AMS-Filiale
ORF.at/Christian Öser
Umstrittenes Profiling

Datenschutzbehörde kippt AMS-Algorithmus

Das Arbeitsmarktservice (AMS) darf den umstrittenen Algorithmus zur Ermittlung von Arbeitsmarktchancen von Arbeitslosen nicht wie geplant am 1. Jänner 2021 flächendeckend einführen. Das geht aus einer Entscheidung der Datenschutzbehörde (DSB) hervor, wie der „Kurier“ am Donnerstag berichtete.

Die Entscheidung der DSB, die im Rahmen einer amtswegigen Prüfung fiel, könne auch durch eine allfällige Beschwerde gegen den Bescheid nicht aufgeschoben werden, hieß es im „Kurier“. Es würden die gesetzlichen Grundlagen für das Projekt fehlen, hieß es.

Gegenüber dem „Kurier“ hieß es vom AMS, dass der Bescheid nun geprüft und allenfalls Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werde. Sollte sich herausstellen, dass das Assistenzsystem in der jetzigen Form ab Jänner nicht eingesetzt werden könne, sei der Gesetzgeber gefordert, eventuell Änderungen vorzunehmen.

Kritik an Algorithmus

Die Einführung einer computergestützten Einordnung der Berufsaussichten von Arbeitslosen hatte bereits bei deren Ankündigung für Kritik gesorgt. Ursprünglich war der Start für Mitte 2020 anvisiert, aufgrund der Pandemie wurde er schließlich auf Anfang 2021 verschoben.

Arbeitssuchender wartet im AMS
ORF.at/Birgit Hajek
Der Algorithmus sollte Arbeitslose automatisiert einstufen

Das AMS wollte mit der Einteilung von arbeitslosen Menschen in drei Kategorien mit hohen, mittleren und niedrigen Arbeitsmarktchancen via Algorithmus die Vergabe von Fördermaßnahmen effizienter machen. Am meisten Förderung sollen künftig Arbeitslose mit mittleren Arbeitsmarktchancen bekommen. Der Berater trifft aber weiterhin die Letztentscheidung über die Arbeitslosenförderung, etwa ob jemand eine teure Facharbeiterausbildung bekommt oder nicht, wurde vom AMS im Frühjahr betont.

DSB sieht in Algorithmus Profiling

Laut „Standard“ sieht die DSB mehrere Probleme. So werden mit dem Algorithmus personenbezogene Informationen ausgewertet, die zur entsprechenden Einstufung führen. Die Zeitung führte unter anderem „Alter, Geschlecht, Wohnort, bisherige Karriere, Ausbildung, Staatsbürgerschaft“ als Kriterien an. Für die DSB ist das der Entscheidung nach „Profiling“ – und für diese, so „Kurier“ und „Standard“ brauche es eine gesetzliche Regelung.

Und auch die Regelung zur Letztentscheidung wurde von der DSB kritisiert. Zwar sei laut „internen Regelungen“ des AMS festgelegt, dass die letzte Entscheidung ein Mensch übernimmt, so der „Standard“. Doch Betroffene können sich laut DSB „nicht rechtswirksam auf diesen Umstand berufen“. Auch eine Kontrolle der getroffenen Entscheidung ist nicht vorgesehen.

Hinzu komme, dass die Bewertungen des Algorithmus einfach direkt übernommen werden. Das sei laut „Standard“ wohl vor allem in Regionen ein Problem, in denen eine Beratung nur sehr wenig Zeit in Anspruch nimmt. Die DSB fordert für solche Fälle einen besonderen Schutz für die Antragssteller.

Politik über Algorithmus gespalten

Die nun geforderte gesetzliche Nachschärfung könnte sich schwierig gestalten. Denn in der Politik gibt es scharfe Kritik: Erst am Donnerstag forderte die SPÖ etwa eine Aufstockung des AMS-Personals, denn ein Algorithmus allein könne die Probleme der Betroffenen in der Coronavirus-Krise nicht lösen. Nicht zuletzt in der Regierung ist der AMS-Algorithmus wohl nicht unumstritten: Die ÖVP unterstützt das Vorhaben – von den Grünen gab es in der Vergangenheit Kritik.

Bei den Sozialpartnern gibt es Widerstand von den Arbeitnehmervertretern – so gab die Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich am Donnerstag bekannt, einem Antrag zur Ablehnung des Algorithmus zugestimmt zu haben. Die Arbeitgeberseite ist tendenziell eher Befürworter des Algorithmus.

Datenschutzaktivisten mit scharfer Kritik

Scharfe Kritik kam schon im Vorfeld der DSB-Entscheidung von Datenschützern. Im Frühsommer startete epicenter.works eine Petition gegen den Einsatz des Algorithmus. Es sei problematisch, dass ein intransparent arbeitender Algorithmus über persönliche Schicksale entscheide, hieß es damals von der Organisation. Ein Algorithmus könne Doppeldeutigkeiten nicht miteinbeziehen. Die vereinfachte Kategorisierung berge ein sehr hohes Risiko der Diskriminierung.

Auch andere Länder setzen auf einen derartigen Algorithmus. In Polen, Schweden und Australien hätte es aber Probleme gegeben, so Ben Wagner vom Computing Lab der Wirtschaftsuni Wien damals. „Gerade in diesem Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Versicherung müsste eine besondere Sorgfaltspflicht gelten. Es geht auch anders, man kann das sowohl technisch als auch organisatorisch anders lösen.“