Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen
APA/Erwin Scheriau
IKG-Präsident nach Angriff

„Niemand darf sich allzu sicher sein“

Am Tag nach dem tätlichen Angriff auf ihn vor der Synagoge in Graz sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Elie Rosen, nun seien klare Signale der Unterstützung wichtig für die kleine Grazer jüdische Gemeinde. Und er nahm die Attacke auf ihn als Anlass, zu warnen. „Niemand darf sich allzu sicher sein“. Die Polizei fahndet unterdessen intensiv nach dem mutmaßlichen Täter, dem weitere Vergehen zur Last gelegt werden.

Rosen sagte am Sonntag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (beide ÖVP), LH-Stv. Anton Lang (SPÖ) und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ), dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sehr betroffen seien: „Wir sind eine sehr kleine Gemeinde, die sehr solidarisch ist, und sie hofft, dass sie von Stadt und Land unterstützt wird und dass politische Signale kommen werden – und sie kommen.“

Den Mitgliedern sei es „wichtig, das Gefühl zu bekommen, wahrgenommen zu werden und auch gewollt zu sein“. Der Präsident der jüdischen Gemeinde sagte weiter: „Extremismen machen nicht halt: Wir haben es mit Antisemitismus und Homophobie zu tun. Das soll uns wachrütteln, dass so etwas schnell überschwappen kann und übergreift. Niemand darf sich allzu sicher sein. Umso mehr müssen wir gegen jede Art von Hass vorgehen. Wir, die jüdische Gemeinde, sind da auch nicht blind und sehen es nicht nur auf uns bezogen: Der Dominoeffekt ist recht rasch greifbar.“

Rosen war Samstagabend vor dem Gemeindehaus von einem Unbekannten mit einem Holzprügel, offenbar ein Baseballschläger, attackiert worden. Rosen konnte sich gerade noch in sein Auto retten und blieb bei dem Angriff unverletzt, der Täter flüchtete.

Rosen: „Dabei, das zu verarbeiten“

Zum Angriff selbst meinte Rosen, er sei dabei, das Geschehene zu verarbeiten. „Es ist nicht nur die physische Attacke gegen mich, sondern die Attacken gegen die jüdische Gemeinde per se. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen und ich auch nicht. Wir schauen positiv in die Zukunft.“

„Antisemitismus darf es nicht geben“

Landeshauptmann Schützenhöfer zeigte sich beim Pressegespräch in der Grazer Burg betroffen: „Was sich in den letzten Tagen in Graz abgespielt hat, ist menschenverachtend und zutiefst verwerflich. Antisemitismus ist nicht links, ist nicht rechts, ist nicht muslimisch, er ist überall. Und es ist mir persönlich völlig egal, woher er kommt: Antisemitismus darf es nicht geben.“

Seit dem Zweiten Weltkrieg sei die jüdische Gemeinde in Graz nicht mehr derart angegriffen worden. Daher gebe es nun den „Schulterschluss“ zwischen Stadt und Land über Parteigrenzen hinweg, erklärte Schützenhöfer mit Blick auf Bürgermeister Nagl, LH-Stv. Lang und Vizebürgermeister Eustacchio, die alle beim Pressegespräch ebenfalls ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zum Ausdruck brachten.

Für Montagvormittag ist nun im Innenministerium ein Gespräch zwischen Innenminister Karl Nehammer, Europaministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP), Rosen und dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, angesetzt.

Kritik an Vorgehen der Behörden

Die Konferenz der Europäischen Rabbiner hatte zuvor das Vorgehen der Behörden kritisiert. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt kritisierte laut Nachrichtenagentur dpa, dass diese mit Blick auf frühere Ereignisse nicht unverzüglich für Sicherheit gesorgt hätten.

„Einmal mehr sei eine rote Linie überschritten worden“, sagte Goldschmidt in einer Aussendung. „Im Europa des 21. Jahrhunderts ist das leider traurige Realität geworden, indem sich der Hass auf Juden und auch auf Israel verbal, physisch sowie digital seinen Weg bahnt.“

„Antisemitisch und homophob“

Die Polizei hat unterdessen eine eigene Ermittlungsgruppe, benannt nach dem hebräischen Wort für Brüderlichkeit, „Achava“, eingerichtet. Sie soll den Verdächtigen, nach dem nun mit einem Fahndungsfoto gesucht wird, schnappen, hieß es am Sonntag bei einem Pressegespräch in Graz.

Fahndungsfotos
APA/LPD Steiermark
Die Polizei sucht nach der Attacke auf Rosen nach diesem Mann

Landespolizeidirektor Gerald Ortner sagte, dass der Täter offenbar in der Nacht auf Mittwoch zum ersten Mal bei der Synagoge zugeschlagen haben dürfte. Im Laufe der Woche kam es dann noch zu weiteren Delikten, die dem Verdächtigen zuzuschreiben sind: So wurden etwa auch die Schaufenster des Vereinslokals der Rosalila PantherInnen, einer schwul-lesbischen Interessenvertretung, eingeschlagen.

Die Personenbeschreibung der Zeugen passt zu jener von der Synagoge, sagte Rupert Meixner, Chef des Landesamts Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). Er erklärte: „Es handelt sich nicht nur um einen antisemitischen, sondern auch um einen homophoben Täter.“

Verstärkte Bewachung

Während die Ermittlungsgruppe nach dem Verdächtigen sucht, es dürfte sich nach derzeitigen Erhebungsstand um einen Einzeltäter handeln, werden die Synagoge sowie auch Präsident Rosen beschützt. Auch das Vereinslokal der Rosalila PantherInnen werde bewacht. Die Streifenaktivität in der Innenstadt wurde verstärkt.

Ortner stellte auch klar, dass bei einer Mahnwache von Grazerinnen und Grazern in der Nacht auf Sonntag vor der Synagoge sehr wohl die Polizei präsent war – allerdings vielfach in Zivilkleidung.

Meixner: Noch keine Spur zu Täter

Insgesamt werden dem Täter bisher sieben Delikte zugeschrieben: Sachbeschädigungen durch Steinwürfe oder Schmieraktionen, in einem Fall soll er es auch auf ein Etablissement im Rotlichtmilieu abgesehen haben. Eine Spur oder ein konkreter Hinweis, der zu dem Mann führen könnte, lag Sonntagmittag vorerst nicht vor, sagte Meixner. Die Schriftzüge seien definitiv propalästinensische Parolen.