Menschen auf einem Strand in Split
APA/AFP/Damir Sencar
Trotz parlamentarischer Anfragen

Kriterien für Reisewarnung bleiben vage

Die Haupturlaubssaison neigt sich dem Ende zu – und mit ihr schwinden zunehmend auch die Möglichkeiten, sorgenfrei zu reisen. Alleine im August wurden Reisewarnungen auf Kroatien und fast ganz Spanien ausgeweitet. Zwei parlamentarische Anfragen der Opposition gingen der Frage nach, auf welcher Basis die Sicherheit der Reiseländer eingestuft wird. Doch die Antworten fielen vage aus.

Generell wird aufgrund der globalen Ausbreitung des Coronavirus seitens des Außenministeriums „von nicht unbedingt notwendigen Reisen“ abgeraten – weltweit. Reisewarnungen gelten mittlerweile für 32 Staaten. Doch weder aus den allgemeinen Erläuterungen auf der Website des Außenministeriums noch aus den länderspezifischen Reiseinformationen geht hervor, wann welche der insgesamt sechs Sicherheitsstufen verhängt wird. Auch eine Nachfrage von ORF.at Anfang August blieb ohne konkrete Antwort. Zum Vergleich: In vielen anderen Ländern gibt es genaue Kennzahlen, ab wann ein Herkunftsland als Risikogebiet eingestuft wird.

Das Fehlen einer genauen Definition dürfte die Oppositionsparteien NEOS und SPÖ auch dazu veranlasst haben, jeweils eine parlamentarische Anfrage zum Thema Reisewarnung an ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg zu richten, die nun beantwortet wurden. Neben der Frage, ob sich das Außenministerium bei der Aussprache von Reisewarnungen an quantitativen (Anzahl von Neuinfektionen, Testhäufigkeit) und qualitativen Kriterien (Contact-Tracing) orientiert, musste sich Schallenberg auch der Frage nach der rechtlichen Grundlage der Verordnungen stellen.

Touristen in Dubrovnik
Reuters/Antonio Bronic
Anfang August wurde eine Reisewarnung für Spanien ausgesprochen – kurz darauf folgte Kroatien

Informeller Austausch zu Sicherheitseinstufungen

„Die laufend aktualisierten länderspezifischen Reiseinformationen und Sicherheitshinweise des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) werden auf Basis der Berichterstattung der österreichischen Vertretungsbehörden erstellt und sollen ein über die Sicherheitslage hinausgehendes, allgemeines Bild über das Reiseziel vermitteln“, so Schallenbergs Antwort auf die Frage zur rechtlichen Basis.

Zudem finde auf europäischer Ebene ein „informeller Austausch“ über Sicherheitseinstufungen statt. In Kontakt sei man jedoch ebenfalls mit Auslandsreisenden, Reiseveranstaltern, Fluglinien, Verbraucherschützern und Drittstaaten. Auch gebe es regelmäßige Abstimmungen mit Experten und Expertinnen im Gesundheitsministerium, Innenministerium und Bundeskanzleramt.

Karte zu Reisewarnungen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Außenministerium

„Grundsätzliche Unvorhersehbarkeit der Entwicklungen“

Die Einschätzung der Sicherheitssituation eines Landes beruhe auf mehreren Faktoren, „insbesondere den epidemiologischen Entwicklungen, Einreise- und Mobilitätskriterien wie Flug- und/oder Einreiseverbote, Grenzschließungen und Ausgangssperren, medizinische Vorsorgemaßnahmen wie Testungen, Quarantänebestimmungen oder die medizinische Versorgungslage wie Kapazitäten der Krankenhäuser“, heißt es in der Anfragebeantwortung weiter. Genaue Angaben zu quantitativen Kriterien, wie der aktuellen Anzahl von Neuinfektionen, gibt es in der Anfragebeantwortung jedoch nach wie vor nicht.

Die Sicherheitsstufe vier für alle Länder ließe sich etwa vor allem auf die Einschränkungen im Flug- und öffentlichen Verkehr sowie im öffentlichen Leben und auf die „grundsätzliche Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung“ zurückführen. Die Entscheidung, auch den Großteil der europäischen Länder auf die vierte Sicherheitsstufe zu setzen, habe jedoch nichts mit den Aufrufen der Regierung zu tun, heuer Urlaub in Österreich zu machen, sondern sei lediglich mit dem starken Anstieg der Coronavirus-Infektionen in Zusammenhang gestanden, so Schallenberg.

NEOS: „Keine klaren Kriterien“

Kritik an der Anfragebeantwortung kam seitens NEOS: „Durch die Nicht-Beantwortung unserer ganz konkreten Fragen müssen wir davon ausgehen, dass sich Schallenbergs Reisewarnungen nach innenpolitischer Opportunität richten, nicht nach klaren und nachvollziehbaren medizinischen Kriterien. Da könnte die Regierung genauso gut würfeln“, so NEOS-Außenpolitiksprecher Helmut Brandstätter. Mit „transparenter und faktenbasierter Politik“ habe das nichts zu tun.

Walk-In und Drive-In Teststation beim Ernst Happel Stadion in Wien
APA/Herbert P. Oczeret
Wer aus einem Risikogebiet nach Österreich einreist, muss einen negativen PCR-Test vorlegen

Kein Verbot, aber Strafe

In den Anfragebeantwortungen wurde auch immer wieder betont, dass die Entscheidung, eine Reise anzutreten, jedem selbst obliege. Denn eine Reisewarnung ist zwar kein Verbot, wer sich allerdings trotz der Warnung für eine Reise entscheidet, sieht sich mit strengen Verordnungen konfrontiert. Derzeit gilt, dass bei der Einreise aus einem Risikogebiet ein negativer PCR-Test vorgelegt werden muss. Ist eine Testung im Ausland nicht möglich, ist eine Einreise zwar möglich, allerdings muss innerhalb von 48 Stunden ein Test auf eigene Kosten veranlasst werden.

14 Millionen Aufrufe

Seit Jahresbeginn wurden die Reiseinformationen und Sicherheitshinweise des Außenministeriums über 14 Millionen Mal aufgerufen, wie aus der Anfragebeantwortung hervorgeht.

Bis zum Vorliegen eines negativen Ergebnisses ist eine selbst überwachte Quarantäne anzutreten, wofür eine Unterkunftsbestätigung vorzulegen ist. Erst bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses darf die Quarantäne beendet werden. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, dem droht eine Strafe von bis zu 1.450 Euro. Kosten können für Reisende allerdings auch entstehen, wenn eine Rückholaktion aus einer Region oder einem Land durchgeführt werden muss, wo es eine ausdrückliche Reisewarnung gibt. Und: Erkrankt der Reisende in einem Risikoland am Coronavirus, hat er zudem keinen Anspruch an Entgeltfortzahlung.

Menschen warten vor Schalter am Flughafen
APA/Peter Steffen
Quarantäneverordnungen, Testungen, Registrierungen – Reisen ist derzeit oft mit strengen Vorgaben verbunden

Kritik an Grenzkontrollen und Testungen

Zuletzt sorgten vor allem strenge Grenzkontrollen und damit verbundene lange Wartezeiten bei der Einreise aus Risikoländern für großen Unmut. Kritik kam dabei etwa auch von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Eine digitale Onlineregistrierung im Vorfeld eines Grenzübertritts, wie es in anderen Ländern der Fall sei, hätte die Entwicklung verhindern können, so die Parteichefin. Schließlich sei das Wichtigste beim Management einer Krise „Klarheit und Sicherheit, die die Menschen brauchen“. Grenzkontrollen werden mittlerweile nur noch stichprobenartig durchgeführt, am Wochenende kam es daher kaum zu Wartezeiten – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Während Rendi-Wagner im ORF-„Sommergespräch“ die Situation auf den österreichischen Flughäfen lobte, wurden in den Sozialen Netzwerken Anfang der Woche indes die Testungen auf dem Flughafen in Wien kritisiert. Hier komme es zu langen Schlangen, Menschen würden „dicht gedrängt“ aneinander stehen während sie auf den Test warten, kritisierte etwa Falter-Chefredakteur Florian Klenk auf Twitter. So heißt es in dem Tweet: „Wer sich auf einer einsamen Insel vor anderen geschützt hat, wird hier dank solchen Grenzmanagements einer sinnlosen Gefahr ausgesetzt.“

„Die Leute sind verunsichert“

Empörung herrscht aber nicht zuletzt auch bei den Reisebüros, die für dieses Jahr mit einem Umsatzrückgang um die 80 Prozent rechnen. Auf Unverständnis trifft in der Branche etwa die Tatsache, dass Reisewarnungen pauschal für ganze Länder verhängt werden und nicht etwa partiell für besonders betroffene Gebiete.

Michael Schlögl, Sprecher der steirischen Reisebüros kommentiert die Situation folgendermaßen: „Die Leute sind verunsichert. Und es gibt in Wahrheit nichts zu buchen. Es ist nicht nur das Sommergeschäft, es ist auch das Weihnachtsgeschäft für uns schon gelaufen“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

AGES: Reiseassoziierte Infektionen nehmen ab

In Österreich steigt die Zahl der Neuinfektionen zwar wieder merklich an, die effektive Reproduktionszahl des Coronavirus – wie viele Menschen im Durchschnitt ein Betroffener ansteckt – ist jedoch gesunken. Laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) dürfte das wohl auch damit zu tun haben, dass die reiseassoziierten Infektionen wieder abnehmen. Zum Vergleich: Mitte August handelte es sich bei rund einem Drittel der Neuinfizierten um Reiserückkehrer.