Besucher der Innenstadt am Graben in Wien
APA/Georg Hochmuth
Rückblick

Sechs Monate Coronavirus-Krise in Österreich

Bereits im Jänner hat eine „neuartige Lungenkrankheit“ in China für abgeriegelte Millionenstädte und beunruhigende Nachrichten gesorgt. Das verantwortliche Coronavirus verbreitete sich in den kommenden Wochen rasant über den Globus – und sollte auch Österreich erreichen. Hierzulande wurde vor genau sechs Monaten, am 25. Februar, in Innsbruck der erste Coronavirus-Fall offiziell verzeichnet. Seither ist alles anders, und bis zu einer Rückkehr zum gewohnten Leben wird es noch dauern.

Trotzdem gab sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) angesichts der bisher sechs Monate währenden Pandemie optimistisch: „Österreich ist im ersten halben Jahr der weltweit schwersten Pandemie mit mittlerweile 800.000 Todesfällen vergleichsweise sehr gut durch die Krise gekommen“, so Anschober in einem bilanzierenden Statement gegenüber der APA.

Aktuell (Stand: Dienstag, 9.00 Uhr) gibt es in Österreich laut den Zahlen des Gesundheitsministeriums insgesamt 25.604 verzeichnete Fälle, 3.105 aktive Infektionen (112 im Spital, 23 davon in Intensivbehandlung) und 725 Tote gemäß Epidemiologischem Meldesystem (EMS). Mehr als 1,1 Millionen Tests wurden durchgeführt.

Lockdown als absoluter Ausnahmezustand

Seit dem Ausbruch bestimmt die Pandemie das Leben auch in Österreich: Ihre Auswirkungen wurden spätestens mit dem Ausruf des Lockdowns für jeden und jede spürbar. Zu diesem Zeitpunkt ließen insbesondere die schlechte Lage in Italien und die radikalen Maßnahmen in China die Alarmglocken schrillen. Eine Häufung von Fallzahlen in Tiroler Tourismusorten wie Ischlgl weckte schlimme Befürchtung. Aufgrund des geringen Kenntnisstandes über das Virus, die rasche Verbreitung und die Angst vor einer Überlastung des Gesundheitssystems zeichneten sich harte Maßnahmen ab.

Notfallbetten in der Messe Wien
APA/Georg Hochmuth
Das Wiener Messezentrum wurde rasch zu einem Notlazarett umgebaut – letztlich aber kaum genutzt

Während weltweit immer striktere Maßnahmen verhängt wurden, trat auch in Österreich am 16. März mit dem Lockdown die absolute Ausnahmesituation in Kraft. Dieser sorgte für weitgehende Ausgangsbeschränkungen und die Schließung großer Bereiche der Gastronomie und des Handels. Hamsterkäufe waren die Folge. Das Leben kam in zahlreichen Bereichen weitgehend zum Erliegen – viele Menschen wurden in Kurzarbeit oder ins Homeoffice geschickt, Freunde und Familien mussten sich vielerorts räumlich trennen, Veranstaltungen und Reisen wurden abgesagt.

Gravierende wirtschaftliche Folgen

Viele Menschen sollte das Erliegen der Wirtschaft den Arbeitsplatz kosten. Im August waren 421.697 Personen beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet, davon sind 372.937 Personen arbeitslos und 48.760 in Schulung. Über 455.000 Menschen waren noch in Kurzarbeit. Milliardenschwere Konjunkturpakete wurden geschnürt. Unbürokratische Unterstützung wurde versprochen, diese kam aber nicht überall an. Die Opposition übt nach wie vor Kritik an der Strukturierung der Hilfe und mangelnder Transparenz. Die wirtschaftlichen Folgen werden Österreich noch lange begleiten.

Karl Nehammer, Werner Kogler, Sebastian Kurz und Rudolf Anschober
APA/Helmuth Fohringer
Nahezu tägliche Pressekonferenzen der Regierung begleiteten vor allem die „heiße Phase“ des Lockdowns

Zum einschneidenden Moment für viele Familien wurde die Schließung von Schulen und Kindergärten, auch die Universitäten verlegten den Betrieb mit durchwachsenem Erfolg ins Netz. Insbesondere im Familienleben wurden die psychischen Folgen der Krise immer evidenter. Zahlreiche Menschen kämpften oder kämpfen bis heute mit sozialer Isolation und Einsamkeit. Noch weiter gestiegen ist die Bedeutung der digitalen Kommunikation – mit allen positiven und negativen Nebeneffekten. Beruflich rückten vor allem Menschen in „systemerhaltenden Berufen“ – etwa der Pflege, im Gesundheits- und sozialen Bereich und auch im Handel – in den Fokus. Auf echte Wertschätzung warten sie nach wie vor.

Leere Regale in einem Supermarkt
APA/PRIVAT
Hamsterkäufe sorgen kurzfristig für leere Supermarktregale, nachhaltig in Erinnerung bleiben wird wohl der Klopapiermangel

Gerade in dieser Hinsicht sorgte die Kommunikation der Regierung im Nachhinein für herbe Kritik. Diese habe besonders bei den Ausgangsbeschränkungen suggeriert, dass viel weniger erlaubt sei, als de facto der Fall war – Stichwort Ausgangsverbot. Ohnehin sorgte der Umgang mit der Gesetzgebung, etwa die hastige und fehlerbehaftete Produktion von Verordnungen, vielfach für Ungemach. Das gipfelte letztlich darin, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) Ende Juli mehrere Verordnungen zum Ausgangsverbot sowie den partiellen Geschäftsöffnungen für verfassungswidrig erklärte.

Auch die Belastung der Demokratie durch die einschneidenden Maßnahmen wurden im Verlauf der Epidemie zunehmend diskutiert. Anhaltendes Diskussionsthema bleibt auch die Kompetenzverteilung und Kommunikation zwischen Bund, Ländern und kleineren Einheiten, wie sich zuletzt im Fall des enormen Staus an der Kärntner Grenze zeigte.

Etablierung der Maske

Mit der „Phase eins“ wurde auch das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes (MNS) in Supermärkten und Drogerien eingeführt. Mittlerweile ist die Maske wohl für die meisten Menschen auch darüber hinaus Teil des Alltags, doch gerade anfänglich bedurfte das Tragen des Schutzes der Eingewöhnung. Dazu kam eine anfängliche Kontroverse über die Sinnhaftigkeit der Masken – die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sprach sich erst relativ spät für Masken aus –, vor allem aber Beschaffungsprobleme: Gerade zu Beginn der Pandemie kam es weltweit zu Engpässen bei medizinischen Produkten, die dann teils zu horrenden Preisen auf dem Weltmarkt gehandelt wurden.

Erste Lockerungen aufgrund sich positiv entwickelnder Fallzahlen und der ausbleibenden Überlastung der Spitäler gab es erst wieder Mitte April. Diese Bewegung von Ausnahmezustand hin zur von Regierungen weltweit ausgerufenen „neuen Normalität“ leitete die „Phase zwei“ mit zehn kontrollierten Öffnungsschritten ein. Diese ließen das öffentliche Leben wieder anlaufen. Schritt für Schritt öffneten Handel, Lokale, Kultur- und Sporteinrichtungen wieder, auch die öffentlichen Verkehrsmittel, Büros und Produktionsstätten füllten sich wieder.

Kontrollen an der Grenze zwischen Slowenien und Österreich
APA/Gerd Eggenberger
Das Reisegeschehen ist wieder angelaufen, doch die Grenzkontrollen bleiben

Das ging bis hin zur Wiederaufnahme des Flugverkehrs Mitte Juni. Die täglichen Infektionszahlen steigen seither wenig überraschend wieder. Ende Juli wurde die Maskenpflicht daher wieder verschärft, aktuell gilt etwa Maskenpflicht im Supermarkt und in „Öffis“. Die Zahl der aktiv Infizierten wuchs aber weiter auf gegenwärtig über 3.000 Fälle – so viele wie zuletzt im April, dem Monat, in dem die Coronavirus-Pandemie in Österreich ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte.

Steigende Fallzahlen, Sorge vor Herbst

In dieser „Phase drei“ peilte die Regierung eine Stabilisierung während der Sommermonate trotz Öffnung, Grenzöffnungen und eines eingeschränkten Comebacks des Tourismus an. Vor allem Letzteres sorgte mit dem Entstehen von Clustern (etwa in St. Wolfgang) und der recht spontanen Verhängung von Reisewarnungen zuletzt für Aufregung. Ein Steigen der Fallzahlen sei aber erwartbar gewesen, betonte das Gesundheitsministerium stets. Es gehe jetzt um die Vorbereitung auf „einen sehr schwierigen Herbst“, so Anschober. Der Blick auf die kommenden Monate weckt Sorge, weil der Anstieg von Erkältungskrankheiten, die Wiederöffnung von Schulen und der Anstieg der Aufenthaltsdauer neue Faktoren der Unsicherheit bieten.

„Ich bin jedoch optimistisch, dass wir die nächsten Monate ohne zweite Welle schaffen, falls nach einem kleinen Durchhänger kleiner Bevölkerungsteile in den vergangenen Wochen wir nun alle wieder so engagiert wie im Frühling mitmachen und uns und die anderen gut schützen – durch Hygienemaßnahmen, Mindestabstand und MNS“, so Anschober unter Verweis auf die Mitverantwortung der Bevölkerung zum Gelingen dieses Plans hin. Ab September soll die Coronavirus-Ampel dabei helfen, das Infektionsgeschehen zu beurteilen und zu überwachen. Abseits davon wird weiter an einer Impfung gearbeitet. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen werden Österreich und die Welt aber auch nach deren Etablierung beschäftigen.