Die brasilianische Parlamentsabgeordnete Flordelis dos Santos de Souza
APA/AFP/Michel Jesus
Auftrag zu Mord an Ehemann?

Prominente Evangelikale in Rio angeklagt

Eine brasilianische Parlamentsabgeordnete und evangelikale Pastorin soll einige ihrer mehr als 50 adoptierten Kinder zum Mord an ihrem Ehemann angestiftet haben. Die Staatsanwaltschaft in Rio de Janeiro erhob am Montag deshalb Anklage gegen Flordelis dos Santos. Der Tat waren laut den Angaben ein Familienstreit über Macht und Geld sowie zahlreiche Mordversuche vorausgegangen.

Dos Santos und ihr vergangenes Jahr durch rund 30 Kugeln getöteter Mann, der Pastor Anderson do Carmo, waren zentrale Figuren in Brasiliens mächtiger evangelikaler Bewegung. Neben ihren vier leiblichen Kindern adoptierten sie 50 Straßenkinder aus den Favelas – den Armenvierteln – von Rio.

Wie die Ermittler nun erklärten, soll es dos Santos um die Kontrolle der Finanzen des Paares gegangen sein. Ihr Ehemann habe sie daran gehindert, ihren Lieblingskindern eine „bevorzugte Behandlung“ zukommen zu lassen.

Mindestens sechs Vergiftungsversuche

Daraufhin habe die 59-Jährige mindestens sechsmal versucht, ihren Mann zu vergiften, bevor sie einigen erwachsenen Kindern den Mord befohlen habe, so die Ermittler. Einer ihrer leiblichen Söhne soll den damals 42-jährigen do Carmo in der Garage des Paares in einem Vorort von Rio erschossen haben. Ein Adoptivsohn habe die Tatwaffe gekauft. Beide sitzen seit einem Jahr im Gefängnis.

Dos Santos habe versucht, es so aussehen zu lassen, als sei ihr Mann einem misslungenen Einbruch zum Opfer gefallen, sagten die Ermittler. Sie warfen der Pastorin und Politikerin zudem vor, „dass ihr ganzes Bild von Altruismus und Moral nur ein Mittel war, um eine finanzielle und politische Position zu erreichen“, wie Kommissar Allan Duarte im Fernsehen sagte.

Rocinha Vavela in Rio de Janeiro
Reuters/Bruno Kelly
Dos Santos, die selbst in einer Favela in Rio geboren wurde, adoptierte 50 Straßenkinder – einigen davon soll sie den Mordauftrag erteilt haben

Anwalt: Unschuldig

Insgesamt klagte die Staatsanwaltschaft neben dos Santos noch zehn weitere Verdächtige an. Der BBC zufolge sind unter den Anklagten sechs ihrer Kinder sowie ihre Enkeltochter. Neun der Verdächtigen befänden sich bereits in Haft.

Bevor die Abgeordnete verhaftet werden kann, muss das brasilianische Parlament ihre Immunität aufheben. Dos Santos „ist sehr verärgert über alles, was geschieht, denn sie ist unschuldig“, sagte ihr Anwalt laut brasilianischen Medienberichten. „Sie hat dieses grausame Verbrechen nie angeordnet.“ Laut BBC weist auch dos Santos die Vorwürfe zurück und besteht darauf, dass sie unschuldig ist.

Dos Santos wurde 2018 für die konservative Sozialdemokratische Partei (PSD) in den Kongress gewählt. Sie wurde selbst in einer Favela Rios geboren und traf do Carmo im Jahr 1994. Gemeinsam gründeten sie eine evangelikale christliche Gemeinschaft.