Schulabschluss per Algorithmus: Kritik an britischer Regierung

Die britische Regierung ist am Wochenende wegen ihres Umgangs mit Schulabschlüssen in diesem Jahr zunehmend unter Druck geraten. Teilweise wurden Rücktrittsforderungen gegen Bildungsminister Gavin Williamson laut. Kritisiert wurde vor allem, dass die durch eine Software generierte Notenvergabe ohnehin schon benachteiligte Schülerinnen und Schüler zusätzlich schlechterstellt.

Da wegen der Coronavirus-Pandemie weder Prüfungen zum A-Level (Matura) noch zum GCSE (mittlere Reife) stattfinden konnten, hat das Kultusministerium die Notenvergabe einem Computerprogramm überlassen. Ziel war es, die tendenziell zu positiven Einschätzungen der Lehrerinnen und Lehrer auf ein Durchschnittsniveau der vergangenen Jahre zu drücken.

Das geschah durch einen Algorithmus, bei dem teilweise Schülerinnen und Schüler um bis zu drei Notenpunkte schlechter wegkamen, als ihre Lehrerinnen und Lehrer empfohlen hatten. Grundlage war neben der individuellen Einschätzung der Schulleistung auch der Durchschnitt der Prüfungen an der betreffenden Schule aus früheren Jahren.

Chaotische Situation

Es kam zu einem Aufschrei von Schülerinnen und Schülern, die sich benachteiligt fühlten und teilweise ihre Träume von einem Studienplatz platzen sahen, als am Donnerstag die A-Level-Resultate herauskamen. Ein von dem konservativen Bildungsminister Williamson eiligst ins Spiel gebrachter Widerspruchsmechanismus wurde am Wochenende von der zuständigen Behörde wieder teilweise zurückgenommen.

Zunächst hatte es geheißen, Schülerinnen und Schüler könnten durch ein Beschwerdeverfahren erreichen, dass die beste Bewertung gezählt werde, entweder aus einem Probeexamen oder aus der Lehrerbewertung. Alternativ solle es möglich sein, die Abschlussprüfung im Herbst nachzuholen, was für einen Studienbeginn zum Wintersemester jedoch zu spät käme. Doch dann ruderte die Behörde zurück.

Labour: „Fiasko“

Die bildungspolitische Sprecherin der oppositionellen Labour Party, Kate Green, bezeichnete das Vorgehen der Regierung als „Fiasko, das sich von der Tragödie zur Farce entwickelt“. Premierminister Boris Johnson müsse die Angelegenheit zur Chefsache erklären. Auch Lehrerverbände äußerten sich kritisch.

Williamson hatte das computergestützte Verfahren als notwendig verteidigt, um eine Inflation der Bestnoten zu verhindern. Der Druck wächst jedoch, und bereits am Donnerstag sollen die GCSE-Noten veröffentlicht werden.

Die Regionalregierung in Schottland hatte zuvor bereits mit demselben Ansatz Schiffbruch erlitten und eine Kehrtwende vollzogen. Dort sollen nun doch die Einschätzungen der Lehrerinnen und Lehrer maßgeblich sein.