Proteste auf Mali
Reuters/Rey T. Byhre
Mali

Präsident nach Militärputsch zurückgetreten

Nach einem mutmaßlichen Militärputsch in Mali hat Präsident Ibrahim Boubacar Keita in der Nacht auf Mittwoch seinen Rücktritt und die Auflösung von Regierung und Parlament angekündigt. „Ich teile Ihnen meine Entscheidung mit, sofort von allen meinen Ämtern zurückzutreten“, sagte Keita, der wenige Stunden zuvor von aufständischen Soldaten festgesetzt worden war.

„Ich möchte, dass kein Blut vergossen wird, um mich an der Macht zu halten“, begründete Keita seine Entscheidung und dankte „dem malischen Volk für seine Unterstützung in diesen langen Jahren.“ Bei der Ansprache, die im staatlichen Fernsehen übertragen wurde, trug Keita einen Mund-Nasen-Schutz.

Die Anführer des Putsches versprachen indes, nach einer „politischen Übergangsphase“ eine Wahl abzuhalten. „Wir, die patriotischen Kräfte des Nationalen Komitees zum Wohl des Volkes, haben entschieden, unsere Verantwortung vor dem Volk und der Geschichte zu übernehmen“, sagte Ismael Wague, der stellvertretende Stabschef der Luftstreitkräfte, im Staatsfernsehen. Die Wahl werde „in angemessener Zeit“ stattfinden, sagte Wague, der überdies versprach, dass bestehende internationale Verträge eingehalten würden.

Ibrahim Boubacar Keita
Reuters/Ludovic Marin
Präsident Keita erklärte mit Schutzmaske seinen Rücktritt

Es begann mit Schüssen in die Luft

Dienstagfrüh hatten malische Soldaten laut Augenzeugen am Stützpunkt in der Stadt Kati etwa 15 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt Schüsse in die Luft abgefeuert. Anschließend fuhren sie im Konvoi nach Bamako, wo sie von einer jubelnden Menge empfangen wurden, wie ein AFP-Reporter berichtete.

Malische Soldaten und Menschen in Bamako
APA/AFP/Malik Konate
In der Hauptstadt Malis wurden die Soldaten gefeiert

Regierungschef Boubou Cisse hatte die Soldaten am Nachmittag noch aufgerufen, die Waffen niederzulegen und in einen „brüderlichen Dialog“ einzutreten, „um alle Missverständnisse auszuräumen“. Die Vorfälle zeugten von „einer gewissen Frustration, die legitime Ursachen haben kann“. Später wurden Cisse und Keita nach übereinstimmenden Angaben der Putschisten und eines Sprechers von Cisse von den Aufständischen festgesetzt.

Verschleppte Reformen und Korruptionsvorwürfe

Keita stand zuletzt stark unter Druck, weil es ihm nicht gelungen war, einen seit 2012 andauernden dschihadistischen Aufstand im Norden des Landes unter Kontrolle zu bringen. Verschleppte politische Reformen, eine schwächelnde Wirtschaft und Korruptionsvorwürfe hatten die Stimmung gegenüber Keita weiter verschlechtert. Die Oppositionsbewegung M5-RFP forderte den Rücktritt des 75-jährigen Präsidenten und organisierte immer wieder Massenproteste gegen ihn.

Sorge vor Folgen für Region

In Mali – sowie anderen Ländern der Sahelzone – sind etliche islamistische Terrorgruppen aktiv, einige haben dem Islamischen Staat (IS) oder al-Kaida die Treue geschworen. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International zeigten sich wegen der steigenden Gewalt zunehmend besorgt. Bereits rund 250.000 Menschen wurden aufgrund anhaltender Angriffe allein in Mali vertrieben. Nun wird befürchtet, dass ein Sturz des malischen Präsidenten die ganze Region in Westafrika weiter destabilisieren könnte.

Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita
APA/AFP/Ludovic Marin
Der zurückgetretene Präsident Ibrahim Boubacar Keita

Daher gibt es auch zahlreiche Aufrufe, Gewalt zu vermeiden. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres forderte die „sofortige und bedingungslose Freilassung“ von Keita und Cisse. Zudem rief er in einer Mitteilung am Dienstagabend zur „sofortigen Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und Rechtsstaatlichkeit in Mali“ auf. Der UNO-Sicherheitsrat berief laut Diplomaten für Mittwoch eine Sondersitzung zu Mali ein. Die Afrikanische Union (AU) verlangte die sofortige Freilassung der Politiker und verurteilte das Vorgehen der Soldaten scharf.

Ähnlich äußerte sich die frühere Kolonialmacht Frankreich. Staatschef Emmanuel Macron habe mit Keita, dessen nigrischem Amtskollegen Mahamadou Issoufou, dem Präsidenten der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, sowie dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall telefoniert, teilte der Elysee-Palast mit. Macron habe seinen Gesprächspartnern uneingeschränkte Unterstützung ausgesprochen. Frankreich ist in Westafrika im Einsatz gegen Islamistenmilizen vertreten, Mali ist ein Schwerpunkt.

Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) verurteilte kurz vor Keitas offiziellem Rücktritt den „Militärputsch“ und kündigte Sanktionen an. Die Mitgliedsstaaten würden ihre Grenzen mit Mali schließen und Sanktionen gegen die Putschisten fordern, hieß es in einer Mitteilung der Organisation. Mali werde zudem aus den Entscheidungsgremien der Organisation, der 15 Staaten angehören, ausgeschlossen.

Putsch 2012 führte zu Chaos

Der Putschversuch könne „in keiner Weise eine Antwort auf die tiefe gesellschaftspolitische Krise sein, die Mali seit mehreren Monaten getroffen hat“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell via Twitter. In Absprache mit ECOWAS, der AU und den Vereinten Nationen fordere die EU einen Dialog. Auch der US-Sondergesandte für die Sahelzone, Peter Pham, sagte, Washington lehne jeden Regierungswechsel außerhalb des rechtlichen Rahmens ab.

Karte von Mali
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

2012 hatte eine Meuterei in Kati, an demselben Militärstützpunkt wie am Dienstag, zu einem Putsch geführt, bei dem der damalige Präsident Amadou Toumani Toure gestürzt wurde. Der Staatsstreich war auch mitverantwortlich dafür, dass der Norden Malis an Dschihadisten fiel.

Auch österreichische Soldaten sind im Rahmen einer UNO- sowie einer EU-Trainingsmission in Mali. Angesichts der angespannten Lage bleiben sie vorerst an ihren Stützpunkten, wie das Bundesheer der APA am Dienstagabend mitteilte. Insgesamt seien derzeit 15 österreichische Soldaten in dem westafrikanischen Land im Einsatz. Alle Soldaten seien in das Hauptquartier in Bamako zurückbeordert worden und in Sicherheit, so der Sprecher weiter. Bis die Lage geklärt sei, sollen die Bundesheersoldaten auch dort bleiben.