Der Student Tony Chung steht in einem Hauseingang
APA/AFP/Isaac Lawrence
Hongkong

Chinas erdrückende Überwachung

Die Überwachung und Kontrolle durch China wird in Hongkong offenbar immer erdrückender, wie die „New York Times“ schreibt. Gestützt auf ein neues Gesetz setze die Taktik der Sicherheitsbehörden in der ehemaligen britischen Kronkolonie vermehrt auf Härte. Ein digitales Kontrollnetz schließe sich um Aktivisten und Aktivistinnen, prodemokratische Politiker und Politikerinnen und Medienmachern.

Das System der Überwachung in Hongkong gleiche sich dem chinesischen an. So wurden seit Ende Juni etwa Überwachungskameras vor den Wohnungen von bekannten Politikern und Dissidenten aufgestellt und auch in deren Konten bei Sozialen Netzwerken eingebrochen bzw. diese gekapert und Falschinformation in deren Namen zu verbreiten. Alles Mittel, die in China bereits seit Langem eingesetzt werden. In Hongkong sei man das jedoch noch nicht gewohnt, so die „New York Times“ weiter.

Aktivistinnen und Aktivisten sowie deren Anwälte wüssten noch nicht, wie man damit am besten umgeht. Pro-Demokratie-Politiker hätten allerdings bereits Anweisungen an ihre Anhänger verschickt, wie man digitale Geräte wie etwa Computer und Handys besser absichern kann. Viele seien nun bei dem als sicher geltenden Instant-Messenger Signal oder hätten auch ihre Namen in Sozialen Netzwerken geändert, heißt es in dem Bericht.

Überwachungskameras in Hongkong
Reuters/Tyrone Siu
Eine der vielen Überwachungskameras in Hongkong

Das Problem mit der Handysicherheit

So wollte laut der Zeitung die Polizei das Handy eines Dissidenten, das mit Gesichtserkennung gesichert war, entsperren. Dazu hielten sie seinen Kopf fest. Er schloss seine Augen und verzerrte sein Gesicht. Es gelang der Polizei nicht, das Handy zu entsperren. Sicherung per Fingerprint hingegen bringt gegenüber der Polizei nichts. Bei Passwörtern können die Aktivisten und Aktivistinnen behaupten, sie vergessen zu haben, so die Zeitung weiter.

Doch nicht nur in Hongkong selbst ist man besorgt. So wurde eine Facebook-Gruppe von Hongkongern in Australien für die Öffentlichkeit gesperrt, nachdem ein Benutzer behauptet hatte, die Diskussionen Hongkonger Behörden wegen möglicher Verstöße gegen das neue Gesetz berichtet zu haben. Unter dem neuen Gesetz zieht die Polizei mit härteren Methoden das digitale Netz über die Aktivisten und Pro-Demokratie-Politiker immer enger.

Ruf nach digitalem Schutz

„Mit dem wachsenden Einfluss und der wachsenden Macht von China ist es für Technologieunternehmen nicht sicher, ihre Server in China oder in Hongkong stehen zu haben“, so der prominente Aktivist Joshua Wong in der Zeitung. Es sei aber wichtig für die Unternehmen, die Bürger Hongkongs und die Gesellschaft bei digitaler Sicherheit zu unterstützen.

Aktivist Joshua Wong mit Gesichtsmaske vor Wahlplakaten
Reuters/Tyrone Siu
Der bekannte Aktivist Joshua Wong von der Demokratiebewegung

Großbritannien und China hatten bei der Übergabe der ehemaligen britischen Kolonie 1997 einen Vertrag geschlossen, der die Meinungsfreiheit in Hongkong für 50 Jahre garantieren sollte. Das von China durchgesetzte Hongkong-Gesetz Ende Juni sieht allerdings lange Haftstrafen für Rufe nach mehr Autonomie oder Unabhängigkeit für Hongkong vor. Wegen des Gesetzes wurde bereits eine Reihe von Aktivisten festgenommen. Schulen und Bibliotheken in der Stadt haben manche Bücher aus ihren Regalen verbannt.

Wahlverschiebung, um Blamage zu entgehen?

Der Erlass des Gesetzes war international auf Kritik gestoßen. Auch war die für September geplante Wahl zum Legislativrat verschoben worden. Als Grund wurde der neuerliche Ausbruch des Coronavirus in der asiatischen Wirtschaftsmetropole genannt. Doch sehen die demokratischen Oppositionsgruppen darin nur einen Vorwand, um eine Blamage pekingfreundlicher Kräfte zu verhindern.

Straßenszene in Hongkong zeigt Fußgänger mit Gesichtsmasken
Reuters/Lam Yik
Eine Straße in Hongkong

Pekings Gesetz ist ein tiefer Eingriff in die Autonomie der früheren Kronkolonie, die seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ verwaltet worden war. Es richtet sich gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Es begrenzt auch Freiheitsrechte der sieben Millionen Hongkonger. Unter Hinweis auf das neue Gesetz oder wegen ihrer Rolle in den Protesten waren bereits mehrere führende Personen der Demokratiebewegung angeklagt und festgenommen worden.

Zensur von Schulbüchern

In Hongkong lernten Schüler bisher in einem eigenen Unterrichtsfach das kritische Denken – doch jetzt sollen die Schulbücher dazu zensiert werden. Wie Medien in der chinesischen Sonderverwaltungszone Mitte August berichteten, ordnete die Hongkonger Regierung an, „heikle“ Stellen aus den Schulbüchern zu streichen. Die Regierung erklärte, es sollten „fehlerhafte Elemente aus der Vergangenheit“ ausgesiebt werden.

Kritiker sehen in dem Vorgehen einen weiteren Angriff auf die Meinungsfreiheit in der Wirtschaftsmetropole. Die Bildungspolitik steht im Fokus Pekings, pekingtreue Politiker werfen den Schulen Hongkongs vor, die Opposition zu unterstützen. Gefordert wird eine verstärkte Erziehung zum Patriotismus.

„Verzerren Realität in der Gesellschaft“

Schüler an weiterführenden Schulen in Hongkong haben das Fach „Liberale Studien“, in dem sie kritisches Denken lernen sollen. Aus den dazugehörigen Schulbüchern sollen die Verlage nun Stellen zu zivilem Ungehorsam sowie Fotos mit bestimmten Protestbotschaften entfernen. Außerdem sollen die Namen einiger Parteien nicht mehr genannt werden.

Die Lehrergewerkschaft HKPTU warf der Bildungsbehörde der Stadt politische Zensur vor. Die Änderungen „verwässern oder verzerren sogar die Realität in der Gesellschaft“, so die Gewerkschaft. Die Regierung wies Zensurvorwürfe zurück und erklärte, die Änderungen würden den Schülern helfen, „positive Werte“ zu entwickeln.