Schüler
ORF.at/Carina Kainz
Mit Ampel und Maske

Schulbeginn als praktische Herausforderung

Montagfrüh haben sich für Schülerinnen und Schüler in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland die Schulklassen geöffnet. Für die Kinder und Jugendlichen wird es ein besonderer Start ins Schuljahr, auch wenn es nur wenig Abweichung vom üblichen Betrieb geben soll, so ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann. Ein Überblick.

Hände waschen, Lüften, Abstand halten und Hustenhygiene: Diese Standards werden alle Schülerinnen und Schüler einhalten müssen, sie sind das Grundrepertoire aller Bildungseinrichtungen im Land. Prominent kommen diese Mindestregeln daher auch im vom Bildungsministerium Mitte August veröffentlichten Konzept „Schule im Herbst 2020“ vor. Darin sind viele Handlungsanweisungen und Empfehlungen sowie die Konsequenzen aus der erst am Freitag vorgestellten Coronavirus-Ampel.

Das Ministerium empfiehlt, in den Klassen fixe Intervalle für das Lüften, etwa alle zwanzig Minuten auch während des Unterrichts, festzulegen. Die Schülerinnen und Schüler seien am Beginn des Schuljahres über die Hygienebestimmungen zu informieren und zu sensibilisieren. Lüften ist aber durch schlechte Ausstattung bzw. strenge Sicherheitsvorkehrungen oft unmöglich.

Peter Tappler, federführender Sachverständiger des Arbeitskreises Innenraumluft im Umweltministerium, empfahl den Schulen dringend, zumindest alle – meist aus Sicherheitsgründen – versperrten Fenster zu entsperren. „Es muss beim Lüften halt jemand bei dem Fenster stehen und aufpassen, dass nichts passiert“, so Tappler.

Maske außerhalb der Klasse

Bei vielen Maßnahmen werden sich Schüler, Eltern und Lehrer aber an der neuen Ampel orientieren müssen. So sind bei der ersten Schaltung der Ampel die Städte Wien, Graz und Linz sowie der Bezirk Kufstein auf Gelb geschaltet („mittleres Risiko“). In Wien müssen daher Schülerinnen und Schüler, aber auch Lehrpersonal, Eltern und weitere Personen im Eingangsbereich und in den Gängen der Schule Maske tragen – im Unterricht selbst aber nicht.

Gelb bedeutet auch, dass schulfremde Personen im gesamten Schulgebäude eine Maske tragen sollen. Sport soll grundsätzlich nur im Freien ausgeübt werden, für die Turnhallen gibt es Auflagen wie kleine Gruppen, Belüftung und kurze Kontaktzeiten bei Übungen. Gesungen wird nur im Freien oder mit Mund-Nasen-Schutz. Ab der AHS-Unterstufe bzw. Mittelschule wird im Fall der Schließung einzelner Klassen der Unterricht in diesen auf Distance-Learning umgestellt und es werden eventuell Leihgeräte ausgegeben. Faßmann kündigte überdies eine eigene Coronavirus-Hotline unter der Nummer 0800/21 65 95 an.

Faßmann hält Ausnahmen von Ampel für möglich

Faßmann kann sich Ausnahmen an den Schulen von der Ampelschaltung in einzelnen Bezirken aber durchaus vorstellen. Wenn es in einem Teil des Bezirks gar keine Fälle gebe, „darauf kann man eingehen“, sagte er in der ZIB2 am Sonntag. Als Beispiel nannte er das Alpbachtal, das im gelb geschalteten Bezirk Kufstein liegt, aber keinen aktuellen Fall aufweist. Faßmann liegt damit durchaus auf einer Linie mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der am Wochenende ebenfalls eine weitere regionale Differenzierung nicht ausgeschlossen hatte.

Bildungsminister Faßmann zum Schulbeginn in CoV-Zeiten

Am Montag hat in Ostösterreich die Schule begonnen. In Wien etwa gilt auf der Coronavirus-Ampel Stufe Gelb – die Kinder und Jugendlichen müssen also zumindest auf den Gängen Masken tragen. Es gelten aber auch andere Vorsichtsmaßnahmen. In der ZIB2 war dazu Bildungsminister Heinz Faßmann zu Gast im Studio.

Im Fall des Verdachts

Sollte bei einem Kind in der Schule Fieber auftreten, soll es zunächst in einen gesonderten Raum gebracht und die Gesundheitsbehörde verständigt werden. Mitschüler und Lehrer, die an diesem Tag Kontakt hatten, werden nur dann nach Hause in Quarantäne geschickt, wenn sich der Verdachtsfall bestätigt.

Laut Ministerium soll jede Form einer akuten respiratorischen Infektion (mit oder ohne Fieber) mit mindestens einem der folgenden Symptome, für das es keine andere plausible Ursache gibt, zum Fernbleiben führen: Husten, Halsschmerzen, Kurzatmigkeit, Katarrh der oberen Atemwege, plötzlicher Verlust von Geschmacks- oder Geruchssinn. Kommen mehrere Symptome zusammen, sei eine weitere Abklärung nötig, etwa über die Hotline 1450.

Grafik zur CoV-Ampel in Schulen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Unterrichtsministerium

Keine großflächigen Schließungen

Im Zweifelsfall soll ein Kind zu Hause bleiben, hieß es in einem Brief von Faßmann und Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Mittwoch. „Sie als Eltern und Erziehungsberechtigte kennen Ihr Kind/Ihre Kinder am besten und können einen wichtigen Beitrag dafür leisten, die Ausbreitung von infektiösen Erkrankungen zu verhindern“, so die Minister. Ihnen sei bewusst, dass die Entscheidung, das Kind wegen derartiger Symptome daheim zu lassen, berufstätige Eltern vor Probleme stelle.

Dass ganze Bezirke schulfrei gestellt werden, wie es vor dem Sommer in Oberösterreich der Fall war, soll nicht mehr vorkommen. Einzelne Schulen könnten jedoch sehr wohl geschlossen werden, nämlich wenn sich Infektionsfälle nicht identifizieren und isolieren ließen. Es solle nicht jeder Schnupfen zur Schulschließung führen.

Schichtsystem und Fernunterricht möglich

Im Unterricht wird die Einführung eines Schichtsystems möglich sein. Es führe zur Halbierung der Schülerzahl an den Schulen, Abstand sei leichter einzuhalten. Das Schichtsystem habe aber „zur Verlangsamung des Lerntempos geführt und sowohl die Schule als auch die Eltern vor erhebliche Organisationsprobleme gestellt“, so das Ministerium.

Im Falle steigender Infektionszahlen bleibe das System dennoch eine Option, um einen strukturierten Unterricht zu gewährleisten. Sollte es tatsächlich zur Anwendung kommen, soll es dieses Mal „flächendeckend einheitlich sein, um sicherzustellen, dass für Geschwisterkinder in unterschiedlichen Schulen bzw. für Kinder, die in ein und demselben Haushalt leben, abgestimmte Lösungen gefunden werden“.

In einzelnen Klassen, Schulen oder Regionen ist auch mit einer zeitweisen Umstellung auf Fernunterricht zu rechnen. Ist das der Fall, sollen die Schulen die Stundenpläne so gut wie möglich einhalten, empfiehlt das Bildungsministerium. Damit soll den Schülern selbst im Lockdown so viel schulische Struktur wie möglich geboten werden, heißt es.

Materialien im Netz

Mit dem neuen Schuljahr soll außerdem das Portal „Digitale Schule“ starten, zunächst für die Bundes- und ab Herbst 2021 auch für Pflichtschulen (v. a. Volks- und Mittelschulen). Auf der neuen Plattform sollen mit einem Login alle wichtigen Verwaltungs- und pädagogischen Anwendungen (digitale Notenverwaltung, Kommunikation, Klassenbuch, Lernplattformen etc.) zugänglich sein.

Verbesserungen sind auch bei der Eduthek angekündigt: Auf diesem Portal werden von erfahrenen Pädagogen qualitätsgeprüfte Übungsmaterialien für alle Schularten und Unterrichtsgegenstände angeboten. Im nächsten Ausbauschritt sollen die Materialien nach den Lehrplänen ausgerichtet und so für Lehrer besser auffindbar werden. Außerdem soll es künftig ein Gütesiegel für Lern-Apps geben, mit dem diese Anwendungen für den Einsatz im Fernunterricht oder Blended Learning (Mischung von Präsenz- und Onlineunterricht) zertifiziert werden.

Tests per Gurgelmethode

Alle drei Wochen sollen im Rahmen eines Monitorings in Zusammenarbeit mit mehreren Universitäten 15.000 Schüler und 1.200 Lehrer an 250 Schulen über ganz Österreich verteilt getestet werden. Bei der Probennahme wird die Gurgelmethode zum Einsatz kommen. Das funktioniere auch bei Erstklässlern problemlos und sei genauso treffsicher wie die PCR-Tests via Nasen- oder Rachenabstrich. Die Proben werden dann von Medizinlogistikunternehmen zur Auswertung in die Medizinunis Wien, Graz und Innsbruck bzw. die medizinische Fakultät der Uni Linz gebracht.

Dort werden dann angesichts des bisher an Schulen nur sehr geringen Infektionsgeschehens jeweils zehn Proben zu einem Pool zusammengefasst. Erst wenn diese Poolprobe positiv ausfällt, werden die einzelnen Proben noch einmal analysiert, um den konkreten infizierten Schüler oder Lehrer zu identifizieren. Innerhalb von 24 Stunden sollten dann die Ergebnisse vorliegen, bei einem positiven Testergebnis werden die Gesundheitsbehörden informiert.

Klasse als „Haushaltsgemeinschaft“

Die Klassen sollen nach Möglichkeit als „Haushaltsgemeinschaft“ gedacht werden, so das Ministerium weiter. Klassenübergreifende Gruppen sollen im Unterricht und in den Pausen vermieden werden, jede Schule soll ein Pausenkonzept haben. „Benachbarte Klassen müssen beispielsweise nicht gleichzeitig auf den Gang gehen“, so eine Empfehlung. „Im Hof- oder Außenbereich können auch Flächen eingeteilt werden, die von den einzelnen Klassen mehr oder minder exklusiv genützt werden.“

Das Ministerium pocht im Leitfaden darauf, die Kinder und Jugendlichen auch psychologisch aufzufangen. Mit Schulbeginn kehre „ein Stück Normalität in den Alltag“ zurück. Während manche vom Distance-Learning profitiert hätten, blieben andere weiter zurück. Dazu kämen Ängste und Unsicherheiten. „In den ersten Schulwochen ist es daher bedeutsam, den Schülerinnen und Schülern das Gefühl von Sicherheit und Halt zu vermitteln und den Wiedereinstieg in den Unterricht in diesem Schuljahr besonders umsichtig mit gezielten pädagogischen Maßnahmen zu begleiten“, heißt es da.

Kritik an Praxistauglichkeit

Am Konzept von Minister Faßmann gab es herbe Kritik. Die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) in der Pflichtschullehrergewerkschaft hatte die Pläne als „praxisuntauglich“ kritisiert. Probleme erwarteten sie etwa beim Einhalten von Abstandsregeln in baulich beengten Räumen oder beim Identifizieren von Verdachtsfällen. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Thomas Szekeres, sprach sich dafür aus, in der Schule sehr wohl das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes vorzuschreiben – zumindest für Kinder ab zwölf Jahren, das sei zumutbar.

Rechtsanspruch für Eltern

Für Eltern, die zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben müssen, wurde die Sonderurlaubsregelung bis Ende Februar 2021 verlängert. Rechtsanspruch gibt es allerdings nicht. Kritik wurde laut, weil die Sonderbetreuungszeit von der Regierung beworben wurde, bei der man den Arbeitgeber um Zustimmung bitten muss.

Der Arbeitsrechtler Martin Gruber-Risak kritisierte, es gebe zusätzlich längst einen Rechtsanspruch für Eltern, bezahlt zu Hause zu bleiben. Wer aus „sonstigen persönlichen Gründen“ verhindert sei, und dazu gehöre auch die Kinderbetreuung aufgrund einer gesetzlichen Betreuungspflicht, habe einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung – und das auch mehrmals pro Jahr. Zusätzlich gebe es auch noch die Pflegefreistellung. Auch SPÖ, Arbeiterkammer und ÖGB kritisierten die Regierungsmitglieder dafür, darauf nicht aufmerksam gemacht zu haben.