Demonstranten in Berlin
Reuters/Christian Mang
Coronavirus-Maßnahmen

Polizei löst Demos in Berlin auf

In Berlin hat die Polizei die Auflösung der Demonstrationen gegen die deutsche Coronavirus-Politik angekündigt – nicht lange nach deren Beginn. Erst in den Nachtstunden hatte es gerichtlich grünes Licht für die zuvor überhaupt verbotenen Kundgebungen gegeben, später hieß es, Teilnehmende würden gegen Schutzauflagen verstoßen. Folglich machte die Polizei ihre Drohungen von zuvor wahr. Rund 300 Personen wurden festgenommen.

In der deutschen Bundeshauptstadt hatten sich ab Samstagvormittag Tausende Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Proteste gegen die Coronavirus-Maßnahmen von Bund und Ländern versammelt, am Abend war laut Behörden die Rede von etwa 38.000. Am Brandenburger Tor stand den Demonstranten und Demonstrantinnen ein Großaufgebot an Sicherheitskräften gegenüber.

Dann hieß es plötzlich, die Versammlung werde aufgelöst. „Es bleibt uns leider keine andere Möglichkeit: Wir sind an den Versammlungsleiter der Demo herangetreten und haben ihm mitgeteilt, dass seine Versammlung polizeilich aufgelöst wird“, schrieb die deutsche Polizei via Twitter. Zwischenzeitlich wurde auch eine Maskenpflicht verhängt, weil die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden. Sollten sich die Kundgebungsteilnehmer nicht an Abstandsregeln halten, würden die Sicherheitskräfte „sehr zügig“ räumen, hatte Polizeipräsidentin Barbara Slowik im Vorfeld angekündigt.

Aufhebung aller Coronavirus-Gesetze gefordert

Trotz der Auflösung waren am Nachmittag weiterhin Tausende Demonstranten und Demonstrantinnen unterwegs. Am Nachmittag startete eine Großkundgebung an der Siegessäule – lange war unklar, ob diese überhaupt stattfinden kann, da auch dort „die Abstände nicht ausreichend eingehalten“ wurden, schrieb die Polizei zu der Kundgebung auf Twitter. Später hieß es jedoch seitens der Polizei, dass die Abstandsregeln weitgehend eingehalten würden, sodass die Veranstaltung stattfinden könne.

Ein Polizeisprecher sprach von mehreren zehntausend Teilnehmern. Bei der Großkundgebung bei der Siegessäule forderte der Initiator Michael Ballweg von der Stuttgarter Initiative Querdenken die Aufhebung aller zum Schutz vor der Pandemie erlassenen Gesetze sowie die sofortige Abdankung der Bundesregierung. Dafür bekam er großen Beifall. Zugleich dankte Ballweg der Berliner Polizei, „die uns ermöglichte, hier friedlich zu demonstrieren“.

Der US-Rechtsanwalt, Umweltaktivist und Impfgegner Robert Francis Kennedy junior, Neffe des US-Präsidenten John F. Kennedy, wandte sich in seinem Redebeitrag gegen den Aufbau des 5G-Mobilfunknetzes, warnte vor einem Überwachungsstaat und attackierte in diesem Zusammenhang unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates. Unter Verweis auf den berühmten Berlin-Besuch des US-Präsidenten Kennedy im Juni 1963 sagte er, sein Onkel sei damals nach Berlin gekommen, weil in der Stadt die Front gegen Totalitarismus verlaufen sei. „Heute ist Berlin wieder die Front gegen Totalitarismus“, fügte er an.

Hunderte Festnahmen

Nach der angeordneten Auflösung rückte die Polizei zu verschiedenen Einsätzen im Stadtzentrum aus. So legten sich rund 40 Menschen Boxbandagen an, es wurden Hindernisse auf die Fahrbahn gebracht, in der Friedrichstraße habe außerdem ein Baucontainer gebrannt, so die Polizei. 300 Menschen seien bereits festgenommen worden, so der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD). Unter den Festgenommenen soll auch der als Verschwörungstheoretiker bekannte Vegankoch Attila Hildmann sein.

Auf Videos war zu sehen, wie die Polizei Demonstranten wegtrug oder abdrängte, die auf der Straße sitzen blieben und nicht freiwillig gingen. Es wurde ein Hubschrauber für einen besseren Überblick angefordert.

Die Veranstalter, die Initiative Querdenken 711, hatten für ihre Kundgebung rund 22.000 Menschen angemeldet, die Berliner Polizei sich auf einen Großeinsatz vorbereitet – mit 3.000 Sicherheitskräften und Unterstützung aus anderen Bundesländern. Die Initiatoren riefen zuvor zur regen Teilnahme an den Protesten auf: „Kommt alle nach Berlin.“ Die Demonstrierenden zogen von der Straße Unter den Linden durch Berlin zum Tiergarten und bis zur Straße des 17. Juni.

Polizisten mit Mundschutz vor dem Brandenburger Tor
APA/dpa/Kay Nietfeld
Tausende Polizisten standen den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Proteste gegenüber

Im Anschluss an den Demonstrationszug war eine Kundgebung nahe dem Brandenburger Tor geplant. Dort hatten bereits am Vormittag Demonstranten „Tor auf“ gerufen und „Wir sind das Volk“ skandiert. Eine riesige Deutschlandflagge war auf dem Boden vor dem Tor ausgelegt.

Polizei hatte Demos ursprünglich verboten

Die Berliner Polizei hatte die Demonstrationen ursprünglich verboten. Nach einem Berliner Gericht kippte dann in der Nacht auf Samstag aber auch das Oberverwaltungsgericht (OVW) Berlin-Brandenburg in zweiter Instanz das verfügte Verbot.

Als Grund für die Verbotsverfügung hatte die Polizei angeführt, dass durch die Ansammlung Zehntausender Menschen – oft ohne Maske und Abstand – ein zu hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung entstehe. Das habe bereits die Demonstration gegen die Coronavirus-Maßnahmen am 1. August in Berlin gezeigt, bei der die meisten Demonstrantinnen und Demonstranten bewusst Hygieneregeln ignoriert hätten. Auch bei den Versammelten am Samstag waren Abstand und Maske auf Bildern kaum sichtbar.

Das Berliner Gericht hatte dann aber am Freitag entschieden, dass die Versammlung stattfinden dürfe. Es stellte fest: Für ein Verbot lägen keine Voraussetzungen vor. Eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit lasse sich weder aus dem Verlauf der Demo am 1. August noch aus der kritischen Haltung der Teilnehmer zur Coronavirus-Politik ableiten. Die Veranstalter hätten ein Hygienekonzept vorgelegt und mit 900 Ordnern und 100 „Deeskalationsteams“ Vorkehrungen getroffen.

Auch Ausschreitungen befürchtet

Die Berliner Polizei hatte sich hingegen über die etwa im Internet formulierte „offene Gewaltbereitschaft“ besorgt gezeigt, wie Vizepräsident Marco Langner sagte. Es gebe auch zahlreiche Aufrufe von Rechtsextremisten zur Teilnahme an den Versammlungen. Dabei sei unter dem Titel „Sturm auf Berlin“ unverhohlen dazu aufgerufen worden, sich zu bewaffnen.

Demonstranten in Berlin
APA/AFP/John MaxDougall
Im Internet gab es zahlreiche Aufrufe, zur Demo nach Berlin zu kommen

„Diese offen formulierte Gewaltbereitschaft gegen den Staat stellt für uns eine neue Dimension dar“, so Langer. Geisel erklärte als Reaktion auf das Urteil vom Samstag, er erwarte, dass die Demonstranten nun alles für den Infektionsschutz täten und friedlich blieben. Zugleich zeigte er sich besorgt, dass europaweit Rechtsextreme zur Teilnahme mobilisiert hätten. Geisel sagte auch, er wolle nicht hinnehmen, dass Berlin erneut zur Bühne für „Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten“ werde.

Demos auch in Paris, London und Wien

Auch in Wien, London und Paris gab es Demonstrationen gegen Coronavirus-Auflagen, allerdings deutlich kleinere. In der britischen Hauptstadt kamen mehrere hundert Menschen auf dem Trafalgar Square zusammen. Sie stellten Informationen über das Virus infrage, viele trugen Transparente mit der Aufschrift „Fake News“. In Paris versammelten sich rund 200 Aktivisten, die vor allem gegen die Maskenpflicht auf die Straße gingen. „Nein zur Gesundheitsdiktatur“ und „Lasst unsere Kinder atmen“ war hier auf Plakaten zu lesen.

In Wien versammelten sich bei der „Großdemo“ am Samstagabend laut Veranstaltern rund 3.000 Teilnehmer beim Resselpark, um gegen die Coronavirus-Maßnahmen zu demonstrieren. Im Gegensatz zu der Kundgebung in Berlin habe es „keinerlei Probleme“ gegeben, so Sprecher Martin Rutter zur APA. Das Ziel der Versammlung laut Hannes Brejcha von Querdenker Wien: „Wir möchten bis zu 15.000 Menschen vor Ort aus dieser ‚Coronadiktatur‘ befreien und Hunderttausende online erreichen.“ Als Redner hatten sich u. a. Peer Eifler, Franziska Loibner, Alexandra Koller und Merith Streicher zu den Themen Impfzwang, juristische Sicht auf Coronavirus-Maßnahmen, 5G sowie Killervirus Ja oder Nein angekündigt.