Schiffsverschrottung
Reuters/Francois Lenoir
Zu teuer im Hafen

Erste Kreuzfahrtschiffe werden verschrottet

Die Kreuzfahrtindustrie ist durch die CoV-Pandemie ordentlich in die Bredouille gekommen. Die ehemals auf 150 Milliarden Dollar (126 Mrd. Euro) geschätzte Tourismusbranche liegt darnieder. Erste Kreuzfahrtschiffe werden derzeit bereits verschrottet, denn nur im Hafen zu liegen ist manchem Betreiber einfach zu teuer.

Royal Caribbean, der zweitgrößte weltweite Anbieter von Kreuzfahrten, hat bereits die Verschrottung zweier seiner Schiffe angekündigt, so die „Financial Times“ („FT“) diese Woche. Es sei das erste Jahr gewesen, in dem sein Unternehmen überhaupt mit der Kreuzfahrtschiffsindustrie zusammengearbeitet habe, so Wouter Rozenfeld von Sea2Cradle. Die Firma ist auf das Recyclen von Schiffen spezialisiert und zerlegt derzeit zwei Passagierschiffe des Anbieters Carnival.

„Es werden definitiv noch mehr zerlegt werden, bis das Virus unter Kontrolle ist“, so Rozenfeld in der „Financial Times“. Derzeit liegen zahlreiche Schiffe ungenutzt vor den Küsten von Großbritannien, den USA bis Indonesien. Die Reedereien sind sich auch im Klaren, welchen finanziellen Schaden die gesamte Industrie erleiden würde, sollte es zu einem weiteren großen CoV-Ausbruch auf einem der Kreuzfahrtschiffe, ähnlich wie zu Beginn der Pandemie, kommen.

Kreuzfahrtschiff MSC Magnifica in der Lagune von Venedig
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Ein Kreuzfahrtschiff fährt in Venedig ein

Kreuzfahrten bereits für Anfang 2021 abgesagt

Damals waren auf einigen Kreuzfahrtschiffen Infektionen bei Passagieren, aber auch beim Personal entdeckt worden. Teils durften die riesigen Schiffe die Häfen nicht anlaufen – bei einigen Kreuzfahrtschiffen war gar von einer Odyssee die Rede –, oder sie wurden in den Häfen unter teils wochenlange Quarantäne gestellt. Von Reedereien wurden die Crewmitglieder mehrerer Schiffe auf einem untergebracht – Stress vor der Ansteckungsgefahr in den auf einem Schiff begrenzten Raumbedingungen und langes Warten auf die Heimreise waren die Folge.

Gilt die Zukunft der Branche eben wegen der weiteren Entwicklung der Pandemie als ungewiss, ist bereits der derzeitige Zustand kein guter, so die Zeitung. Laut dem Fachmagazin „Cruise Industry News“ wurden bereits zahlreiche Kreuzfahrten für die ersten Monate 2021 gestrichen, wie das Branchenblatt auf seiner Website schreibt.

Kreuzfahrtschiff „Symphony of the Seas“
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Kreuzfahrtschiffe liegen hintereinander in einem Hafen

„Ziemlich niedriger Preis“ für Altmetall

Aufgrund des derzeitigen Drucks und des Überangebots an verschrottbaren Schiffen können die Reedereien allerdings kaum hohe Summen für ihre Kreuzfahrtschiffe verlangen. Die Preise bei den Schrotthändlern sind am Boden. Die Schifffahrtsunternehmen seien gezwungen, einen „ziemlich niedrigen Preis“ zu akzeptieren.

Derzeit sei es nämlich ein Käufer- und kein Anbietermarkt, so die Zeitung weiter. Auch sei das Auseinandernehmen eines „derart komplizierten Schiffes“, im Vergleich etwa zu einem Containerschiff, ein umständliches und arbeitsintensives Unterfangen, so Rozenfeld weiter. Und das wiederum kostet entsprechend.

Das Wrack des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia im Hafen von Genua
APA/AFP/Giuseppe Cacace
Ein Kreuzfahrtschiff – hier die 2012 verunglückte Costa Concordia – wird zerlegt

Billigverschrottung in Indien und Pakistan

Historisch wurden Schiffe von ihren Eignern nach Indien und Pakistan zur Verschrottung geschickt. Rozenfeld schätzt, dass in Europa die Verschrottungskosten um rund 160 Dollar pro Tonne höher sind. Das kann bei einem durchschnittlichen Kreuzfahrtschiff mit rund 25.000 Tonnen schon rund vier Millionen Dollar mehr kosten, rechnet der Sea2Cradle-Chef in der Zeitung vor. Die Verschrottungsindustrie in Südostasien ist unterdessen unter Druck geraten: Vorwürfe, gegen Menschenrechte und Umweltschutzauflagen zu verstoßen, setzen dort der Branche zu.

Die Schiffe in Südasien zerlegen zu lassen sei „sehr sehr billig“, so Kendra Ulrich von der Umweltschutzgruppierung Stand.earth. Es sei, als würden die Industrienationen einfach ihren Müll in den globalen Süden exportieren, wo es teils weitaus geringere Umwelt- und arbeitsrechtliche Auflagen gebe, so Ulrich in der Zeitung.

Ein an einem Kran befestigter Teil eines Schiffes
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Abgetragene Teile eines Schiffes werden von einem Kran zur weiteren Zerteilung weitergeleitet

Weltweit einheitliche Richtlinien gefordert

Der weltweit größte Kreuzfahrtanbieter, der US-britische Konzern Carnival, schickt indes seine Schiffe zum Zerlegen in einem von der EU genehmigten, quasi mit Gütesiegel ausgestatteten Verschrotter in die Türkei. Doch die Sorge bei den Aktivisten und Aktivistinnen ist groß. Wegen der fehlenden globalen Richtlinien würde nicht jeder in der Kreuzfahrtschiffsindustrie etwa dem Beispiel von Carnival folgen.

Es bestehe das Risiko, dass die Reedereien nur das Minimalste tun würden, um auch hier so wirtschaftlich wie möglich zu arbeiten und in der angespannten finanziellen Lage ihre Profite zu maximieren – sprich zu den billigsten Anbietern gehen, so Ulrich in der „Financial Times“.

Morgan Stanley: Unerheblich

Analysten der US-Investmentbank Morgan Stanley sehen das allerdings anders. Sie glauben nicht, dass das Verschrotten den Reedereien finanziell viel bringt. Der Anteil sei „unerheblich“, zitiert die Zeitung die Finanzexperten. Die durchschnittliche Lebensdauer der mehrere hundert Millionen Euro teuren Schiffe beträgt rund 40 Jahre. Ebenfalls weggebrochen ist der Markt für gebrauchte Kreuzfahrtschiffe, da kleinere Anbieter schneller als die finanziell potenteren größeren in die Pleite gerutscht sind.

Rumpfmannschaft für die „warme Bereitschaft“

Die finanzielle Kraft der größeren Anbieter hilft auch, die Schiffe auf der mittleren Stufe, der „warmen Bereitschaft“, zu halten. Laut der „Financial Times“ befindet sich die Mehrheit der Kreuzfahrtschiffe derzeit in diesem Status. Bei der „warmen Bereitschaft“ befindet sich eine Rumpfmannschaft an Bord und hält das Schiff in Ordnung. Die verkleinerte Mannschaft, etwa ohne Kellner und anderes Personal zur Betreuung der Passagiere, hält das Schiff sauber, poliert und reinigt „den ganzen Tag“, so Josh Leibowitz, Präsident von Seaborn, der Luxusmarke von Carnival.

So werden etwa Wasserhähne in den Kabinen aufgedreht, die Motoren angelassen und auch Wasserrutschen regelmäßig eingeschaltet und gewartet. Laut Carnival sind derzeit rund 12.000 Angestellte auf ihren 104 Schiffen im Einsatz – ein Bruchteil im Vergleich zum Vollbetrieb.

Aufwendiges Wiederherrichten nach Abschaltung

Schiffe, die noch nicht zum Verschrotten vorgemerkt, aber auch nicht in der „warmen Bereitschaft“ sind, sind einfach für eine längere Zeit quasi abgeschaltet und außer Betrieb. Ihr künftiges Schicksal ist ungewiss. Experten glauben, dass viele von ihnen künftig nicht mehr eingesetzt werden. Sie wieder für den Betrieb herzurichten würde zu teuer kommen. Auch Schiffe, die jetzt ans Ende ihrer Lebensspanne kämen, würden in der derzeitigen Situation gleich stillgelegt. Nach der Pandemie müsste die Branche neu gestartet werden – auch mit neuen Konzepten.