Grünen-Klubchefin Sigi Maurer, Justizministerin Alma Zadic (G), Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)  und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) im Rahmen einer Pressekonferenz
APA/Roland Schlager
Gesetzespaket

Hass im Netz und „Upskirting“ im Visier

Unter „Hass im Netz“ firmiert das am Donnerstag von der Regierung präsentierte Gesetzespaket. Es soll die Handhabe gegen hetzerische und beleidigende Inhalte im Internet vereinfachen und beschleunigen sowie Kommunikationsplattformen stärker in die Pflicht nehmen. Außerdem wird das Strafrecht nachgeschärft – „Upskirting“ etwa kann mit Haftstrafen sanktioniert werden.

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch hier gilt unser Rechtsstaat“, leitete Justizministerin Alma Zadic (Grüne) die Präsentation des Gesetzespakets ein. Eigentlich war das von Zadic und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) federführend verhandelte Paket schon für Juli erwartet worden. Zuletzt habe es sich noch an legistischen Kleinigkeiten gespießt, hieß es.

Kernpunkt des Pakets ist, dass Hasspostings künftig leichter geahndet werden können und betroffene Userinnen und User sich rasch, kostengünstig und niederschwellig wehren können. Der Verhetzungstatbestand soll verschärft und Cybermobbing auch dann strafbar werden, wenn beleidigendes Bildmaterial nur einmal hochgeladen wird. Für das unbefugte Fotografieren des Intimbereichs – „Upskirting“ – soll künftig bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe drohen, wie Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte.

Nachgeschärft wird auch der Tatbestand „Verhetzung“: Derzeit ist nur die Hetze gegen ganze Personengruppen strafbar. Künftig wird auch bestraft, wer gegen Einzelpersonen hetzt, weil sie einer gewissen Religionsgemeinschaft oder Ethnie angehören (das konnte bisher nur als Beleidigung geahndet werden).

Neues Schnellverfahren gegen Hass im Netz

Hasspostings sollen künftig leichter geahndet werden, betroffene User sich rasch, kostengünstig und niederschwellig wehren können. Das ist das Ziel des Gesetzespakets gegen Hass im Netz, das Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) präsentierten.

„Meilenstein“ für Frauen

Mit dem Paket sollen Opfer von Bedrohungen, Herabwürdigung bzw. bloßstellender Foto- und Filmaufnahmen in Onlineforen bestärkt werden, sich zur Wehr zu setzen, sagte Raab. Für Frauen sei das „ein Meilenstein“ – vor allem für junge Mädchen. Denn zwei Drittel aller 18- bis 23-jährigen Frauen seien Opfer von „Hass im Netz“-Delikten, Mädchen widerfahre das dreimal häufiger als Burschen. Auch Zadic sieht Frauen als Hauptgruppe: „Viele, viele junge Frauen, die online politisch aktiv sind“, sollen sich künftig rasch, niedrigschwellig und ohne allzu große Kosten gegen „wüste“ Beleidigung, Beschimpfung oder Bloßstellung in Onlineforen zur Wehr setzen können.

Der „Entwurf eines Bundesgesetzes über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen (Kommunikationsplattformen-Gesetz – KoPl-G)“ ging bereits am Mittwoch auf der Website der EU-Kommission online – was auf Twitter für rege Diskussionen sorgte.

Plattformen werden zur Verantwortung gezogen

Das jetzt in die – laut Edtstadler lange – Begutachtung gehende Paket bringt eine neue Plattformverantwortlichkeit für große Onlineforen (ausgenommen Enzyklopädien wie Wikipedia, Handelsportale und Medienforen). Mit einem neuen – und in den ersten drei Jahren kostenfreien – Schnellverfahren können Betroffene rasch die Löschung beleidigender oder übergriffiger Forenbeiträge erreichen. Nach drei Jahren soll evaluiert und über die künftigen Kosten entschieden werden. Außerdem wird die Prozessbegleitung durch Opferorganisationen angeboten.

Plattformen mit mehr als 100.000 Nutzern und einem Umsatz von über 500.000 Euro müssen künftig ein Meldeformular zur Verfügung stellen, mit dem man strafbare Hassreden melden kann. Die Betreiber der Seiten sind dann verpflichtet, binnen 24 Stunden gemeldete Verstöße zu prüfen und, sofern das Gesetz zutrifft, gegebenenfalls zu sperren. Ist ein Posting offensichtlich rechtswidrig, muss es „unverzüglich“ gelöscht werden.

Präsentation des Gesetzespakets gegen Hass im Netz

Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sigrid Maurer (Klubobfrau der Grünen) präsentierten das Gesetzespaket gegen Hass im Netz.

Löschpraxis muss transparent sein

Sollte die Rechtswidrigkeit erst nach einer detaillierten Prüfung festgestellt werden, haben die Seitenbetreiber sieben Tage (ab dem Eingang der Meldung) Zeit, um tätig zu werden. Verwehren Plattformen systematisch die Zusammenarbeit, drohen ihnen Strafen bis zu zehn Millionen Euro. Sollte eine Onlineplattform keinen Sitz in Österreich haben, will man die Strafen eintreiben, indem Zahlungen österreichischer Firmen an die Plattform „abgefangen“ werden (also z. B. die Zahlungen von Werbekunden an das Unternehmen). Möglich sind auch Geldstrafen gegen die von den Firmen nominierten Kontaktpersonen der Behörden (bis zu 50.000 Euro).

Umgekehrt ist laut Edtstadler auch ein Schutz gegen „Overblocking“ vorgesehen, dass also Plattformen aufgrund mangelhafter Vorgaben zu viele und intransparente Löschungen vornehmen. Userinnen und Usern wird das Recht eingeräumt, eine Überprüfung anzufordern, wenn sie der Meinung sind, dass Kommentare oder Postings zu Unrecht gelöscht wurden. Viermal im Jahr müssen die Plattformen Berichte über ihre Löschpraxis erstatten.

Sigi Maurer (Grüne), Justizministerin Alma Zadic und Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler bei einer Pressekonferenz
APA/Roland Schlager
Laut Edtstadler soll die Begutachtung des Gesetzespakets „lange“ ausfallen

Die ebenfalls anwesende grüne Klubchefin Sigrid Maurer sprach von einem „kleinen Endpunkt eines langen Kampfes“ – für sich selbst, aber auch für viele andere Frauen, die sich lange mit dem Thema beschäftigt haben. Maurer ist ja bekanntlich selbst Betroffene, ihre (wie sie sagte) „leidige Geschichte mit dem Bierwirt“ geht demnächst in Fortsetzung. Bisher seien die Möglichkeiten, sich zu wehren, sehr beschränkt gewesen, so Maurer – für viele Betroffene auch durch die Tatsache, dass eine Unterlassungsklage 10.000 Euro oder mehr kosten könne.

Opposition überwiegend skeptisch

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und die Beratungsstelle ZARA begrüßten das Gesetzespaket, pochten aber auf die Wahrung der Meinungsfreiheit. Die Freude bei der Opposition hielt sich dagegen in Grenzen: SPÖ und FPÖ kritisierten, dass die Verantwortung zur Löschung von beanstandeten Inhalten letztlich wieder bei den großen Onlinekonzernen liege. NEOS begrüßte das Gesetz grundsätzlich, vermisste aber die Zielgenauigkeit.

Skeptisch zeigte sich auch die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works: „Mit der Schrotflinte auf Google gezielt und dabei das halbe Internet erwischt“. Die Expertinnen und Experten kritisierten, dass kleinere Plattformen von den neuen Verpflichtungen ebenso betroffen seien, ohne Ausnahmen. Bei der Inhaltemoderation der globalen Internetkonzerne wie Google, Facebook und TikTok gebe es außerdem grobe Mängel. Für sehr problematisch hält epicenter.works auch die Strafbestimmungen des neuen Gesetzes.