Demonstranten vor dem Außenministerium in Ulaanbaatar
APA/AFP/Byambasuren Byamba-Ochir
Mandarin für Mongolen

China forciert Sprachänderung

Die chinesische Regierung hat zum Schulbeginn in der Volksrepublik Schritte ergriffen, um mehr Einfluss in der autonomen Region der Inneren Mongolei zu erlangen. Dort soll nun viel weniger auf Mongolisch unterrichtet werden, dafür in Mandarin (Hochchinesisch), der Hauptsprache Chinas. Dagegen protestiert die mongolische Minderheit in China, sie sieht eine Bedrohung ihrer kulturellen Identität.

Protest gegen die kommunistische Zentralregierung kommt in der Volksrepublik nur selten vor und wenn, dann währt er üblicherweise nicht lange. Massen von Schülerinnen und Schülern sowie Eltern protestierten allerdings bereits seit dem Wochenende gegen die Veränderungen im Schulsystem.

„Unsere Sprache ist Mongolisch, und unser Heimatland ist die Mongolei für immer! Unsere Muttersprache ist Mongolisch, und wir werden für unsere Muttersprache sterben“, skandierten Demonstrierende bei einem der jüngsten Proteste, wie Radio Free Asia berichtete, ein von der US-Regierung finanzierter Sender.

Demonstranten vor dem Außenministerium in Ulaanbaatar
APA/AFP/Byambasuren Byamba-Ochir
Menschen protestierten auch in der Hauptstadt der Mongolei, Ulan-Bator, gegen die Zentralregierung in China

Die neuen Regeln sehen vor, dass drei Kernfächer in der Inneren Mongolei nach und nach in Hochchinesisch bzw. Mandarin, der offiziellen Sprache Chinas, unterrichtet werden sollen.

Hochchinesisch vs. Mandarin

Hochchinesisch ist die Standardsprache in China und Amtssprache. Sie basiert auf dem Peking-Dialekt des Mandarin. Die Bezeichnung Mandarin für die chinesische Sprache ist in älteren deutschsprachigen Publikationen gebräuchlich und wird unter dem Einfluss des Englischen auch heute wieder häufiger genutzt.

Diese Fächer sind Politik, Geschichte und Sprache sowie Literatur. Dagegen gibt es neben den Protesten auch Petitionen, die auf chinesischen Social-Media-Plattformen geteilt wurden. Die Behörden warnten die Menschen in der Inneren Mongolei allerdings davor, sich in Sozialen Netzwerken zu äußern. Beiträge zu diesem Thema auf Weibo, Chinas twitterähnlicher Plattform, wurden entfernt.

Polizei versperrte Zugang zu Internat

Das Southern Mongolian Human Rights Information Center, eine in New York ansässige Aktivistengruppe, berichtete von Protesten in der gesamten Region. Viele Eltern hätten erst von der politischen Änderung erfahren, als die Schulen wieder geöffnet werden sollten. Zu tumultartigen Szenen sei es auch in einem Internat gekommen, da Eltern gefordert hätten, die Kinder von dort abreisen zu lassen.

„Hunderte von Bereitschaftspolizisten strömten an den Ort des Geschehens und hinderten die Eltern am Zugang zu den Schlafsälen der Schule. Nach stundenlangen Rangeleien durchbrachen die Eltern schließlich die Polizeibarrikade und holten ihre Kinder ab“, so die NGO-Gruppe in einer Erklärung.

Verdrängung der mongolischen Sprache befürchtet

Am Dienstag teilten Beschäftigte einer Schule im Bezirk Naiman der BBC mit, dass sich nur etwa 40 statt der üblichen 1.000 Schülerinnen und Schüler für das Semester angemeldet hätten. Einige weitere hätten sich dann angeschlossen, und es seien bloß zehn Schülerinnen und Schüler übrig geblieben.

Autonome Region Innere Mongolei in China

Die Schule sagte laut BBC, Lehrerinnen und Lehrer wurden anschließend zu Familienbesuchen ausgesandt, um die Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder wieder in die Schule zu schicken. Die Eltern seien jedoch besorgt, die Sprachänderung verdränge die mongolische Sprache noch mehr. Ein 32-jähriger Hirte sagte der AFP, er sei besorgt, dass die Kinder ihre Muttersprache nicht mehr fließend sprechen könnten. „Fast jeder Mongole in der Inneren Mongolei ist gegen den überarbeiteten Lehrplan“, sagte der Mann, der seinen Familiennamen Hu nannte.

Exiloppositioneller: „Kultureller Völkermord“

In einer am Freitag veröffentlichten Erklärung verwies die Regionalbehörde in der Inneren Mongolei in einer offensichtlichen Reaktion auf die wachsende Unzufriedenheit über diese Politik auf die Bedeutung der „Stärkung der nationalen Sprachausbildung in ethnischen Gebieten“. Die neue Richtlinie führte aber vielmehr auch dazu, dass sogar Menschen in Ulan-Bator, der Hauptstadt des benachbarten Staates Mongolei, auf die Straße gingen.

Im Gespräch mit der BBC beschuldigte Temtsiltu Shobtsood, Vorsitzender der Innermongolischen Volkspartei, China, die mongolische Sprache „unterdrücken zu wollen“. Shobtsood befindet sich seit 1993 im politischen Asyl in Deutschland. „Die ganze Welt spricht über die Menschenrechte, aber wir sind nicht sichtbar genug“, sagte er und fügte hinzu, dass die Auferlegung des Mandarin und der mehrheitlich han-chinesischen Kultur an die Minderheiten in der Inneren Mongolei eine Form des „kulturellen Völkermords“ sei.

Kritikerinnen und Kritiker sind der Meinung, die chinesische Regierung setze ihren Vorstoß zur Assimilierung von Minderheiten nun weiter fort. Auch andere Minderheitengruppen, allen voran die muslimischen Uiguren im westlichen Xinjiang, werden systematisch von der Zentralregierung in Peking unterdrückt, benachteiligt, überwacht und in Umerziehungslager gesteckt.