Schildkröte vor Galapagos
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Galapagos

„Geisterschiffe“ auf Beutefang im Naturparadies

Vor den Galapagosinseln tauchen seit Jahren zur Fangsaison chinesische Schiffe auf und bedrohen das einzigartige Ökosystem. Heuer wenden Hunderte Fischer einen Trick an, um der Beobachtung zu entgehen: Sie schalten ihre Ortungssysteme aus, so der Vorwurf aus Ecuador. Das Land kann gegen den mächtigen Investor China aber ohnehin wenig ausrichten.

Die ecuadorianische Regierung warf am Dienstag (Ortszeit) 149 chinesischen Fischereischiffen vor, ihre Ortungssysteme absichtlich abgeschaltet zu haben. Die Schiffe befänden sich nahe den geschützten Galapagosinseln, aber noch in internationalen Gewässern, so Verteidigungsminister Oswaldo Jarrin bei einer Pressekonferenz. Ohne die Ortungssysteme sei es aber nicht mehr möglich festzustellen, „wo sie sind oder wer sie sind“, so Jarrin.

Die Marine des südamerikanischen Landes hatte schon im Juli rund 260 Fischerboote in der Nähe des geschützten Archipels entdeckt – die meisten davon fuhren unter chinesischer Flagge. Mittlerweile sei die Flotte auf 325 Schiffe angewachsen, sagte der Minister.

Katastrophe für Ökosystem

Der Archipel gehört zu Ecuador, liegt aber fast 1.000 Kilometer von der Küste entfernt im Pazifik. Dort entwickelten sich Arten, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. In dem Gebiet befindet sich auch die weltweit größte Haipopulation, viele Arten sind vom Aussterben bedroht.

Fischerboot
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Hunderte Fangschiffe kreuzen vor der Schutzzone. Nun dürften viele davon ihre Ortungssysteme ausgeschaltet haben.

Ecuadors Regierung erklärte die Inseln 1959 zum Nationalpark, seit 1979 gehört die Inselgruppe dem UNESCO-Weltnaturerbe an. Rund um den Archipel, dessen einzigartige Tier- und Pflanzenwelt einst den britischen Forscher Charles Darwin zu seiner Evolutionstheorie inspirierte, sind Meeresgebiete auf einer Fläche von 133.000 Quadratkilometern geschützt.

Der Schutz endet, wo internationale Gewässer beginnen. Für das Ökosystem des Archipels sind die Fischer eine Katastrophe, so John Hourston von der Ozeanschutzgruppe Blue Planet Society zur „Süddeutschen Zeitung“: „Mit ihren Netzen und Leinen saugt die Fangflotte von außen das Leben aus dem Schutzgebiet heraus.“

„Eine schwimmende Stadt“

Es schadet dem gesamten Ökosystem, wenn große Tiere durch Menschen aus der Nahrungskette herausgenommen werden. Der Fang von Thun- und Schwertfischen, Barschen, Goldmakrelen und Haien löst laut Fachleuten eine Kettenreaktion aus. Bei der Fischerei kommt es auch immer wieder zum „Shark-Finning“ – einer illegalen Praxis, bei der Haien die Flossen abgetrennt und die Tiere zurück ins Meer geworfen werden.

Dass chinesische Fischer den weiten Weg zurücklegten, zeige die prekäre Lage, so der Umweltschützer. „Nach rund 150 Jahren industriellem Fischfang gibt es nur noch wenige Gebiete, in denen das Leben im Meer überhaupt noch einigermaßen intakt und reichhaltig ist.“ Niemand schicke so viele Schiffe wie China, die Hunderten Boote seien „wie eine schwimmende Stadt“, die große Zerstörung anrichte.

Tiere kreuzen ankernde Schiffe

Der Bereich, in dem die Schiffe ankern, dient zahlreichen Meerestieren als Migrationsroute. Viele Tiere haben einen Bewegungsradius, der weit über die Schutzzone hinausgeht. Die Flotte im Juli wurde von Umweltschützern und Forschern mitunter deshalb bemerkt, weil ein Walhai, dessen angebrachtes GPS-Signal verfolgt wurde, plötzlich verschwunden war. Man nimmt an, das Tier wurde von den Fischern getötet.

Galapagos
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Die 127 Inseln, Inselchen und Felsen beherbergen eine einzigartige Flora und Fauna

Für große Aufmerksamkeit sorgte ein größerer Zwischenfall 2017, als die Besatzung eines chinesischen Schiffes in Ecuador wegen des illegalen Fangs seltener Haie rund um die Galapagosinseln zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde. An Bord hatte das Schiff rund 300 Tonnen Fisch, allein 6.600 tote Haie, auch gefährdete Arten. „Es war ein Schlachthaus“, sagte der Meeresforscher Jonathan Green dem „Guardian“.

„Diese Art der Schlachtung findet in internationalen Gewässern in großem Umfang statt, und niemand sieht es.“ Damals verhängte ein Gericht eine Millionenstrafe gegen den chinesischen Reeder, Besatzungsmitglieder mussten für Jahre ins Gefängnis. Abhalten konnte das andere chinesische Fischer aber nicht – offenbar im Gegenteil: Es werden immer mehr Schiffe, und sie kommen Jahr für Jahr.

Größte Fangflotte der Welt

Chinas Fischereiflotte ist die größte der Welt, es soll sich um rund 17.000 Schiffe handeln. Die meisten fahren unter chinesischer Flagge, rund 1.000 sind in anderen Ländern registriert, so der Thinktank Overseas Development Institute (ODI). Dem Institut zufolge ist nur wenig über die Eigentümerstrukturen bekannt sowie darüber, wie stark die Schiffe in internationalen Gewässern von Peking kontrolliert werden.

Ecuador will gegen die ausufernde Fischerei vorgehen, Präsident Lenin Moreno lässt zusammen mit Umweltschützern und Politikern eine Schutzstrategie erarbeiten. Ein Wunsch wäre die Errichtung eines Korridors von Meeresreservaten, um wichtige Gebiete der Meeresvielfalt abzusperren. Man werde das Meeresreservat verteidigen, „eine Brutstätte des Lebens für den gesamten Planeten“, so Moreno auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Dazu hole man auch andere südamerikanische Staaten ins Boot.

Ecuador abhängig von China

Ecuador ist aber in einer Zwickmühle, Chinas Einfluss im Land ist groß. Das lateinamerikanische Land ist bei China hoch verschuldet. Ecuadors Erdölförderung fließt deswegen zur Schuldentilgung fast ausschließlich nach China. Damit mehr Erdöl gefördert werden kann, wird zunehmend auf Quellen in ökologisch sensiblen Gebieten zurückgegriffen. Über die Investitionspolitik hat China auch enormen Einfluss auf die infrastrukturelle Entwicklung des Landes. Den wichtigen Investor zu vergrämen, will sich Ecuador nicht leisten.

Nach Ecuadors Protest im Juli gegen die Präsenz Hunderter Schiffe aus China kam Peking dem Land entgegen. Nach „freundschaftlichen Gesprächen über bilaterale Kanäle“ sagte China ein Aussetzen der Fischerei nahe der Galapagosinseln zu. Der Bann gilt aber erst ab September – für Umweltschützer zu wenig und zu spät.