Türkische Fahne
APA/AFP/Yasin Akgul
Türkei

Anwältin im Hungerstreik gestorben

Über 200 Tage hat sich Ebru Timtik in der Türkei im Hungerstreik befunden. Am Donnerstag verstarb die wegen Terrorvorwürfen verurteilte Anwältin im Krankenhaus. Das teilte ihre Anwaltskanzlei am Freitag mit. Timtik wollte mit ihrem Protest einen fairen Prozess erreichen.

Timtik war gemeinsam mit ihrem ebenfalls verurteilten Kollegen Aytac Ünsal im Februar in den Hungerstreik getreten. Beide wurden vor Kurzem in kritischem Zustand ins Krankenhaus gebracht, wo Timtik nun verstarb. Die Kanzlei der Anwältin, Halkin Hukuk Bürosu, sprach auf Twitter von einem „Märtyrertod“. Wie Freunde von Timtik sagten, wog die Anwältin vor ihrem Tod nur noch 30 Kilogramm. Zuletzt habe sie nichts außer Zuckerwasser, Kräutertee und Vitamine zu sich genommen.

Noch vor wenigen Tagen hatten mehrere Zusammenschlüsse von Juristen die Freilassung der beiden Menschenrechtsanwälte gefordert. Beide befänden sich in kritischem Zustand, hieß es. Der Präsident der Anwaltskammer von Izmir, Özkan Yücel, sagte vergangene Woche, der Zustand der beiden habe sich im Krankenhaus sogar noch verschlechtert, weil „Foltermethoden“ wie Dauerbeleuchtung angewendet würden.

Bestürzung über Tod

Der Tod der Anwältin rief in der Türkei eine Welle an Protest- und Solidaritätsbekundungen hervor. „Ebru Timtik wurde vor unseren Augen in den Tod geschickt“, schrieb Sezgin Tanrikulu, Politiker der sozialdemokratischen Oppositionspartei CHP, auf Twitter. Garo Paylan von der prokurdischen HDP twitterte: „Ebru Timtik wurde von den Tyrannen an der Macht massakriert!“

Auch die EU-Kommission reagierte bestürzt und verlangte von der Türkei dringend Fortschritte bei Rechtsstaatlichkeit und Schutz von Grundrechten. Timtiks Anwaltskanzlei rief am Freitag zu einer Solidaritätsversammlung vor der Anwaltskammer in Istanbul auf, bevor sie beerdigt werde.

Die Anwältin gehörte nach Angaben von Unterstützern zu insgesamt 18 Juristinnen und Juristen in der Türkei, die wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Alle seien in Vereinigungen engagiert, die häufig Oppositionelle verträten, hieß es.

Berufung abgelehnt

Ein Gericht in Istanbul hatte Timtik 2019 zu mehr als 13 Jahren und Ünsal zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt. Beiden waren Verbindungen zur linksextremen DHKP-C zur Last gelegt worden, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. Eine Berufung gegen das Urteil wurde im Oktober 2019 abgelehnt. Eine weitere Berufung vor dem Obersten Gerichtshof der Türkei soll noch anhängig sein. Im Juli hatte sich ein Gericht in Istanbul geweigert, Timtik freizulassen, obwohl ein ärztliches Gutachten zu dem Schluss kam, dass ihr Gesundheitszustand eine Inhaftierung nicht mehr erlaubte.

Erst im April und im Mai 2020 waren zwei Mitglieder der linken Folk-Band Grup Yorum, Ibrahim Gökcek und Helin Bölek, nach langem Hungerstreik gestorben. Mit der Aktion hatten sie unter anderem gegen Repressionen wie Razzien und ein Konzertverbot protestiert.