Weber: Kreml-Verwicklung in Fall Nawalny „naheliegend“

EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hält es für „naheliegend“, dass der russische Staat etwas mit der plötzlichen Erkrankung des im Koma liegenden Kreml-Kritikers Alexej Nawalny zu tun hat. Im Politik-Talk „Die richtigen Fragen“ auf Bild live sagte Weber gestern Abend, er glaube, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in der derzeitigen Situation „zu vielem fähig“ sei. „Dazu gehört auch das Töten von Menschen.“

Zu den Hintergründen sagte der CSU-Politiker, Putin stehe derzeit stark unter Druck. Er verwies auf die in wenigen Wochen in Russland anstehenden Regionalwahlen. Die Zustimmungswerte für den Präsidenten und seine Partei seien schlecht. Hinzu komme, dass Russlands Wirtschaft seit 2014 stagniere. „Das ist alles etwas, das das System Putin massiv unter Druck setzt“, sagte Weber dem Format der Boulevardzeitung.

Nawalnys Ärzte in Omsk: Kein Druck ausgeübt

Nach dem Transport von Nawalny nach Berlin wiesen die Ärzte in Sibirien Vorwürfe seines Teams zurück, sie seien unter Kontrolle der Behörden gestanden. „Wir haben den Patienten versorgt und wir haben ihn gerettet. Es gab keinen Einfluss von außen auf die Behandlung des Patienten“, sagte der Chefarzt der Klinik in Omsk, Alexander Murachowski, heute.

Nawalny ist einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Er liegt seit Donnerstag im Koma. Nawalnys engster Kreis geht davon aus, dass der 44-Jährige vergiftet wurde. Auch die deutsche Regierung hält es für gut möglich, dass auf den russischen Oppositionspolitiker ein Giftanschlag verübt wurde. Seit dem Wochenende wird er in der Berliner Charite behandelt.

Nach den Worten russischer Ärzte wurde er allerdings nicht vergiftet: „Wenn wir eine Art Gift gefunden hätten, das sich irgendwie bestätigt hätte, wäre es für uns viel einfacher gewesen. Es wäre eine klare Diagnose, ein klarer Zustand und eine bekannte Behandlungsweise gewesen“, sagte Anatoli Kalinitschenko, ein leitender Arzt des Krankenhauses.

„Typische Desinformation“

Die Ärzte in Omsk hatten aus ihrer Sicht „nichts zu sagen“, sagte Nawalnys Vertraute Ljubow Sobol dem „Spiegel“. „Im Büro des Chefarztes saßen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden“. Sie hätten mit unterschiedlichen Methoden „lange auf Zeit gespielt, bis das Gift wohl nicht mehr in Nawalnys Körper nachweisbar war. Dann erst konnte er ausgeflogen werden nach Berlin.“

In den russischen Staatsmedien wurden unterschiedliche Versionen verbreitet, warum Nawalny seit Tagen im Koma liegt – von Alkoholkonsum, einer Diät bis Unterzuckerung. Das sei eine vom Kreml koordinierte „typische Desinformation“, sagte die Juristin Sobol.

„Das war ein Mordanschlag auf Nawalny, der einzig einem nützt – dem Kreml.“ Nawalny habe bis zu dem Vorfall nie gesundheitliche Probleme gehabt und sei sehr fit gewesen. „Er war nie richtig krank, höchstens einmal erkältet. Wir haben einmal gescherzt, dass er wie ein Roboter sei.“