Synagoge in Graz
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Jüdische Gemeinde Graz

Angriff auf IKG-Präsidenten vor Synagoge

Der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, ist Samstagabend vor dem jüdischen Gemeindehaus von einem Unbekannten mit einem Holzprügel attackiert worden. Das bestätigte der Sprecher des Landespolizeikommandos Steiermark, Fritz Grundnig.

Rosen wollte laut der Sprecherin der jüdischen Gemeinde, Brigitte Wimmer, mit seinem Auto auf das Grundstück des jüdischen Gemeindehauses einfahren, als er angegriffen wurde. Der Präsident und eine Begleitung seien beim Versuch, auf das Synagogenareal einzufahren, auf einen Mann mit Baseballkappe und Rad aufmerksam geworden, der offensichtlich einen Stein mit sich führte.

Dieser sei von Statur und Aussehen jener Person, die im Zuge der Vandalenakte auf die Grazer Synagoge von Mittwoch und Freitag dieser Woche auf den Überwachungskameras zu erkennen gewesen war, sehr ähnlich gewesen.

Die Außenmauer der jüdischen Synagoge in Graz  mit propalästinensischen Parolen
APA/Ingrid Kornberger
Eine der jüngsten Schmierereien auf den Resten der 1938 zerstörten Synagoge

Konnte sich gerade noch in Auto retten

Als Rosen sein Auto verlassen habe, sei er von dem Unbekannten mit einem Holzprügel, offenbar ein Baseballschläger, angegriffen worden. Der Präsident habe sich in letzter Sekunde zurück ins Auto flüchten können. Danach habe der Angreifer noch mit dem Baseballschläger auf das Fahrzeug eingeschlagen, bevor er die Flucht ergriffen habe, erklärte Wimmer.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte den Angriff auf Rosen und die vorangegangenen Vandalenakte „aufs Schärfste“. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich „erschüttert“. Der grüne Vizekanzler Werner Kogler betonte, wer jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger angreife, attackiere „unsere Grundwerte“. Alle betonten, für Antisemitismus dürfe es keinen Platz in der österreichischen Gesellschaft geben.

Von den Oppositionsparteien im Nationalrat wurde der Angriff ebenso scharf verurteilt. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zeigte sich „tief schockiert“. Sie forderte, der Kampf gegen Antisemitismus dürfe kein Lippenbekenntnis sein.

NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter sagte: „Niemals wieder!“ Auch die FPÖ Steiermark verurteilte die Tat, nicht ohne auf die angebliche Dunkelhäutigkeit des Täters hinzuweisen. Bestürzt zeigte sich auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Kardinal Christoph Schönborn zeigte sich erschrocken. Seine Gedanken seien bei Rosen. Der evangelische Bischof Michael Chalupka verurteilte den Angriff als „schändlich“.

„Lassen uns nicht einschüchtern“

Der Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich (IRG), Oskar Deutsch, betonte, dass sich die Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich nicht einschüchtern ließen. Nach einer Telefonkonferenz mit Vertretern aller vier Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich versicherte Deutsch am Samstagabend in einer Aussendung: „Ein Angriff auf ein Mitglied unserer Gemeinden ist ein Angriff auf ganz Österreich.“

Deutsch begrüßte die zahlreichen Solidaritätsbekundungen aus allen Teilen des Landes. Allerdings brauche es nun endlich mehr als nur Worte. Dabei sei nicht nur die Politik, sondern jeder Mensch in Österreich gefragt. Deutsch: „Die beste Antwort auf Antisemitismus ist das Zelebrieren jüdischen Lebens und jüdischer Kultur. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Nie wieder!“

Zuvor zwei Angriffe auf Synagoge

Wie berichtet hatte ein Unbekannter Freitagnacht Betonklumpen gegen die Fenster der Grazer Synagoge geworfen, wobei fünf Fenster beschädigt wurden. Damit ist die Synagoge zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage zum Angriffsziel geworden.

Die Synagoge in Graz wurde in der Pogromnacht vom 9. auf 10. November 1938 in Schutt und Asche gelegt. Im November 2000 wurde das wiedererrichtete jüdische Gebetshaus auf den übrig gebliebenen Mauern wiedereröffnet.

„Hinterhältiger Anschlag“

Gegen 23.25 Uhr hatte der Unbekannte die Betonstücke auf die Synagoge geworfen: Vier Fensterscheiben wurden leicht beschädigt, eine Scheibe ging zu Bruch. Die steirische Landespolitik verurteilte den Angriff. Landeshauptmannt Hermann Schützenhöfer (ÖVP) nannte diese „menschenverachtend und zutiefst verwerflich“. Sein Parteikollege, der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, sprach von einem „hinterhältigen Anschlag“. Für Judenhass und Antisemitismus dürfe es „keinen Platz in unserer Gesellschaft geben“, so Nagl.

Erst in der Nacht auf Mittwoch war die Außenmauer der Synagoge mit propalästinensischen Parolen beschmiert worden. Auch das Gemeindehaus war zum Ziel geworden.

Verstärkte Bewachung angeordnet

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) erklärte in einer ersten Reaktion, er habe eine verstärkte Überwachung aller jüdischen Einrichtungen in Österreich angeordnet. Auch das Einsatzkommando Cobra werde zur Unterstützung herangezogen werden. Nehammer: „Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Wer jüdische Mitbürger angreift, greift die Grundpfeiler unseres demokratischen Zusammenlebens an.“

Der Innenminister kündigte an, er werde am Montag Rosen und den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, Deutsch, sowie weitere Vertreter der Israelitische Gemeinde zu einem Gespräch einladen. Dabei solle die aktuelle Lage besprochen werden.

Rosen sieht „linksextremen Antisemitismus“

Gegenüber der amerikanisch-jüdischen Zeitung „The Algemeiner“ hatte Rosen noch vor dem tätlichen Angriff auf ihn selbst zu den Vandalenakten Stellung genommen. Dabei betonte er, dass es sich dabei nicht um „völkischen“ Antisemitismus handle, sondern vielmehr um einen „linksextremen Antisemitismus“, der gegen Israel gerichtet sei. Die Vandalenakte der letzten Tage seien auch keine Einzelfälle, es gebe viel mehr Belege für einen „klaren Trend“. Es habe zuvor heuer bereits eine Attacke auf ein junges IKG-Mitglied gegeben. „Das ist besorgniserregend“, so Rosen in dem Interview.