US-Senatorin Kamala Harris
Reuters/Kevin Lamarque
Harris nominiert

US-Demokraten rufen Schicksalswahl aus

Die US-Demokraten haben Mittwochabend (Ortszeit) Kamala Harris als Vizekandidatin für die Präsidentschaftswahl im November nominiert. Vor der offiziellen Kür von Harris wandte sich Ex-Präsident Barack Obama an seine Partei – mit ungewöhnlich scharfer Kritik am aktuellen Amtsinhaber.

Mit einer Botschaft der Hoffnung und Einheit warb Harris für die Wahl des designierten Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. „Wir müssen einen Präsidenten wählen, der etwas anderes, etwas Besseres bringt“, sagte Harris in Wilmington (Delaware) am weitgehend virtuellen Parteitag der Demokraten, „einen Präsidenten, der uns alle – Schwarze, Weiße, Latinos, Asiaten, Indigene – zusammenbringt, um die Zukunft zu erreichen, die wir uns gemeinsam wünschen.“ Sie fügte hinzu: „Lasst uns mit Hoffnung kämpfen!“

Zugleich ging Harris scharf mit dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump ins Gericht. Dessen „Führungsversagen hat Leben und Lebensgrundlagen gekostet“, so die Demokratin. „Wir sind an einem Wendepunkt angelangt. Das ständige Chaos macht uns hilflos. Die Inkompetenz macht uns Angst.“

Harris verwies darauf, dass das Coronavirus Angehörige von Minderheiten besonders hart trifft. „Das ist kein Zufall. Das ist die Folge von strukturellem Rassismus.“ Sie fügte hinzu: „Und lassen Sie uns eines klarstellen: Es gibt keinen Impfstoff gegen Rassismus. Wir müssen die Arbeit machen.“ Biden hatte sich vergangene Woche für die Senatorin und Juristin aus Kalifornien als seine mögliche Stellvertreterin entschieden und damit eine historische Wahl getroffen. Im Fall eines Wahlsiegs wäre Harris die erste Frau und Schwarze im Vizepräsidentenamt.

Obama warnt vor Bedrohung der Demokratie

Harris’ Nominierung – eigentlich der Höhepunkt am dritten Abend des demokratischen Parteitags – rückte allerdings beinahe in den Hintergrund. Vor Harris’ offizieller Nominierung richtete sich Ex-Präsident Obama per Videoschaltung aus Philadelphia an die Delegierten. Hatte zwei Tage zuvor Michelle Obama harte Worte gegen Trump gefunden, so war es jetzt an ihrem Mann, scharfe Kritik an seinem Nachfolger zu üben: „Donald Trump ist nicht in den Job hineingewachsen, weil er es nicht kann. Und die Folgen dieses Versagens sind schwerwiegend.“ Mit Blick auf die Wahl am 3. November sprach Obama eine düstere Warnung aus: „Diese Regierung hat gezeigt, dass sie unsere Demokratie niederreißen wird, wenn das nötig ist, um zu gewinnen.“

Videograb von Barack Obama
AP/Democratic National Convention
Üblicherweise halten sich Ex-Präsidenten mit Kritik an ihren Nachfolgern zurück. Doch es sei „keine normale Zeit“, so Obama.

Trump habe die Macht seines Amtes lediglich dafür genutzt, sich selbst und seinen Freunden zu helfen, so Obama. Die Präsidentschaft habe er behandelt wie „eine weitere Reality-Show, mit der er die Aufmerksamkeit bekommen kann, nach der er sich sehnt“. Unter Trump seien während der Pandemie nicht nur 170.000 Amerikaner gestorben, sondern auch Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Obama machte den Republikaner zudem dafür verantwortlich, dass die USA in der Welt an Ansehen verloren hätten und die demokratischen Institutionen „wie nie zuvor“ bedroht seien.

„Es ist keine normale Zeit“

Mit Kritik an seinem Nachfolger hatte sich Obama bisher zurückgehalten, während Trump ihn ständig attackierte. Generell ist es nicht üblich, dass ein Ex-Präsident den Amtsinhaber scharf kritisiert. „Es ist keine normale Zeit. Also möchte ich heute Abend so deutlich, wie ich kann, darüber sprechen, was bei dieser Wahl auf dem Spiel steht.“ Es gehe um die Demokratie, warnte Obama. Was in den kommenden 76 Tagen passiere, werde sich auf die folgenden Generationen auswirken. „Heute Abend rufe ich euch auf, an die Fähigkeit von Joe und Kamala zu glauben, dieses Land aus dunklen Zeiten zu führen und besser neu aufzubauen“, sagte Obama.

Auch die übrigen hochkarätigen Redner des Abends attackierten den Amtsinhaber. Die frühere Außenministerin, Senatorin und First Lady Hillary Clinton, die Trump bei der Wahl 2016 unterlegen war, sagte: „Ich wünschte, Donald Trump wüsste, wie man ein Präsident ist.“ Amerika brauche sofort einen besseren Präsidenten. „Wählen Sie, als stünden unsere Leben und unsere Lebensgrundlagen auf dem Spiel, denn das tun sie.“

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, bescheinigte Trump „Respektlosigkeit gegenüber Fakten, gegenüber Arbeiterfamilien und insbesondere gegenüber Frauen“. Das spiegle sich nicht nur in seinem Verhalten, sondern auch in seiner Politik wider. „Aber wir wissen, was er nicht weiß: dass Amerika erfolgreich ist, wenn Frauen erfolgreich sind“, so Pelosi. Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren machte Trump indes für den schweren Verlauf der Coronavirus-Pandemie in den USA verantwortlich. Das Coronavirus sei Trumps größter Test gewesen. „Er ist kläglich gescheitert“, sagte Warren. Am 3. November werde er dafür zur Verantwortung gezogen.

Billie Eilish
AP/Democratic National Convention
Unterstützung für die Demokraten und Harris kam auch von Grammy-Preisträgerin Billie Eilish

Keinen Hehl aus ihrer Ablehnung Trumps machte auch die Sängerin und Grammy-Preisträgerin Billie Eilish. „Donald Trump zerstört unser Land und alles, was uns wichtig ist“, sagte sie bei ihrem Videoauftritt. „Wir brauchen Anführer, die Probleme wie den Klimawandel und Covid-19 lösen und sie nicht leugnen. Anführer, die systemischen Rassismus und Ungleichheit bekämpfen.“ Sie fügte hinzu: „Das beginnt damit, gegen Donald Trump und für Joe Biden zu stimmen. Schweigen ist keine Option, und wir können das nicht aussitzen.“ Eilish sang nach ihrem Appell, wählen zu gehen, ihren Ende Juli veröffentlichten Song „My Future“.

Trump: „Sehen uns auf dem Schlachtfeld“

Auf Obamas Abrechnung hatte Trump schon nach Bekanntwerden erster Redeauszüge reagiert. Er sei nur Präsident geworden, weil Obama selbst versagt habe. „Präsident Obama hat keinen guten Job gemacht. Und der Grund, warum ich hier bin, ist wegen Präsident Obama und Joe Biden“, sagte er bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

Hätten Obama und dessen Vizepräsident Biden bessere Arbeit geleistet, wäre er möglicherweise gar nicht ins Rennen um die Präsidentschaft eingestiegen. „Ich wäre sehr glücklich gewesen, ich habe mein vorheriges Leben sehr genossen.“ Obama habe dem Land „Schrecken“ hinterlassen, Trump führte aber nicht aus, was er damit meinte. Auf Twitter schob der Republikaner an Obama und Hillary Clinton gerichtet nach: „Wir sehen uns auf dem Schlachtfeld.“

Der 77-jährige Biden wurde am Dienstag vom Parteitag offiziell als Präsidentschaftskandidat nominiert. Seine Nominierungsrede wird er am Donnerstag zum Abschluss der viertägigen Parteiveranstaltung halten. In den Umfragen liegt er derzeit vor dem drei Jahre jüngeren Präsidenten. Die Demokraten müssen aber viele Wähler mobilisieren, wollen sie Trump aus dem Weißen Haus verdrängen, vor allem in den heiß umkämpften Schlüsselstaaten.