Ein Mann entleert eine Briefkasten der USPS
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Zahlreiche Verzögerungen

Sparkurs bei Post als Wahlhilfe für Trump

Mit dem Sparkurs beim US Postal Service (USPS) könnte US-Präsident Donald Trump dafür sorgen, dass die von ihm oft kritisierte Briefwahl nun vor größeren logistischen Problemen steht. Eine Finanzspritze zur Rettung der Post lehnt er ganz offen ab. Nun räumt auch der USPS-Chef selbst Probleme ein. Für Trumps Wahlkampf kommt das gelegen – denn die Briefwahl könnte vor allem die Demokraten stärken.

Am Donnerstag bestätigte der US-Präsident in einem Interview mit dem Nachrichtensender Fox praktisch seine Kritikerinnen und Kritiker: Die Einsparungen bei der Post, über die schon in den vergangenen Wochen berichtet wurden, könnten die Briefwahl beeinträchtigen – und nötiges Geld zur Sicherung wird bewusst zurückgehalten.

Auslöser war ein Ansuchen der US-Demokraten, das USPS mit einer Finanzspritze von 25 Mrd. Dollar (rund 21,2 Mrd. Euro) zu retten. Trump und die Republikaner lehnen das ab. Im Gespräch mit Fox Business sagte er: Die Demokraten „brauchen das Geld, um den Betrieb der Post aufrechtzuerhalten, damit diese Millionen Wahlzettel bearbeiten kann“. Und: „Wenn sie das nicht hat, dann heißt das, dass es auch keine Briefwahl geben kann, weil sie nicht passend gerüstet ist.“

Trump ortet Wahlzettel aus dem „Nirgendwo“

Später erneuerte Trump im Weißen Haus seine Kritik an dem Briefwahlverfahren, das er schon in der Vergangenheit „betrügerisch“ nannte. Er werde zwar kein Veto gegen eine Finanzierung der Post einlegen, doch der „Grund, dass die Post so viel Geld benötigt, ist, weil sie diese Millionen Wahlzettel bekommen aus dem Nirgendwo und niemand weiß, woher und wohin sie unterwegs sind.“

Ein Mitarbeiter von USPS im Laderaum des Lieferwagens
AP/Star Max/IPx/John Nacion
USPS kämpft seit Wochen mit Verzögerungen bei der Auslieferung

Obama: Trump „zertrümmert“ Post „die Kniescheiben“

Am Freitag schaltete sich auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama in die Debatte ein und kritisierte Trump ungewohnt direkt. In einem Podcast sagte er: „Was wir gesehen haben, ist in der modernen politischen Geschichte einzigartig: Ein Präsident, der explizit versucht, die Menschen vom Wählen abzuhalten. Nie zuvor haben wir gesehen, dass ein Präsident sagt: ‚Ich werde versuchen, der Post die Kniescheiben zu zertrümmern, und ich werde explizit den Grund dafür nennen, warum ich das tue‘“, zitierte der „Guardian“ den Ex-Präsidenten.

Republikaner Ridge: Briefwahl historisch eher ausgeglichen

Diese Rhetorik Trumps, der Briefwahlen auch schon als „manipuliert“ und „korrupt“ bezeichnete – ohne Präzedenzfälle zu nennen –, ist auch unter Republikanern nicht unumstritten. Gegenüber der „Washington Post“ sagte Tom Ridge, Republikaner und ehemaliger Chef des US-Heimatschutzes unter George W. Bush, dass die Angriffe Trumps auf die Briefwahl wenig sinnvoll seien.

Historisch gesehen sei die Briefwahl sowohl bei Republikanern als auch Demokraten populär, so Ridge, etwa unter älteren Wählerinnen und Wählern im US-Bundesstaat Florida. Doch ausgerechnet Trumps Taktik könnte das ausgewogene Verhältnis beeinflussen: Laut der „Washington Post“ zeigen neue Umfragen, dass Republikaner sich gegenüber der Briefwahl jetzt skeptischer zeigen – im Gegensatz zu den Demokraten.

Berichte über Verzögerungen schon seit Wochen

Dann könnten auch die Einsparungen bei der Post zu tatsächlichen Auswirkungen auf das Wahlergebnis führen. Denn schon seit Wochen wird über Verzögerungen von USPS berichtet: Ursache dafür sind unter anderem große Umstrukturierungen in der Post, die schon Anfang August bekanntwurden.

So sagte der Chef der Postgewerkschaft, Mark Dimondstein, damals gegenüber dem Sender CNN, dass neue Regelungen zu deutlichen Verschlechterungen bei der Auslieferung der Post geführt haben. So seien etwa Überstunden „eliminiert“ worden, auf Briefstücke solle nicht mehr gewartet werden, sondern einfach mit Verspätung ausgeliefert werden, hieß es laut den neuen Bestimmungen, die in US-Medien im Juli kursierten. Am Freitag wurde bekannt, dass USPS bereits Briefe an 46 Staaten geschickt habe, um vor einer möglichen Verzögerung bei der Zustellung der Wahlzettel zu warnen.

Zeitpunkt des Eintreffens oft entscheidend

Problematisch ist das, weil das Timing bei der Briefwahl in vielen Bundesstaaten entscheidend ist. Das betrifft auch „Battleground States“, also solche Staaten, in denen beide Parteien Chancen auf den Wahlsieg haben, etwa Arizona, Florida und Michigan, wie das „New York Magazine“ schreibt. In diesen Staaten muss ein Wahlzettel bis zum Wahltag eingelangt sein, um gültig zu sein.

Laut dem öffentlich-rechtlichen Sender NPR wurden allein bei den verschiedenen Vorwahlen heuer 65.000 Stimmen nicht gezählt, weil sie zu spät eingetroffen sind. Eine geschwächte Post könnte das Problem bei den Präsidentschaftswahlen deutlich anfachen: Laut „Washington Post“ sind prinzipiell inmitten der Pandemie knapp 180 Mio. Amerikanerinnen und Amerikaner zur Briefwahl zugelassen – eine Herausforderung, wohl selbst für ausreichend finanzierte Lieferdienste.

Hinzu kommt, dass die Briefwahlstimmen auch ausgezählt werden müssen – und hier hat Trump ebenfalls Druck ausgeübt. In einem Tweet Ende Juli schrieb er, dass die Wahlergebnisse am Wahltag feststehen müssen – „nicht Tage, Monate oder sogar Jahre später“. Trump wollte bisher auch nicht bestätigen, dass er das Ergebnis der Wahl akzeptieren werde. Laut „Washington Post“ haben sich Anwälte der Trump-Kampagne in einigen Bundesstaaten in Stellung gebracht, um gegebenenfalls rechtlich über das Ergebnis zu streiten.

Berichte über neue Einschnitte

Und in den letzten Tagen wurde über weitere Einsparungen bei der Post berichtet: Wie die zum „New York Magazine“ gehörende Seite The Cut berichtet, wurden in Portland im US-Bundesstaat Oregon über 30 Briefkästen abmontiert. USPS bestätigte den Abbau zwar, es handle sich aber lediglich um „doppelte Briefkästen“ – diese würden aufgrund des niedrigeren Briefaufkommens abmontiert.

Laut dem US-Magazin „Vice“ wurden auch Sortiermaschinen stillgelegt. „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie eine Antwort darauf finden werden, ob das sinnvoll ist“, so Kimberly Karol, Vorsitzende der Postgewerkschaft von Iowa gegenüber „Vice“, „denn das haben wir bisher selbst noch nicht herausgefunden“. Auch wenn man bei der Post beschwichtigt – als Symbol für den Zustand des US-Postwesens dienen die neuen Einsparungen allemal.

Kritik an neuem Post-Chef

Die Einsparungen sorgten nicht nur in der Politik für Kritik am Chef von USPS, Louis DeJoy, der erst seit Juni im Amt ist. So sagte etwa der ehemalige Vizechef von USPS im „Guardian“, dass er über die Geschwindigkeit und den Zeitpunkt der Umstrukturierung in der Post besorgt sei. „Die Sorge ist nicht nur, dass sie das in einer Pandemie machen, sondern auch ein paar Monate vor einer Wahl – mit enormen Konsequenzen“, zitierte das Blatt Ronald Stroman. Wenn man die Missstände nicht schnell genug korrigieren könnte, dann „ist die Konsequenz nicht nur: ‚Okay, die Leute bekommen ihre Post nicht‘, sondern dass man den Leuten das Wahlrecht entzieht.“

Der Geschäftsmann DeJoy gilt als treuer Trump-Unterstützer, der 2020 mehrere hunderttausend US-Dollar für die Wiederwahlkampagne gespendet und auch die Republikanische Partei finanziell unterstützt hat. Umstritten ist DeJoy auch, weil er keine einschlägige Erfahrung mitbringt – das war bei USPS seit 20 Jahren nicht mehr der Fall.

DeJoy räumt „unvorhergesehene Konsequenzen ein“

DeJoy räumte am Freitag ein, dass die Maßnahmen bei der Post zu „unvorhergesehenen Konsequenzen“ geführt hätten, berichtete CNN. Das würde sich auf die Qualität der Leistungen auswirken. „Die jüngsten Veränderungen sind jedoch nicht die einzigen Faktoren, die dazu beitragen. Im Laufe der Jahre sind wir in unseren Zeitplänen für die Verarbeitung von Briefen und Paketen undiszipliniert geworden, was zu einem Anstieg verspäteter Postsendungen zwischen den Verarbeitungseinrichtungen und den Zustellungseinheiten geführt hat“, zitierte CNN ein Schreiben DeJoys.

Noch vor Kurzem sah DeJoy kein Problem und sah „reichlich“ Kapazitäten für die Zustellung von Wahlkarten. Das Problem sah er eher bei den Wahlbehörden. „Wir können die Fehler der Wahlvorstände nicht korrigieren, wenn sie es verabsäumen, Prozesse einzuführen, die unsere normalen Verarbeitungs- und Zustellstandards berücksichtigen“, sagte er.

Briefwahl stellt alle Beteiligten vor Herausforderungen

Doch auch bei den Wahlbehörden fehlt es an Geld, schreibt die „Washington Post“ – obwohl sie mit einer enormen Aufgabe konfrontiert sind: Investieren muss man nicht nur in Personal, sondern auch in Kuverts, Briefpapier sowie Maschinen zur Auszählung.

Und alle Beteiligten betreten bei dieser Wahl Neuland: 2018 bei den Midterms wählte ein Viertel der Wählerinnen und Wähler in den USA per Post – dieses Jahr wird dieser Wert aufgrund der Pandemie sicher deutlich steigen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich der verordnete Sparkurs auf die Durchführung der Wahl auswirken wird.