Joe Biden und Kamala Harris
AP/Carolyn Kaster
US-Wahl

Demokraten starten virtuellen Parteitag

Die Parteitage vor US-Präsidentschaftswahlen gelten als genau inszeniertes Politspektal. Auch heuer hätten rund 50.000 Menschen nach Milwaukee zur Convention der Demokraten reisen sollen – doch dann kam das Coronavirus. Nun findet der Parteitag ab der Nacht auf Dienstag (MESZ) virtuell statt. Bis Donnerstag gibt es täglich zwei Stunden Programm in TV und Netz, am Ende wird Joe Biden offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt.

Laut US-Medienberichten soll der virtuelle Parteitag ein Mix aus aufgezeichneten Videos, Liveschaltungen und Minidokumentationen werden. Wichtigster Programmpunkt werden die Reden demokratischer Politiker und Politikerinnen sein, die aus allen Teilen der USA zugeschaltet werden. Den Beginn macht dabei die ehemalige First Lady Michelle Obama, die ihre Rede bereits im Urlaub in Martha’s Vineyard aufgezeichnet hat. Zu hören sein wird auch der frühere Senator und zweimalige Anwärter auf die demokratische Kandidatur, Bernie Sanders.

Ebenfalls auf dem Programm der kommenden Tage stehen die Ex-Präsidenten Barack Obama und Bill Clinton, Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sowie Bidens Vizekandidatin Kamala Harris. Abschluss des Parteitages wird Bidens Rede sein. Auch diese wird nicht vor großem Publikum stattfinden, stattdessen soll sie aus Bidens Heimatstaat Delaware übertragen werden. Der 77-Jährige zeigte sich zuletzt aufgrund der Coronavirus-Pandemie eher selten in der Öffentlichkeit.

Barack und Michelle Obama
APA/AFP/Jim Young
Das Ehepaar Obama wird am virtuellen Parteitag Reden halten

Inszenierung nach Art der NFL

Ohne Pomp, applaudierendes Publikum und die persönliche Vernetzung Tausender Anhänger und Delegierter wird es ein Parteitag der anderen Art. Die Inszenierung soll darunter allerdings nicht leiden: Laut der „New York Times“ will sich die Veranstaltung an der National Football League orientieren. Diese hatte im April ihren Draft – die Auswahl der Nachwuchsspieler – über eine gigantische, landesweit im TV übertragene Videokonferenz abgewickelt und damit ein Millionenpublikum angezogen.

Man peile eine Mischung aus diesem Event und einem politischen Fernsehmarathon zum Spendensammeln an, hieß es. Entsprechend ausgeprägt soll der Showcharakter sein: Abgesehen von den zentralen Ansprachen der profiliertesten Politiker und Politikerinnen soll die durchschnittliche Redezeit laut „New York Times“ bei gerade einmal zwei Minuten liegen. Flankiert werden die Beiträge von musikalischen Auftritten, die Publikum anlocken sollen. Angekündigt sind Popstars wie Billie Eilish, Jennifer Hudson, Prince Royce und The Chicks, vormals bekannt als Dixie Chicks.

Billie Eilish
Reuters/Simon Dawson
Auch Popstar Billie Eilish tritt auf

Auch Wählerinnen und Wähler sollen in kurzen Clips zu Wort kommen. Abgewickelt wird die Show aus einem Veranstaltungszentrum in Milwaukee. Mehr als 400 Personen sollen landesweit beteiligt sein, so die „Washington Post“. Das Wahlprozedere wurde bereits im Vorfeld abgewickelt. Laut Organisator Ricky Kirshner – er plante auch Events wie die Halftime-Show der Super Bowl und die Tony Awards – könne „alles passieren“: „Es ist nicht geskriptet, das kann ich sagen. Es gibt so viele Liveelemente in dieser Show“, so Kirshner zur „Washington Post“.

Demokraten wollen Einheit zeigen

Der Parteitag findet unter dem Motto „Uniting America“ („Amerika vereinen“) statt – man will Geschlossenheit demonstrieren. Mit der Convention dürfte sich langsam auch der Wahlkampf intensivieren, der bisher von der Epidemie überschattet und gebremst wurde. Die USA leiden nach wie vor schwer unter dem Coronavirus. Bisher starben rund 170.000 Menschen, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen sind enorm. Nicht zuletzt das nützt Biden bei seinen Beliebtheitswerten.

Von den Parteitagen erhoffen sich die Parteien im US-Wahlkampf stets einen Schub für die Umfragen. Die Conventions sind eine jener Gelegenheiten, in denen die Kandidaten ihr Programm und ihr Narrativ präsentieren, vor allem aber selbst kontrollieren können. Laut der „New York Times“ befürchtet die Partei aber, dass der auf mehrere Tage gestückelte virtuelle Parteitag nur für mäßiges Interesse sorgen könnte. Im schlimmsten Fall könnten kritische Wählerinnen und Wähler die Veranstaltung als stundenlange Propagandaschleife sehen, so die „Washington Post“.

Wisconsin Center
AP/Carrie Antlfinger
Milwaukee hätte Austragungsort des Parteitages sein sollen

Pläne der Republikaner noch offen

Die Republikaner von Präsident Donald Trump wollen ihren Parteitag eine Woche nach den Demokraten abhalten. Auch sie haben ihre ursprünglichen Pläne aufgrund des Coronavirus verwerfen müssen. Das Programm ist noch immer weitgehend unklar. Trump hatte angedeutet, er könnte die Nominierung vom Weißen Haus aus akzeptieren. Es gab allerdings Zweifel, ob das überhaupt legal ist.

Während die Demokraten tagen, will sich Trump diese Woche aber demonstrativ persönlich auf Wahlkampftour durch mehrere „Swing-States“ begeben. Für Montag ist ausgerechnet ein Auftritt in Wisconsin angekündigt, wo die Demokraten eigentlich zusammenkommen wollten. Zudem will Trump in Minnesota sprechen. Am Dienstag soll es planmäßig nach Arizona gehen, bevor sich Trump am Donnerstag nach Pennsylvania begeben will – am Tag der Nominierungsrede von Biden.