Während die Wiesen früher ein- bis zweimal pro Jahr geschnitten wurden, sind es heute fünf- bis sechs Mahden jährlich. Auch die Effizienz hat sich extrem erhöht. Mit der Sense konnten früher bis zu 3.000 Quadratmeter pro Tag gemäht werden, moderne Gerätschaften schaffen mehrere Hektar pro Stunde. Dazu wird das Schnittgut fein gehäckselt, wodurch Pflanzen und Tiere vernichtet werden.
„Die händisch gemähte Ernte wurde früher auf der Wiese zu Heu getrocknet, heute häckseln Hightech-Mäher alles und pressen es anschließend in große Plastikballen. Dadurch ist die Artenvielfalt der Wieseninsekten stark gefährdet. Durch das oftmalige Mähen können Wiesenblumen nicht mehr rechtzeitig Samen erzeugen und sterben zunehmend aus“, so der Vizepräsident des Naturschutzbunds, Johannes Gepp.
Alpines Mähen als Vorbild
Im alpinen Gelände wird nach wie vor mit der Sense gemäht, wodurch die Artenvielfalt der dortigen Fauna und Flora noch eher erhalten bleibt. „Landwirte sollten darauf achten, ein schonendes Mähwerk zu verwenden“, rät Thomas Frank von der Universität für Bodenkultur (BOKU). „Da ist vor allem die Höhe ganz wichtig. Wird die Wiese in einer Höhe von zehn bis maximal 15 Zentimetern geschnitten, sichert das vielen Insekten das Überleben. Größere Tiere wie etwa Hasen oder Rehe kann man mit speziellen Ketten aufschrecken oder mit Hilfe von Drohnen erkennen und damit vor dem sicheren Tod retten.“
Bodenbrüter und Pflanzensauger
In Österreich haben mehr als 10.000 Tierarten ihren Lebensraum zwischen den Gräsern. Viele Vögel sind Bodenbrüter und legen ihre Eier in den vermeintlich sicheren Schutz der Wiese. Die Feldlerchen etwa bauen ihre Nester direkt auf der Erde. Für natürliche Feinde sind sie schwer zu finden – kommt allerdings die Mähmaschine, überleben die Jungvögel meist nicht.
TV-Hinweis
Mit der Wiese beschäftigt sich am Dienstag um 20.15 Uhr in ORF2 ein „Universum Natur“ in „Die Wiese – Eine Welt voller Geheimnisse“. BOKU-Zoologin Sophie Kratschmer ist zudem um 17.30 Uhr im „Studio 2“ zum Thema Wiese zu Gast.
Laut BirdLife Österreich ist vor allem das Braunkelchen ein Sorgenkind. Die Bestände des kleinen Wiesenvogels sind seit 1998 um etwa 60 Prozent eingebrochen. Derzeit gibt es nur noch 950 bis 1.500 Brutpaare in Österreich. Der Wiesenspatz, wie der Vogel im Volksmund auch genannt wird, bräuchte für die Brut eigentlich schonend bewirtschaftete Flächen, doch diese haben zunehmend Seltenheitswert.
Auch zahllose Insekten haben in den Wiesen ihren Lebensraum. Alleine in Österreich gibt es mehr als 600 verschiedene Zikadenarten, die mit ihren Saugrüsseln Saft aus den Pflanzen saugen können. Knapp ein Drittel von ihnen ist durch die vielen Mahden und die Umwandlung der Wiesen in Ackerland bedroht. Auch nahezu 150 Heuschreckenarten mit ihrem einzigartigen Zirpen haben ihren Lebensraum in der Wiese.
Zu viele Nährstoffe durch Gülle
Neben der zu hohen Intensität der Mahd gefährdet auch das Ausbringen von Dünger Fauna und Flora der heimischen Wiesen. Jedes Jahr landen rund 25 Millionen Tonnen Gülle auf Wiesen und Feldern, was etwa dem Volumen des Klopeinersees in Kärnten entspricht. Die Düngung einer Wiese hat andauernde Folgen – bis sich diese wieder erholt hat, vergehen zehn bis 20 Jahre.
Futterpflanzen für die Landwirtschaft profitieren von Nährstoffgaben, andere Organismen leiden aber unter ihr: Viele Wiesenpilze – etwa Saftlinge – werden durch eine einzige Fuhr Dünger vernichtet. Auch unterirdische Pilzgeflechte sterben dadurch ab. Diese verbinden nicht zuletzt andere Pflanzen miteinander – etwa zum Nährstoffaustausch. Seltene Pflanzen wie zum Beispiel Enziane und die Orchideenart Ragwurz überleben das Ausbringen von Gülle nicht.
„Insektenschonende Mahd“
Die ARGE „Insektenschonende Mahd“ sucht in einer mehrjährigen Studie Wege für eine bessere Erhaltung der Biodiversität in Wiesen. An dem vom Landwirtschaftsministerium finanzierten Projekt nehmen unter anderem die Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Landtechnik Pöttinger und die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) teil.
Löwenzahn statt Margeriten, Salbei, Rotklee
Der Löwenzahn kann hingegen gut mit großen Düngermengen umgehen, weswegen eine hohe Dichte an den charakteristischen, gelben Blüten auf starke Düngung hindeutet: „Eine Wiese mit viel Löwenzahn ist artenarm und nährstoffreich“, so der Leiter des Instituts für Zoologie an der BOKU, Frank. Würde man Wiesen nicht mehr düngen, wäre der Löwenzahn eine von vielen Pflanzen.
Allerdings ist Löwenzahn im Frühjahr wichtig, weil er früh blüht und zu dieser Zeit mancherorts die einzige ergiebige Futterquelle für Bienen und Hummeln ist. Gleichzeitig verdrängen er und weitere von einem hohen Nährstoffgehalt profitierende Pflanzen aber andere Arten, so die BOKU-Zoologin Sophie Kratschmer: „Auf artenreichen, ungedüngten Wiesen, wie sie es manchmal im Wienerwald gibt, blühen typischerweise auch Margeriten, Salbei, Wundklee, Rotklee und Flockenblumen.“
Scharfe Kritik an Agrarförderprogramm
Insgesamt gibt es Wiesen, wie wir sie heute kennen, erst seit rund 10.000 Jahren. Sie entstanden Hand in Hand mit der Etablierung der Viehzucht, die zur Rodung von Wäldern führte. Heute wandeln viele Landwirte ihre Wiesen aus wirtschaftlichen Gründen in Ackerland um und bauen dort Mais, Soja und andere Nutzpflanzen an.
Schutz der Biodiversität in der Landwirtschaft soll das Österreichische Programm für umweltfreundliche Landwirtschaft (ÖPUL) belohnen. Das von der EU unterstützte Agrarförderprogramm schüttet Gelder an Landwirte aus, wenn sie in der Bewirtschaftung zum Natur- und Umweltschutz beitragen. „In der Praxis sieht das freilich oft anders aus“, kritisierte der renommierte Botaniker und Pflanzensystematiker Manfred Adalbert Fischer das Programm.
„ÖPUL vertritt meist die Interessen der Landwirtschaft. Umwelt- und Biodiversitätsschutz dient leider oft nur als Alibi oder als ‚grünes Mäntelchen‘.“ Fischer verwies auf die erhebliche Bedeutung der Wiese. „Leider denken die meisten Menschen bei Naturschutz nur an den Wald. Von dem haben wir aber zu viel. Es wird übersehen, dass das naturnahe Grünland, also artenreiche Wiesen, höchst gefährdet ist.“