Wolf
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Gut oder böse?

Thema Wolf kocht wieder hoch

Der Wolf weckt Emotionen und polarisiert wieder einmal. Tourismus, Almwirtschaft und die Präsenz des Wolfes ließen sich nicht vereinbaren, sagen das Land Tirol und Almbauern. Sie fordern den Abschuss. „Wolfsfreie Zonen“ seien nicht möglich, sagen EU und Tierschützer. Sie halten am strengen Schutzstatus fest.

„Mit der Wolfsromantik muss es vorbei sein“, hatte Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Montag gesagt und eine Senkung des Schutzstatus auf EU-Ebene verlangt. Die Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (ARGE Alp) – bestehend aus zehn Ländern, Provinzen, Regionen und Kantonen der Staaten Österreich, Deutschland, Italien und Schweiz mit Ziel der gemeinsamen Sicherung und Entwicklung des Alpenraumes – werde diesbezüglich einen Vorstoß unternehmen, sagte Platter. Denn nur dann sei eine „Entnahme“ von Wölfen möglich.

Allein dieses Jahr ist laut Platter von beinahe 90 Wolfsrissen in Tirol auszugehen. „Wenn es um den Schutz der Tiere geht, so muss man nicht nur an den Schutz des Wolfes denken, sondern auch an Schutz von Nutztieren – Schafe und Ziegen. Und ich bin der Meinung, dass der Wolf bei uns keinen Platz hat“, sagte Platter. Gerade in Tirol, wo es eine Kombination aus beengtem Siedlungsraum, klein strukturierter Berglandwirtschaft, Almwirtschaft und Tourismus gebe, funktioniere ein Miteinander von Mensch, Nutztier und Wolf nicht – mehr dazu in tirol.ORF.at.

EU-Kommissar: „Wolfsfreie Zonen“ nicht möglich

Am strengen Schutz der Wölfe sei nicht zu rütteln, stellte dagegen Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius in einer aktuellen Anfragebeantwortung unmissverständlich klar. Mehrere österreichische EU-Abgeordnete hatten sich erkundigt, ob „wolfsfreie Zonen“ im Alpenraum möglich seien oder an eine Aufweichung des Schutzes gedacht werde. Beides verneinte der litauische Kommissar eindeutig.

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Seit einigen Jahren kehren Wölfe verstärkt und von selbst in den Alpenraum zurück

Regionale „wolfsfreie Zonen“ seien nach EU-Recht gleich aus mehreren Gründen nicht möglich, wurde Sinkevicius am Dienstag in Berichten der „Salzburger Nachrichten“ und der „Tiroler Tageszeitung“ zitiert: Erstens gebe es Möglichkeiten zum Herdenschutz und zu finanziellen Entschädigungen. Zweitens könnten sich solche Zonen negativ auf den Erhaltungszustand der Art auswirken. Jeder Abschuss eines Tieres mit problematischem Verhalten müsse im Einzelfall geprüft werden.

Der Fall Salzburg

Genau das ist aktuell im Salzburger Pongau der Fall: Die Bezirkshauptmannschaft St. Johann genehmigte im Juni die „Entnahme“ eines Wolfes, der im Vorjahr rund zwei Dutzend Schafe im Großarltal gerissen hatte. Naturschützer legten aber Einspruch dagegen ein, die Sache liegt nun beim Landesverwaltungsgericht – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Auf jeden Fall darf der Abschuss eines „Problemwolfes“ den günstigen Erhaltungszustand der Art nicht gefährden. Sinkevicius sagte, dass der Erhaltungszustand auf der Ebene der einzelnen biogeografischen Regionen innerhalb eines Mitgliedsstaats bewertet werde, wobei die Kommission diesen Erhaltungszustand in Österreich erst vor einem Jahr als „ungünstig-schlecht“ bewertet habe.

Richtlinien zur Richtlinie in Arbeit

Gleichzeitig informierte Sinkevicius, dass die Kommission derzeit Richtlinien erarbeitet, mit denen die „Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“ („Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie“ oder kurz FFH-Richtlinie) klarer ausgelegt und die Bestimmungen leichter angewandt werden können. Eine der Bestimmungen listet auf, wann einzelne Wölfe getötet werden dürfen.

Der Kommissar stellte aber klar, dass es nicht um eine Überarbeitung der Anhänge zur FFH-Richtlinie gehe. Darin sind Wölfe als prioritäre und streng zu schützende Art angeführt. Auch in Österreich werden sie in den jeweiligen Landesjagdgesetzen entweder als „nicht jagdbar“ oder als „ganzjährig geschont“ geführt.

WWF für Ausbau des Herdenschutzes

„Wem die berechtigten Sorgen der Almwirtschaft ein Anliegen sind, der blendet Bäuerinnen und Bauern nicht mit unrealistischen Forderungen, sondern muss die Umsetzung von Herdenschutz konsequent unterstützen“, sagte WWF-Artenschutzexperte Arno Aschauer am Dienstag in Anspielung auf die Aussagen Platters an. Es brauche unter anderem bessere Entschädigungen für betroffene Halter von Nutztieren und ausgewogene Information. Darüber hinaus forderte der WWF eine Wiederbelebung des Hirtenwesens und die Ausbildung von Herdenschutzhunden.

Denn Wölfe fressen laut WWF hauptsächlich Wildtiere wie Hirsche, Rehe und Wildschweine. Nur wenn Weidevieh unzureichend geschützt ist, könne dieses vor allem im Sommer, wenn Schafe und Ziegen auf den Almen stehen, vermehrt gerissen werden, so der WWF auf seiner Website. Eine Analyse von über 2.000 Kotproben von Wölfen habe ergeben, dass Nutztiere wie Schafe weniger als ein Prozent ihrer Nahrung ausmachen. Außerdem gibt es laut WWF derzeit keine Nachweise, dass Viehherden durch eine gezielte Bejagung geschützt werden können.

Rückkehr nach mehr als 100 Jahren

Das letzte Wolfsvorkommen in Österreich erlosch 1882 im steirischen Wechsel-Gebiet. Seit 2009 wurden wieder einzelne Individuen nachgewiesen, 2016 gab es dann erstmals Nachwuchs auf dem Truppenübungsplatz in Allentsteig in Niederösterreich – mehr dazu in noe.ORF.at. Mittlerweile leben laut WWF wieder um die 30 Wölfe in Österreich.

Die dauerhafte Rückkehr der Wölfe könne dort klappen, wo sich einerseits ausreichend Nahrung und genug Lebensraum befinden, andererseits vor allem dort, wo die Tiere im Gebiet geduldet werden. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist nach Ansicht des WWF der Schlüsselfaktor. Die Gefährlichkeit von Wölfen werde oft weit überschätzt. Kuhattacken und Zeckenbisse seien im Vergleich dazu für den Menschen weitaus gefährlicher. Menschenfresser und Bösewicht sei „Meister Isegrim“, wie der Wolf im Märchen genannt wird, nur in diesem.