner egal woher einreisen dürfen, nicht bekannt, und zu guter Letzt hieß es, dass ihrem mexikanischen Partner ein von der Schweiz ausgestellter Passierschein fehlte, der bei der Einreise über EU-Staaten notwendig ist, in der Schweiz aber nicht.

Selfie von einem Pärchen
Privat
Nadja L. und Joel S. konnten einander zuletzt im Februar treffen

Die Schweizerin, die nach eigenen Angaben über Monate mit Behörden und Konsulaten in Kontakt war und sich auch in den entsprechenden Gesetzestexten informierte, kritisiert vor allem die Undurchsichtigkeit der Bestimmungen und die willkürliche Handhabung der Behörden je nach Beamten und Betroffenem.

„Wir sind keine Touristen“

Ihre Geschichte verbreitete die Frau in Sozialen Netzwerken unter dem Hashtag „Love is Not Tourism“. Die gleichnamige Gruppe ist die wohl prominenteste Bewegung physisch getrennter Paare, die sich im Zuge der Coronavirus-Krise formiert hat. Zur obersten Priorität macht sie sich, Länder weltweit zu Änderungen der Reisebestimmungen für Liebende zu bewegen. „Wir sind keine Touristen“, heißt es. „Wir haben nur ein Ziel: die Arme unserer Geliebten.“

Der Hashtag der Kampagne zeigt vor allem auch, dass unzählige weitere, überwiegend unverheiratete Paare rund um die Erde ein ähnliches Schicksal wie S. und L. teilen. Laut „Guardian“ sollen allein 9.000 Europäerinnen und Europäer von ihren Partnern außerhalb der EU seit der Krise getrennt sein.

Die Betroffenen kritisieren in den Foren besonders, dass einige Staaten zwar die Einreise von einem Ehepartner erlauben, nicht aber jene eines Lebenspartners ohne rechtlichen Status. Häufiges Thema ist zudem, dass die Ein- und Ausreise verhindert wird, weil Behörden und Fluglinien nicht oder nur schlecht über aktuelle Bestimmungen informiert sind. Fest steht: Die Regelungen hierzu sind von Staat zu Staat unterschiedlich und pandemiebedingt dazu auch stets im Fluss.

Paar beim Videotelefonieren
Hannah Lackner
Sehen konnten einander der Kanadier Noal Balint und die Österreicherin Hannah Lackner über Monate nur via Videotelefonie

„Das Schlimmste an allem ist die Ungewissheit“

„Liebe hat viele Facetten. Eine Ehe ist nicht der einzige Beweis, dass man sich lieben kann. Für das 21. Jahrhundert ist so eine Ansicht etwas gestrig“, sagt die Österreicherin Hannah Lackner, die ihren kanadischen Partner Noal Balint im Auslandssemester in den Niederlanden kennengelernt und zuletzt im März gesehen hat. „Das Schlimmste an allem ist die Ungewissheit. Wir tappten sehr lange im Dunkeln, wann und ob wir uns jemals wiedersehen können“, so Lackner zudem.

Ursprünglich hatte das Paar, dem die Kampagne ebenso Trost spendete und das ebenso von unterschiedlichen Auskünften der Behörden berichtet, geplant, dass Lackner so bald wie möglich nach Kanada reist und ein paar Monate mit ihrem Partner verbringt. Von seinen rigorosen Einreisebestimmungen rückte Ottawa aber bis zuletzt nicht ab.

Balint kündigte deshalb vor Kurzem seinen Job und buchte einen Flug nach Österreich. Denn Österreich ist eines von wenigen Ländern bisher, in denen die Einreise von Lebenspartnern offiziell ohne Einschränkungen, also ohne ärztliches Gesundheitszeugnis oder das Antreten einer Quarantäne, möglich ist.

Uneingeschränkte Einreise nach Österreich

„Seit 10. April 2020 dürfen LebenspartnerInnen, egal aus welchem Land kommend, nach Österreich einreisen“, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums mit Verweis auf die aktuelle sowie frühere Verordnungen auf Anfrage von ORF.at. Freilich war das damals über den Luftweg nicht möglich, Landeverbote waren in Kraft, der Flugverkehr war bis zum Sommer so gut wie eingestellt.

„Als LebenspartnerInnen zählen für uns alle Menschen, die sich in einer fixen Beziehung befinden, unabhängig davon, ob sie den gleichen Wohnsitz teilen oder wie lange die Beziehung bereits dauert“, heißt es weiter. Zudem muss der „besonders berücksichtigungswürdige Grund im familiären Kreis“, unter den auch eine Partnerschaft fällt, bei der Kontrolle nachgewiesen werden – mit einem oder mehreren Dokumenten, etwa eine Geburtsurkunde, Partnerschaftsurkunde, Passkopie des Familienmitglieds, Meldebestätigung bzw. Dokumente über gemeinsame Wohnsitze, geeignete Lichtbilder sowie schriftliche Belege, die eine Lebenspartnerschaft dokumentieren.

Auch die 26-jährige Grazerin Carina T. hofft – nicht zuletzt aufgrund der österreichischen Bestimmungen – auf ein baldiges Wiedersehen mit ihrem Freund, dem Peruaner William V. Die beiden hatten sich zuletzt im Februar in Peru gesehen, die Grenzen des Landes sind seither für Ein- und Ausreisen geschlossen. „Ich dachte zuerst, na gut, ich muss zwei, drei Monate nach Hause fliegen, aber danach sehen wir uns wieder in Peru“, so die Österreicherin. Die beiden warten nun darauf, dass das besonders von der Pandemie betroffene südamerikanische Land bald die Grenzen öffnet und V. danach nach Österreich einreisen kann.

Aufruf der EU-Kommission

Auf die Situation unverheirateter Paare machte zuletzt auch die EU-Kommission unter dem Hashtag „Love is Not Tourism“ aufmerksam und richtete eine Bitte an die Mitgliedsstaaten, Lebenspartner unverzüglich einreisen zu lassen. Nur wenige Länder, darunter Deutschland, Finnland und Frankreich, sind dem Aufruf aber bisher gefolgt. Und auch die wenigen EU-Staaten, die eine Einreise ermöglichen, verbinden diese zum Teil mit strengen Vorgaben.

Unter anderem fordern einige Staaten neben dem Vorlegen eines negativen PCR-Tests oder Quarantäne, dass es zu physischen Treffen der Liebenden gekommen ist. Manche knüpfen eine Einreisegenehmigung zudem an die Dauer der Beziehung oder auch an den Ort der Treffen.

Visabetrieb als Hindernis

Doch auch an den bereits vor der Coronavirus-Pandemie bestehenden Einreiseregeln wird Kritik in den Foren laut. Konkret sind einige Liebende darüber erzürnt, dass der Visabetrieb aufgrund geschlossener Botschaften und Konsulate vielerorts nach wie vor kaum bis gar nicht stattfindet. Manche vermuten zudem, dass die zuständigen Vertretungen diese aufgrund der Krise nun restriktiver behandeln.

„Mir wurde gesagt, ich würde das Land nie verlassen“

Der 42-jährige Libanese Khodor Nasrallah, der in Togo lebt, und seine togoische Ehefrau Gloria Ami Toulehohoun, die aktuell in Belgien studiert, sind von der Problematik betroffen. Obwohl er sie vor Ausbruch der Krise mehrmals in Belgien besuchen konnte, wurden seine Visumsbewerbungen seither mehrfach abgelehnt. „Mir wurde gesagt, ich würde das Land nie verlassen“, so Nasrallah. Bei der Geburt seines Kindes konnte er deshalb nicht dabei sein.

An den meisten österreichischen Botschaften oder Konsulaten wurde der Parteienverkehr in Visafragen unterdessen seit Mitte beziehungsweise Ende Juni wieder vollumfänglich aufgenommen, so ein Sprecher des Außenministeriums auf Anfrage. „In Staaten, in denen aufgrund der Corona-Situation z. B. alle Behörden geschlossen wurden, ist auch der Parteienverkehr an österreichischen Vertretungsbehörden weitestgehend geschlossen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Viele Paare sehen es indes als letzte Option an, sich in Ländern mit weniger strengen Einreisebestimmungen zu treffen, oder aber über diese über den Landweg in ihr eigentliches Zielland weiterzureisen. „Aber solche Optionen bleiben für manche Leute komplette Traumvorstellungen, weil das ja allein mit extrem hohen Kosten verbunden ist“, so Lackner, die der Ankunft ihres kanadischen Freundes entgegenfiebert. Auch die Schweizerin L. und der Mexikaner S. wollen noch nicht lockerlassen – im September hoffen sie, samt Passierschein, auf einen neuerlichen Einreiseversuch.