Silvio Berlusconi
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1936–2023

Silvio Berlusconi ist tot

Der bekannteste und wohl umstrittenste Politiker Italiens der vergangenen Jahrzehnte, Silvio Berlusconi, ist tot. Er verstarb am Montag im Alter von 86 Jahren in der Mailänder San-Raffaele-Klinik, wie ein Sprecher des Ex-Regierungschefs bestätigte. Berlusconi, der an Leukämie litt, war erst am Freitag ins Spital eingeliefert worden. Sein Leben glich einer Achterbahnfahrt im Rampenlicht: voller Höhenflüge und tiefer Krisen.

Noch am Montag hatte er Medienberichten zufolge Besuch von seinen Töchtern Marina und Eleonora. Erst am 19. Mai war Berlusconi nach 45 Tagen Aufenthalt aus dem Krankenhaus entlassen worden, in dem er wegen einer Lungeninfektion behandelt worden war. Er hatte zwölf Tage auf der Intensivstation verbracht. Berlusconis Leichnam soll Medienberichten zufolge in seiner Residenz in Arcore aufgebahrt werden. Der Verstorbene bekommt ein Staatsbegräbnis im Dom von Mailand, das am Mittwoch stattfinden soll.

Hunderte Journalisten vor Klinik

Die Programme von Berlusconis TV-Kanälen wurden unterbrochen, um den Tod des Medientycoons bekanntzugeben. Hunderte Journalistinnen und Journalisten, TV-Teams und Fans des Medienzaren versammelten sich vor der Klinik. Politikerinnen und Politiker aus allen Lagern kondolierten der Familie.

Berlusconi in Mailänder Spital gestorben

Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist tot. Der Politiker und Medienunternehmer starb im Alter von 86 Jahren in der Mailänder San-Raffaele-Klinik, wie ein Sprecher des Ex-Regierungschefs bestätigte.

„Mit Berlusconi hat Italien gelernt, dass es sich niemals Grenzen auferlegen lassen darf. Es lernte, dass es niemals aufgeben darf“, so die postfaschistische Ministerpräsidentin Georgia Meloni, die Berlusconi außerdem als „entschlossenen Kämpfer“ bezeichnete. „Mit ihm haben wir viele Schlachten geschlagen, gewonnen und verloren. Und auch für ihn werden wir die Ziele, die wir uns gemeinsam gesetzt haben, erreichen. Auf Wiedersehen, Silvio.“

Italiens Staatschef Sergio Mattarella würdigte den verstorbenen Ex-Ministerpräsidenten als „großen politischen Anführer“. Berlusconi habe „die Geschichte unserer Republik geprägt“, so Mattarella in einer Erklärung. Er beschrieb Berlusconi als „Person von großer Menschlichkeit und Erfolgsunternehmer“.

„Lebe wohl, Silvio“

„Wir verlieren einen großen Italiener“, sagte der Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega, Matteo Salvini. „Ich habe ihn sehr geliebt. Lebe wohl, Silvio“, schrieb der italienische Verteidigungsminister Guido Crosetto auf Twitter. Sein Ableben sei ein großer Schmerz.

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Silvio Berlusconi
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Mit seinem politischen Lebensprojekt, der Forza Italia, feierte Berlusconi große politische Erfolge (Bild von 2006)
Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Wolfgang Schuessel mit dem italienischen Premierminister Silvio Berlusconi
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Berlusconi war im Ausland oft gefürchtet. Mit dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) verstand er sich gut (Bild von 2001).
Silvio Berlusconi und Papst Johannes Paul II
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Zur Kirche hatte Berlusconi ein ambivalentes Verhältnis: Er selbst war gläubig, ging in ein Salesianer-Gymnasium in Mailand. Wegen seiner Politik wurde er aber von der Kirche auch öffentlich kritisiert.
Muammar al-Gaddafi und Silvio Berlusconi
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Berlusconi machte Politik auch durch Männerfreundschaften, etwa zum langjährigen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi. Ihn ehrte Berlusconi 2010 mit einem Handkuss.
Veronica Lario mit Ehemann Silvio Berlusconi
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In die Schlagzeilen geriet Berlusconi über Jahrzehnte hinweg mit privaten Skandalen. Seine zweite Ehefrau, Veronica Lario, beendete nach 20 Jahren die Ehe zu Berlusconi und bezeichnete ihn öffentlich als „krank“ (Bild von 1991).
Karima el-Mahroug
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Die medienwirksamste Affäre drehte sich um Ruby Rubacuori, eine marokkanische Nachtclubtänzerin mit dem bürgerlichen Namen Karima el-Marough. Sie wurde 2011 auf den Wiener Opernball eingeladen.
„Mieglio una canzone“ von Silvio Berlusconi
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Berlusconi war vielseitig. Groß wurde er als Bauunternehmer, Medienmogul und Politiker. Er ging aber auch seiner Passion als Musiker nach: Auf „Meglio una Canzone“ („Besser ein Lied“) wurden seine Lieder, gesungen von Mariano Apicella, herausgebracht.
Silvio Berlusconi
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Wenn auch politisch höchst umstritten und oft unbeliebt bei Gegnern und Kritikerinnen: Italien wird um seinen „Cavaliere“ trauern

Auch die Opposition würdigte Berlusconis Rolle in der Politik. „Wir haben unterschiedliche Welten vertreten, doch wir waren nie Feinde“, sagte der Ex-EU-Kommissionschef Romano Prodi. „Berlusconi hat die Geschichte unseres Landes geschrieben. Sein Tod betrifft uns alle“, so der ehemalige Premier und früherer Chef der Demokratischen Partei (PD), Enrico Letta. Auch Berlusconis Fußballclub AC Monza trauerte um den Medientycoon.

Aus dem Ausland trafen ebenfalls Kondolenzschreiben ein. „Wir kondolieren der Familie und dem italienischen Volk für das Ableben Berlusconis“, sagte der Sprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, bei seinem täglichen Briefing.

Rechtspopulisten kondolieren

Die Chefin der rechtspopulistischen französischen Partei Rassemblement National, Marine Le Pen, schrieb, dass Berlusconi „Italiens politisches Leben zutiefst geprägt hat“. „Er war ein untypischer Politiker mit einem außerordentlichen Leben“, kommentierte Le Pen. „Vorbei ist der große Kämpfer“, twitterte Ungarns rechtspopulistischer Ministerpräsident Viktor Orban mit einem Foto.

Der Kreml trauert ebenfalls. „Für mich war Silvio ein teurer Mensch, ein echter Freund“, schrieb Russlands Präsident Wladimir Putin in seinem Beileidstelegramm an Mattarella. Er habe stets die Weitsicht und die ausgewogenen Entscheidungen Berlusconis bewundert und sich bei ihren Treffen von Berlusconis Humor und Lebensfreude anstecken lassen. Berlusconis Tod sei ein „unersetzlicher Verlust und ein tiefes Unglück“, hieß es weiter.

Vom Staubsaugervertreter zum Millionär

Berlusconi war ein Stehaufmännchen, politisch wie privat. Beide Sphären spielten sich bei Berlusconi in der Öffentlichkeit ab. Im Laufe seines Lebens baute der Mailänder gleich mehrere Karrieren auf, zu schade war er sich nur für wenig. Der Erfolg schien Berlusconi recht zu geben, auch wenn er auf fragwürdige Methoden zurückgriff.

Berlusconi wurde 1936 in Mailand als Sohn eines Bankangestellten geboren. Er begann seine Laufbahn als Staubsaugervertreter und Conferencier auf Kreuzfahrtschiffen – sein Gesangstalent führte er auch später als Politiker gerne öffentlich vor. Auch über die bescheidenen Verhältnisse seiner Jugendjahre erzählte Berlusconi immer wieder.

Silvio Berlusconi
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Berlusconi sang gerne in der Öffentlichkeit, er brachte auch ein Album heraus

Mit 25 Jahren machte er aber bereits den Doktortitel in Rechtswissenschaften an der Universität Mailand. Im Jahr 1961 stieg er in die Baubranche ein und erwarb mit Bankkrediten in der Peripherie der expandierenden lombardischen Wirtschaftsmetropole Grundstücke, auf denen er Wohnsiedlungen errichtete.

MFE-Aktie legt zu

Getrieben von Ehrgeiz wurde Berlusconi parallel dazu in den 70er Jahren in der Medienbranche aktiv. Nach und nach baute er sich ein Netz von privaten TV-Sendern auf, das bald mit Abstand zum größten seiner Art in Europa wurde. Die Mediengruppe MediaForEurope (MFE), früher Mediaset, ist seit einigen Jahren Großaktionärin beim deutschen TV-Konzern ProSiebenSat.1 und wird von Berlusconis Familie geführt. Die MFE-Aktie legte am Montag um gut acht Prozent zu.

Dass Berlusconi bei seinen Verstrickungen mit der italienischen Medienlandschaft von zwielichtigen Freundschaften in Politik und Finanzwelt profitiert habe, warf man ihm immer wieder vor, ebenso wie seine Mitgliedschaft in der Freimaurerloge Propaganda Due (P2), in der mächtige Personen ihren Einfluss bündelten, um ihre Interessen zwischen Politik und Mafia voranzutreiben. Die P2 wurde 1982 verboten.

Käufer des AC Milan, Gründer der Forza Italia

In den 80er Jahren stieg Berlusconi schließlich auch ins Fußballgeschäft ein. Er erwarb den krisengeschüttelten Fußballclub AC Milan, den er in wenigen Jahren zu einer der stärksten europäischen Mannschaften machte. Im September 2018 erwarb Berlusconis Finanzholding Fininvest den Fußballclub AC Monza. Bei einer Siegesfeier versprach Berlusconi den Spielern einst „einen Bus voller Prostituierter“.

Der damalige Clubpräsident von AC Milan, Silivio Berlusconi am 17. August 2007, mit Spielern und der Champions-League-Trophäe
AP/Alberto Pellaschiar
Den AC Milan brachte Berlusconi wieder an die Spitze des europäischen Fußballs

Die 1990er Jahre waren für Berlusconi von der Politik geprägt – große Erfolge wechselten sich mit bitteren Niederlagen. Er gründete die konservative Partei Forza Italia, 1994 gewann er die Parlaments- und Europawahlen an der Spitze einer Mitte-rechts-Allianz. Weil das Bündnis nach sieben Monaten in die Brüche ging, wurde Berlusconi erst einmal Oppositionsführer.

Viermal Ministerpräsident

Nach einer siebenjährigen Unterbrechung feierte er bei den Parlamentswahlen im Mai 2001 sein Comeback als Regierungschef. Es folgte eine Wahlniederlage und dann 2008 erneut ein Sieg. 2011 trat Berlusconi zum letzten Mal von seinem Amt als Premier zurück – unfreiwillig. Es folgte aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs ein mehrjähriges, 2018 wieder aufgehobenes Ämterverbot.

2019 trat Berlusconi wieder bei einer Wahl an und holte als meistgewählter italienischer Kandidat ein Mandat im Europaparlament. Bei der Parlamentswahl 2022 schaffte Berlusconi auch die Rückkehr ins italienische Parlament – womit er auch mit weit über 80 ein streitbarer Politiker der Forza Italia blieb. Insgesamt war Berlusconi viermal Ministerpräsident. Seine konservative Forza Italia koaliert aktuell mit der Regierung Melonis. Unklar blieb, wie das politische und geschäftliche Erbe Berlusconi weitergeführt wird.

ORF-Korrespondentin Vospernik über Tod von Berlusconi

ORF-Korrespondentin Cornelia Vospernik berichtet, wie Italien auf Berlusconis Tod reagiert.

Zuletzt erregte der seit Jahren mit Putin befreundete Berlusconi mehrfach mit prorussischen Aussagen zum Ukraine-Krieg internationale Aufmerksamkeit. „Wäre ich noch Ministerpräsident, hätte ich nie mit dem ukrainischen Präsidenten gesprochen“, sagte Berlusconi zum aktuellen von Russland initiierten Krieg in der Ukraine. Damit brachte er die als entschlossene Unterstützerin Kiews auftretende Meloni in Verlegenheit.

Umstrittene Aussagen zu Mussolini

Für negatives Aufsehen sorgte der Politiker mehrmals, etwa als er 2013 den faschistischen Diktator Benito Mussolini verteidigte. Dessen Rassengesetze nannte er einen „schlimmen Fehler“, doch habe er „in vielen Bereichen gute Dinge“ getan, sagte der damalige Ex-Premier Berlusconi ausgerechnet bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocaust in Mailand.

Schon zehn Jahre zuvor hatte Berlusconi in einem Interview gesagt, Mussolini habe niemanden umgebracht. Auch verglich sich der Politiker schon einmal mit dem Diktator im positiven Sinne. Ab 1938 hatte Mussolinis faschistische Regierung eine Reihe von Rassengesetzen erlassen, die Jüdinnen und Juden in Italien diskriminierten und zu ihrer Verfolgung führten.

Skandal reihte sich an Skandal

Abseits seiner politischen Ämter war Berlusconi, der sich als Träger des Verdienstordens Ritter der Arbeit „Cavaliere“ nennen ließ – stets mit der Justiz beschäftigt. Dutzende Male waren ihm und Verbündeten Korruption, Steuerbetrug und illegale Parteienfinanzierung vorgeworfen worden. Die ganze Welt verfolgte etwa den „Ruby“-Prozess gegen Berlusconi – ihm war vorgeworfen worden, mit der damals minderjährigen marokkanischen Nachtklubtänzerin Karima el Marough alias „Ruby Herzensbrecherin“ Sex gehabt zu haben.

Im Zuge der Affäre kamen Detail seiner „Bunga Bunga“-Partys ans Licht, die Berlusconi mit jungen Frauen und befreundeten Politikern wie dem damaligen tschechischen Premier Mirek Topolanek feierte. Berlusconi hatte auch Justizreformen durchgesetzt, mit denen er sich selbst vor Verurteilungen retten konnte – das funktionierte jedoch nicht immer. Die zahlreichen Prozesse rund um „Ruby“ und Vorwürfe, Berlusconi habe Zeuginnen bestechen wollen, zogen sich noch Jahre.

Im Mediaset-Prozess wegen Steuerbetrugs wurde er zudem nicht nur verurteilt, es wurde auch für fünf Jahre aus der italienischen Politik verbannt. Sowohl die Liste an Berlusconis Verurteilungen als auch die seiner Freisprüche ist lang. Es gab ebenso zahlreiche eingestellte Verfahren und Verjährungen.

Rosenkrieg vor Kameras

Auch im Eheleben Berlusconis ging es turbulent zu. Der Medienzar war zweimal verheiratet und hatte fünf erwachsene Kinder. 1965 heiratete er Carla Elvira Lucia Dall’Oglio, zwei Kinder entstammten dieser Ehe. 1990 ehelichte Berlusconi die Schauspielerin Veronica Lario, mit der er zwanzig Jahre lang zusammen war. Was folgte, war ein schmutziger Ehekrieg, der auch durch die „Ruby“-Affäre angefacht wurde. Lario bezeichnete ihren Noch-Ehemann als „krank“, er „frequentiere Minderjährige“.

Veronica Lario mit Ehemann Silvio Berlusconi
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Lario war zwei Jahrzehnte mit Berlusconi verheiratet. Die Ehe endete in einem Rosenkrieg.

2010 einigte sich Berlusconi mit Lario auf eine millionenschwere Unterhaltsregelung. Acht Jahre lang war Berlusconi mit dem Showgirl Francesca Pascale liiert und vorübergehend auch verlobt. Die Trennung soll ihn 20 Millionen Euro gekostet haben. Berlusconi fand schnell Trost: 2020 ging der damals 83-Jährige eine Beziehung mit der Abgeordneten Marta Fascina ein, damals 30 Jahre alt.

Dass Berlusconi ein Stehaufmännchen war, zeigte er immer wieder. Im Pandemiejahr 2020 infizierte er sich im Cluster des ehemaligen Formel-1-Managers Flavio Briatore auf Sardinien mit dem Coronavirus. Die Folge waren eine Lungenentzündung und Sauerstofftherapie. Die Erkrankung zog sich über längere Zeit und ging mit Komplikationen einher. Bereits 1997 wurde er wegen eines Tumors an der Prostata operiert. Risikopatient Berlusconi, der seit 2016 mit einer künstlichen Herzklappe lebte, überstand die Infektion schließlich. 2022 wurde er wegen einer Harnwegsinfektion stationär behandelt.

Berlusconis Vermächtnis

Berlusconi prägte Italien wie nur wenige Staatsmänner in der Geschichte des Landes, auch wenn Kritiker meinen, es sei nicht immer zum Guten gewesen. Er prägte den politischen Kampfbegriff des „Berlusconismus“, fiel mit sexistischen Aussagen auf, beleidigte Politiker anderer Lager und Nationen. Für den früheren Regierungschef Mario Monti war Berlusconi der „Vater aller Populisten“, er selbst nannte sich einmal „Jesus Christus der Politik“.

Zahlreiche Skandale, Affären, Urteile und auch seine Schönheitsoperationen waren regelmäßig Thema im italienischen Boulevard. Unter Berlusconis Einfluss machten auch die Medien im Land eine Abwärtsentwicklung mit. Seine TV-Sender machten leicht bekleidete Frauen zum Nachmittagsunterhaltungsprogramm. Berlusconis Beliebtheit in Italien aber konnte kaum etwas schaden. Er blieb bis zum Schluss der „Cavaliere“.

Obwohl er im vergangenen Jahr in den Senat gewählt worden war, war Berlusconi seither nur noch selten in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Er hinterlässt seine 33-jährige Lebenspartnerin Marta Fascina, zwei geschiedene Ehefrauen und fünf Kinder.