AMS Salzburg
ORF.at/Georg Hummer
Arbeitsmarktkrise

Warnung vor schweren Folgen für Junge

Die Coronavirus-Pandemie wirkt sich weiterhin stark auf den Arbeitsmarkt aus. Stark betroffen sind die Jungen: Ausbildungsplätze wurden gestrichen und Stellenangebote zurückgezogen. Wer schon zu Beginn des Erwerbslebens ohne Arbeitsplatz dasteht, hat ein erhöhtes Risiko, auch später von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein – das hat Folgen für die gesamte Gesellschaft.

Die Arbeitsmarktzahlen bleiben wenig erfreulich. Die Zahl der Arbeitslosen geht zwar seit Mitte April zurück, dennoch liegt die Zahl der beim AMS vorgemerkten Personen weit über dem Niveau des Vorjahres. Im August waren 422.910 Personen ohne Stelle, das waren um 92.219 Personen bzw. um 27,9 Prozent mehr als im August 2019. Davon waren 371.893 Personen (plus 33,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) beim Arbeitsmarktservice (AMS) arbeitslos gemeldet und 51.017 Personen (minus ein Prozent) in Schulung. In Kurzarbeit sind aktuell nach Angaben des Arbeitsministeriums 452.499 Menschen, die Zahl ist laut Ministerium seit Ende Juli in etwa konstant.

Stark betroffen sind die Jungen: Im August waren fast 62.000 Personen zwischen 15 und 24 Jahren ohne Job, ein Fünftel mehr als noch vor einem Jahr. Ein Grund dafür ist die Lehrstellenlücke: Es gibt mehr Lehrstellensuchende als angebotene Lehrstellen. Den 10.483 sofort verfügbaren Lehrstellensuchenden (ohne überbetriebliche Lehrausbildung) standen 7.661 sofort verfügbare Lehrstellen gegenüber.

Folgekosten der Jugendarbeitslosigkeit

Die Jugendarbeitslosigkeit war bereits vor der Pandemie durch vorzeitiges Abbrechen von Ausbildungen und mangelnde Qualifikation hoch. Durch die Krise verschärfte sich das Problem. Es wurden nicht nur Lehrstellen eingespart, auch Stellenangebote wurden wieder gestrichen. Schon am Beginn des Erwerbslebens arbeitslos zu sein erhöhe das Risiko, auch später von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein, so Johann Bacher, Soziologe an der Universität Linz, gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal.

Wenn die Phase der Arbeitslosigkeit schon in der Jugend lange anhält, könne das Folgen für Wohlbefinden und Gesundheit haben, so Bacher. Aus Studien wisse man, dass sich die Betroffenen sozial und politisch zurückziehen, so Bacher. Für den Staat entstünden dadurch hohe Kosten: Vor der Krise galten rund 44.000 Jugendliche als langfristig ausgegrenzt – das heißt, sie waren sechs Monate oder länger arbeitslos. Sie konsumieren weniger, die dadurch entgangenen Einnahmen kämen auf rund 400 Mio. Euro jährlich.

Grafik zu Details der Arbeitslosigkeit in Österreich im August
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

„Wenn wir jetzt eine Variante schätzen, dass zusätzlich derzeit etwa 7.000 Jugendliche betroffen sind von einer langfristigen Ausgrenzung, dann wären das ungefähr 63 Millionen Euro jährlich, die dem Staat an zusätzlichen Kosten entstehen durch einen Einnahmeverlust.“ Ein Maßnahmenpaket müsse her, sagte Bacher.

Forderungen an die Politik

Der Soziologe sprach sich zudem am Dienstag bei einem virtuellen Pressegespräch an der Uni Linz für eine Arbeitszeitreduktion insbesondere in Branchen aus, die stark von Digitalisierung und Rationalisierung betroffen sind, sowie in Bereichen, die weniger attraktiv sind. „Durch Arbeitszeitverkürzung werden manche Tätigkeiten attraktiver, etwa die Pflege oder Gesundheitsberufe“, so Bacher. Viele Maßnahmen liefen zudem für Menschen ab 18 Jahren aus. Wünschenswert wären etwa mehr Angebote von Meisterausbildungen, der Ausbau von Stipendien und die Förderung der Selbstständigkeit.

Grafik zur Arbeitslosigkeit in Österreich im August
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Die Opposition reagierte alarmiert auf die hohen Zahlen. „Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit bleiben hoch; am stärksten betroffen sind weiterhin die Jungen“, so NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Für die FPÖ steuert Österreich „auf ein Fiasko am Arbeitsmarkt zu“, so Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch, die ein Schutzpaket sowie die temporäre Schließung des Zuzugs auf den österreichischen Arbeitsmarkt forderte.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sagte, bei der Regierung müssten „alle Alarmglocken schrillen“. In nahezu allen Bereichen sei die Arbeitslosigkeit gestiegen, gleichzeitig seien die Schulungszahlen zurückgegangen, so Muchitsch, der vor „Spätfolgen, die nicht zu überblicken sein werden“, warnte.

Ministerin rät zu Flexibilität

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sagte am Dienstag, wie bei den Infektionen müsse man sich auch bei der Wirtschaftsentwicklung auf eine „Wellenbewegung“ mit Erfolgen und Rückschlägen einstellen. Denn die Zurückhaltung beim Geldausgeben gefährde den Standort, so Schramböck. Sie hoffe, dass die Steuerreform im Volumen von 1,6 Mrd. Euro die Österreicher und Österreicherinnen motivieren werde, mehr einzukaufen. Die mit Dienstag geltende Investitionsprämie für Unternehmen solle die Investitionen ankurbeln.

Grafik zeigt Daten zu den Arbeitslosen in den Bundesländern
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: AMS

Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) sagte, die Regierung habe zwölf Mio. Euro für die Mobilität von Lehrstellensuchenden zur Verfügung gestellt, die etwa für die Übersiedlung oder die Wohnungssuche genutzt werden können. Wer flexibel und mobil sei, finde leichter eine Lehrstelle, so Aschbacher.

AMS in Personalnot

Angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen klagt das AMS selbst über eine hohe Arbeitsbelastung. Laut Arbeiterkammer (AK) müssen fast 423.000 Personen auf Arbeitssuche betreut werden, über 452.000 in Kurzarbeit abgerechnet werden, zudem soll eine Qualifizierungsoffensive für 100.000 Personen abgewickelt werden. All das soll das AMS übernehmen. „Die Politik muss nun dringend dafür sorgen, dass diese wichtigen Aufgaben auch bewältigt werden können – mit ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen“, forderte AK-Präsidentin Renate Anderl.

Zuletzt stand beim AMS, dessen Betriebsrat mindestens 652 Vollzeitstellen mehr fordert, auch eine Streikdrohung im Raum. „Unsere Mitarbeiter haben sich erwartet aufgrund der parlamentarischen Entschließung ab Anfang April, dass das Personal kräftig aufgestockt wird im Zuge der Corona-Krise. Diese Erwartungshaltung hat sich bis jetzt nicht erfüllt“, sagte am Dienstag AMS-Vorstand Herbert Buchinger zu Ö1.

„Wir weisen vonseiten des Vorstands und der Geschäftsführung darauf hin, dass die volle Umsetzung dieses ehrgeizigen Qualifizierungsprogramms wahrscheinlich mit dem bestehenden Personal nicht vollständig gelingen wird. Und wir würden uns freuen, wenn das Arbeitsmarktservice mehr Personal bekommt“, so Buchinger. Es gebe Unterstützung vom Arbeitsministerium, aber keine Einigung mit dem Finanzministerium, so Buchinger. Ministerin Aschbacher sagte dazu, sie sei mit dem Vorstand im Austausch, es gebe „konstruktive Gespräche“. Zudem verwies sie auf die nächste AMS-Verwaltungsratssitzung Mitte September.