Vor dem Lincoln Memorial hatte der Bürgerrechtler Martin Luther King vor genau 57 Jahren seine berühmte Rede „I Have a Dream“ (Dt.: „Ich habe einen Traum“) gehalten. Die Demonstration findet rund drei Monate nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis statt.
Ein weißer Polizist hatte dem 46-Jährigen mehr als acht Minuten lang das Knie auf den Nacken gedrückt, obwohl Floyd mehr als 20-mal klagte, er bekomme keine Luft. Der brutale Tod des Familienvaters löste Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt im ganzen Land aus. Floyd wurde zu einer Symbolfigur der Bewegung „Black Lives Matter“.
„Genug ist genug“
„Wir fordern echten, dauerhaften, strukturellen Wandel“, sagte der Bürgerrechtler Martin Luther King III bei der Kundgebung. Er ist der älteste Sohn von Martin Luther King Jr. „Wir werden diesen Traum erfüllen“, sagte der afroamerikanische Bürgerrechtler Al Sharpton, einer der Organisatoren der Kundgebung. Sharpton nahm bei seinem Auftritt Bezug auf den Tod Floyds: „Wir könnten genauso erfolgreich sein wie andere. Aber die Gesellschaft hielt das Knie in unserem Nacken.“ Jetzt sage man aber: „Genug ist genug.“
„Ich bin es leid, Gerechtigkeit zu verlangen“, rief Aktivist Frank Nitty den Versammelten zu. „Wir marschieren schon seit 60 Jahren mit denselben Forderungen. Schwarze Menschen sollten nicht immer noch für dasselbe auf die Straße gehen wie Martin Luther King.“ Auch die Familien weiterer Opfer von Polizeigewalt, etwa Breonna Taylor und Eric Garner, nehmen teil.
Nach den Reden wollen die Demonstrierenden vom Lincoln Memorial zum nahegelegenen Martin Luther King Memorial marschieren. Bei der Veranstaltung herrschte wegen der Coronavirus-Pandemie Maskenpflicht. Wurde anfangs an den Einlässen noch die Temperatur der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemessen, wurde das später aufgrund des großen Andrangs gestoppt.
Neue Massenproteste nach Schüssen auf Jacob Blake
Polizeigewalt gegen Afroamerikaner sorgt schon seit Jahren immer wieder für Empörung in den USA. Zuletzt verletzten Polizisten am Sonntag in Kenosha im Bundesstaat Wisconsin den 29-jährigen Jacob Blake mit Schüssen in den Rücken schwer.
Ein im Internet veröffentlichtes Video zeigt, wie Blake auf ein Auto zugeht. Ihm folgen zwei Polizisten, von denen einer auf ihn schießt, als er die Autotür öffnet. Blake ist nach Aussage seiner Familie zumindest vorübergehend gelähmt. Der Fall wird derzeit nach den Regelungen in Wisconsin von der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaats untersucht.
Der Vorfall sorgte zudem für neue, teils gewaltsame Proteste, an deren Rande am Dienstagabend zwei Menschen erschossen wurden. Als Tatverdächtiger festgenommen wurde ein 17-jähriger Weißer. Rund 150 Nationalgardisten wurden unterdessen nach Kenosha geschickt.
Blake offenbar an Krankenhausbett gefesselt
Blake wird unterdessen offenbar im Krankenhaus an sein Bett gefesselt. „Warum haben sie diesen kalten Stahl am Knöchel meines Sohnes?“, fragte Blakes Vater am Freitag im Nachrichtensender CNN. „Er kann nicht aufstehen, er könnte selbst dann nicht aufstehen, wenn er es wollte.“ Blakes Onkel sprach von einer „Beleidigung“. „Er ist gelähmt und kann nicht laufen, und sie ketten ihn an das Bett. Warum?“
Der Gouverneur des Bundesstaats Wisconsin, Tony Evers, hatte bereits am Donnerstag Unverständnis über die Sicherheitsmaßnahme gezeigt. „Ich persönlich verstehe nicht, warum das notwendig sein sollte“, sagte der US-Demokrat. „Ich würde mir wünschen, dass wir einen besseren Weg finden würden, ihm bei der Genesung zu helfen.“ Das Festketten erscheine ihm wie „schlechte Medizin“.