Kind in Spielzeugauto
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Sanktionen, CoV, Flut

Nordkorea gibt wirtschaftliches Versagen zu

Dem international isolierten Nordkorea setzen innere wie äußere Einflüsse schwer zu. Nun räumte die Führung ein, dass sich trotz hochtrabender Pläne weder Wirtschaft noch Lebensstandard im Land verbessert haben. Ein neuer Fünfjahresplan soll Nordkorea aus dem Zustand des Dauermangels herausführen.

Das Jahr 2020 sollte für Nordkorea ein Wendepunkt werden: Dann sollten sich die Pläne von Staatsführer Kim Jong Un erfüllt haben, aus Nordkorea ein „großartiges sozialistisches Land“ zu machen. Das sagte Kim im Jahr 2016, als er seine Visionen für Nordkoreas Zukunft vorstellte. Sein damaliger Fünfjahresplan war ambitioniert, doch nun musste Kim zugeben, dass der Plan gescheitert ist.

Das Zentralkomitee der nordkoreanischen Arbeiterpartei räumte Anfang August ein, dass sich die Wirtschaft angesichts „unerwarteter vielfacher Herausforderungen“ nicht verbessert habe. Auch das Ziel, den Lebensstandard der Menschen spürbar zu erhöhen, sei nicht erreicht worden, wie die Staatsmedien am Donnerstag berichteten. Kim kritisierte auch die „Errungenschaften und Mängel“ seiner eigenen Regierung.

Wirtschaft trotzt den Sanktionen nicht

Selbstkritik des Regimes ist selten in Nordkorea, wo die Kim-Dynastie weiterhin kultisch verehrt wird. Und das, obwohl die Bevölkerung immer wieder Hunger leidet. In den 1990er Jahren starben Hunderttausende Menschen an Unterernährung. Der Westen macht die Führung in Pjöngjang dafür verantwortlich, die viel Geld in das Atom- und Raketenprogramm des Landes steckt. 2019 drohte durch Ernteausfälle erneut eine schwere Hungersnot, sodass sogar Südkorea, der Gegner im anhaltenden Bruderkrieg, Millionenhilfe leistete. Die UNO schätzt, dass rund zehn Millionen Nordkoreaner – 40 Prozent der Bevölkerung – unter gravierender Lebensmittelknappheit leiden.

Supermarkt in Nordkorea
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Pressefotos werden nur im vollen Supermarkt geduldet. Die UNO spricht hingegen von Lebensmittelknappheit.

Als Kim 2011 die Macht übernahm, versprach er, die Nordkoreaner müssten fortan nie mehr „den Gürtel enger schnallen“, wie die „New York Times“ berichtete. Tatsächlich wuchs die Wirtschaft zunächst deutlich. Doch gleichzeitig wuchs das Atomwaffenprogramm und damit die internationalen Sanktionen. Sie wurden nach jedem Atomtest weiter verschärft. Als Kim voriges Jahr US-Präsident Donald Trump zu einem bilateralen Gipfel traf, war die Aufhebung eines großen Teils der Strafmaßnahmen seine wichtigste Forderung.

Das Treffen scheiterte ebenso wie Kim; die US-Seite verlangte umfangreichere Schritte zur atomaren Abrüstung, als Nordkorea zu unternehmen bereit war. Die Sanktionen sind die schwersten Hemmnisse für die wirtschaftliche Entwicklung. Sie treffen die gesamte Bevölkerung, besonders die nordkoreanischen Bauern, weil es an Maschinenteilen und Treibstoff fehlt.

Hunde werden angeblich beschlagnahmt

Durch Schmuggel und andere Wege, die Sanktionen zu umgehen, konnte das Land sich in den letzten drei Jahren über Wasser halten. Nordkorea exportierte praktisch alles, was nicht durch die Sanktionen verboten war: billige Uhren mit chinesischen Komponenten, künstliche Wimpern, Perücken, Schaufensterpuppen und Fußbälle, so die „New York Times“. Doch heuer kam noch die Coronavirus-Pandemie dazu. Nordkorea schloss die Grenze zu China, auf das sonst mehr als 90 Prozent des Außenhandels entfallen. Zu Neujahr musste Kim die Bevölkerung darauf vorbereiten, den Gürtel wieder enger zu schnallen.

Kim Jong-Un
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Kim hatte hochtrabende Pläne, musste aber nun ihr Scheitern eingestehen

In den vergangenen Wochen gab es auch noch schwere Flutschäden im Land. Der Monsumregen hatte Reisfelder auf einer Fläche von etwa 39.000 Hektar überschwemmt. Tausende Häuser wurden zerstört, auch die marode Infrastruktur gab vielerorts nach. Die Lage scheint zurzeit derart prekär, dass die Nordkoreaner angeblich sogar ihre Hunde opfern müssen. Mehrere südkoreanische Medien meldeten zuletzt, dass Kim anordnen ließ, die „bourgeoise Elite“ solle ihre Hunde abgeben. Unter dem Vorwand, die Haustiere seien Symbole westlicher Dekadenz, sollen sie dazu beitragen, die Lebensmittelknappheit zu mildern.

Die erzwungene Abgabe von Hunden wurde unter anderem von einer der ältesten Zeitungen Südkoreas, „Chosun Ilbo“, berichtet. Die Zeitung ist traditionell kritisch gegenüber dem Norden eingestellt. Ob und in welchem Umfang die Berichte zutreffen, ist unklar.

Neuer Kurs muss her

Sie zeigen jedoch, wie prekär die wirtschaftliche Abwärtsspirale ist – sie führte nun zum Eingeständnis, dass ein Kurswechsel nötig ist. Ein neuer Fünfjahresplan soll dieses Mal das Los des Landes in die richtigen Bahnen führen. Das Zentralkomitee beschloss am Mittwoch, den Plan bei einem neuen Parteikongress im nächsten Jänner vorzulegen. Auch soll dann eine neue Führungsriege des Zentralkomitees gewählt und „eine korrekte Linie des Kampfs und der strategischen und taktischen Politik“ dargelegt werden.

Zudem gab Kim laut dem südkoreanischen Geheimdienst einen Teil seiner Machtbefugnisse an seine Schwester Kim Yo Jon ab. Sie soll nun für die Politik gegenüber Südkorea und den USA verantwortlich sein. Durch die Übertragung von Befugnissen solle Kim Jong Un Arbeitsstress abgenommen und „die Schuld für den Fall des politischen Scheiterns“ von ihm abgewendet werden, hieß es.