Demonstration in Minsk
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Lukaschenko erhöht Druck

Justiz geht gegen Opposition vor

In Weißrussland macht die Regierung unter Präsident Alexander Lukaschenko Druck auf seine Gegner. Die Generalstaatsanwaltschaft soll Ermittlungen gegen den oppositionellen Koordinationsrat eingeleitet haben und argumentiert mit der nationalen Sicherheit, die Geheimdienste sollen Order erhalten haben, die Proteste zu beenden. Reformzusagen sind bisher vage Versprechungen.

Lukaschenko reagierte laut Aussagen der Opposition vom Donnerstag bisher nicht auf ein Dialogangebot, stattdessen ermittelt die Justiz. Der Koordinationsrat der Gegner des seit 1994 regierenden Präsidenten wolle der nationalen Sicherheit schaden und verfolge das Ziel, die Macht im Land zu übernehmen, so die Generalstaatsanwaltschaft in Minsk laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur RIA zur Begründung für den Schritt.

Lukaschenko hatte bereits am Mittwoch das Innenministerium angewiesen, die Proteste gegen ihn zu beenden. Die Geheimdienste sollen weiter nach Organisatorinnen und Organisatoren der jüngsten Massenproteste gegen seine umstrittene Wiederwahl suchen, hatte die weißrussische Nachrichtenagentur BelTA am Mittwoch berichtet. Außerdem sei eine Verstärkung des Grenzschutzes angeordnet worden, um ein Einsickern von „Kämpfern und Waffen“ zu verhindern, hieß es. Lukaschenko habe weiters erklärt, dass die in den Streik getretenen Staatsbediensteten nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehren dürften.

Diffuse Zusagen

Der autoritär regierende Präsident hatte nach seiner Wiederwahl – die Opposition spricht von Wahlbetrug – vage angekündigt, einer Änderung der Verfassung zuzustimmen, Neuwahlen lehnte er aber ab, überhaupt werde er nicht „auf Druck“ reagieren, hatte der 65-Jährige nach Beginn der Massenproteste und einem Aufruf zum Generalstreik betont.

Demonstration in Minsk
APA/AFP/Sergei Gapon
Täglich Proteste gegen den autoritär regierenden Lukaschenko

Auch Außenminister Wladimir Makej sprach von „Veränderungen“ – aber mit Bedingungen. Angesichts der Massenproteste seit der Wahl vor knapp zwei Wochen sah er Reformbedarf. „Veränderungen sind notwendig, niemand bestreitet das“, sagte er am Donnerstag in Minsk seinem Ministerium zufolge vor Diplomaten, „aber nicht auf Kosten der Konfrontationen zwischen Bürgern und Revolutionen.“

„In einem solchen Fall wird es mehr Opfer und negative Folgen geben.“ Welche Veränderungen er konkret meinte, sagte Makej nicht. Nach Ansicht des Ministers wurde sein Land in seiner Entwicklung wegen der Proteste gegen Staatschef Lukaschenko „schon jetzt um viele Jahre zurückgeworfen“, sagte er, ohne auch in diesem Fall konkreter zu werden. „Unser Volk, unser Land hat das nicht verdient.“

Keine Antworten

Seit der von schweren Fälschungen überschatteten Präsidentenwahl gehen in Weißrussland täglich Tausende Menschen auf die Straße, sie fordern den Rücktritt des Langzeitpräsidenten und Neuwahlen. Lukaschenko, der sich bei der Wahl mit 80 Prozent der Stimmen zum Sieger hatte erklären lassen, machte „das Ausland“ für die Unruhen im Land verantwortlich.

Weißrussicher Präsident Alexander Lukaschenko
AP/BelTA Pool Photo/Andrei Stasevich
Lukaschenko will nicht „auf Druck“ reagieren

Die Opposition, deren bekanntestes Gesicht in Europa aktuell Lukaschenkos Herausforderin Swetlana Tichanowskaja ist, wartet nach eigenen Worten vom Donnerstag nach wie vor auf eine Antwort des Präsidenten auf ein Angebot zum direkten Gespräch. Es habe bereits erste Versuche gegeben, direkten Kontakt aufzubauen, sagte der frühere Kulturminister Pawel Latuschko, der sich dem Koordinierungsrat der Opposition angeschlossen hat. Bisher habe man aber keine Antwort erhalten. Die Demokratiebewegung strebe aber weiter den Dialog an. Gleichzeitig kündigten Lukaschenkos Gegner eine weitere Massendemonstration für Sonntagnachmittag auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz in der Hauptstadt Minsk an.

Brüssel und Moskau betonen Selbstbestimmung

Angesichts der politischen Krise betonten sowohl die EU als auch Russland das Recht auf Selbstbestimmung der Weißrussen. Die 27 EU-Staaten hätten bei ihrem Sondergipfel am Vortag ihre Solidarität mit dem Wunsch der Weißrussen zum Ausdruck gebracht, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden, schrieb EU-Ratschef Charles Michel am Donnerstag auf Twitter. Das habe er in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bekräftigt. Eine Lösung gebe es nur durch einen politischen, inklusiven Dialog und einen friedlichen, demokratischen Prozess.

Der Kreml wiederum warnte das Ausland am Donnerstag vor einer Einmischung in einen solchen Dialog. „Wenn das Ausland – einschließlich Russland – einen Dialog mit der Opposition aufnimmt, ist das schon eine Einmischung in innere Angelegenheiten“, sagte Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge.

EU erkennt Ergebnis nicht an und beschließt Sanktionen

Die EU hatte beim virtuellen Sondergipfel beschlossen, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen, und weitere Sanktionen angekündigt. Diese sollen jene Personen treffen, die für den Betrug bei der Präsidentschaftswahl und das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Protestierende verantwortlich sind.

Außerdem kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen finanzielle Unterstützung für die Anhänger der neuen Demokratiebewegung an. Die EU-Kommission werde zwei Mio. Euro für die Opfer von Repression und nicht hinnehmbarer Staatsgewalt bereitstellen, sagte von der Leyen nach dem EU-Sondergipfel. Außerdem solle es eine weitere Mio. Euro zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und unabhängiger Medien geben.

Militärpräsenz an Grenzen verstärkt

Gleichzeitig gab es zuletzt erneut Berichte, wonach das weißrussische Verteidigungsministerium eine Verstärkung der Militärpräsenz an den Grenzen zu Litauen und Polen angeordnet habe. Geplant sei die Verlegung einer Lenkwaffeneinheit, von Flugabwehr und Drohnen in die Region, meldete die russische Nachrichtenagentur TASS. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki wies Vorwürfe Lukaschenkos zurück, Warschau mische sich in die Angelegenheiten des Nachbarlands ein.