Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz.
APA/Georg Hochmuth
Streit über CoV-Ampel

Kurz sieht Umsetzbarkeit von Maßnahmen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat im Streit über die CoV-Ampel zu kalmieren versucht und betont, dass eine Gelb-Schaltung keine Schuldzuweisung sei. Gleichzeitig geht er davon aus, dass sowohl die erweiterte Maskenpflicht etwa im Handel als auch zahlenmäßige Einschränkungen bei Veranstaltungen schon jetzt umsetzbar seien.

In einer schriftlichen Stellungnahme äußerte Kurz am Sonntag Verständnis für die schwierige Situation der von „Gelb“ betroffenen Städte und Bezirke. Es sei aber vernünftig, die Ampel als das zu sehen, was sie sei. „Ein Präventionsinstrument und keine Schuldzuweisung“, so Kurz. Er betonte in der Stellungnahme den Zugang der Bundesregierung: „Es braucht neben bundesweiten Maßnahmen und Empfehlungen speziell dort, wo das Risiko größer ist, verschärfte Maßnahmen.“ Das bedeute im Umkehrschluss, dass die Menschen nur dort, wo es notwendig sei, zu schärferen Maßnahmen verpflichtet werden.

Betont wird vom Kanzler, dass die Verschärfungen in den gelben Regionen – also Wien, Linz, Graz und dem Bezirk Kufstein – auch umsetzbar sein werden. Die gesetzliche Möglichkeit zur Ausweitung des Mund-Nasen-Schutzes hätten bereits am Samstag Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Rechtsexperten bestätigt. Die Änderungen bei Veranstaltungen könnten über eine Weisung des Gesundheitsministers an die Länder geregelt werden, so Kurz.

Anschober: „Streitereien“ einstellen

Auch Anschober meldete sich am Sonntag zu Wort und rief dazu auf, „Streitereien“ in Bezug auf die Ampelschaltung einzustellen. Nur gemeinsam werde man es schaffen, Österreich weiter gut durch die Pandemie zu bringen, erklärte er in einer Aussendung. Auch warb er dafür, die bei „Gelb“ vorgesehenen Verschärfungen freiwillig bald umzusetzen.

Laut Anschober wird bis spätestens Freitag die Ausweitung des Mund-Nasen-Schutze auf den gesamten Handel rechtsverbindlich umgesetzt. Das sollte aber möglichst bald freiwillig gelebt werden, appellierte der Minister. Die Schaltung habe am Freitag zum Auftakt gut funktioniert, die Durchführung einer virologischen Gesamtbewertung sei absolut richtig.

Die Ampel sei aber kein statisches Projekt. Vor allem Pendlerströme und Tourismuseffekte würden in die Bewertung schrittweise noch stärker eingebaut. Bereits kommende Woche werde die virologische Lage in ganz Österreich neuerlich gesamthaft untersucht. Bereits zuvor hatte er Präzisierungen der Ampel angekündigt. So könne es etwa spezifischere Abgrenzungen bei der Einfärbung der Bezirke geben. „Dort, wo der Bedarf da ist. Das kann ein halber Bezirk sein oder auch drei Gemeinden.“

Verschiedene Ansichten über gesetzliche Basis

Ab nun wird freitags die CoV-Ampel neu geschaltet, also das Infektionsrisiko in den Bezirken neu bewertet. Bei der Premiere wurde der Großteil des Landes grün eingestuft (geringes Risiko), die Städte Linz, Graz, Wien und der Bezirk Kufstein aber gelb (mittleres Risiko). Seither reißt die Kritik nicht ab.

Ein Anlass dafür sind unterschiedliche Ansichten über die gesetzliche Basis: Steht die Ampel in einem Gebiet auf Gelb, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen vorgesehen. So ist ein Mund-Nasen-Schutz in Kundenbereichen von Betriebsstätten zu tragen. In der Gastronomie muss das Personal mit Kundenkontakt Maske tragen. Dazu ist aber zunächst eine Novelle der Lockerungsverordnung nötig, die das Gesundheitsministerium kommende Woche erlassen will.

Die umfassende rechtliche Verankerung der Ampel kann aber erst Ende September erfolgen, dazu ist die Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes notwendig. Sie kann erst bei der nächsten Nationalratssitzung am 23. September beschlossen werden. Der Bundesrat ist dann am 8. Oktober an der Reihe.

SPÖ: Abwägen und abwarten

SPÖ und FPÖ wollen den Beschluss womöglich aber bekämpfen. Die Zeitung „Österreich“ hatte gemeldet, beiden Oppositionsparteien wollten dem geplanten Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen, zumindest nicht in der vorliegenden Version. Die Handhabe der Ampel sei chaotisch und nicht nachvollziehbar, so der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. Das Büro von FPÖ-Chef Norbert Hofer schloss sich der Ablehnung an. Gegenüber der APA betonte die SPÖ wenig später, dass man noch keine Entscheidung getroffen habe. Man wolle abwarten, wie die vom Gesundheitsministerium angekündigten Änderungen dann tatsächlich aussehen.

Sollte die SPÖ im Nationalrat nicht zustimmen, wäre das realpolitisch ohne Folgen. Eine Ablehnung im Bundesrat würde aber gegebenenfalls eine Verzögerung von bis zu acht Wochen zur Folge haben. Die Opposition, die in der Länderkammer die Mehrheit hat, hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ihre Ablehnung zu deponieren. Legt man aktiv ein Veto ein, kann der Nationalrat nach wenigen Tagen mittels Beharrungsbeschlusses die Materie dennoch durchdrücken. Lässt man das Gesetz allerdings einfach liegen, behandelt es also gar nicht im Plenum des Bundesrats, ergibt sich eine Verzögerung von bis zu acht Wochen. Dann könnte die gesetzliche Basis für die Ampelmaßnahmen überhaupt erst Ende November geschaffen werden.

Debatte über CoV-Ampel hält an

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat in Sachen Corona-Ampel eine „weitere regionale Differenzierung auch innerhalb von Bezirksgrenzen“ in Aussicht gestellt.

Hacker sieht politische Färbung

Scharfe Kritik hatten zuvor auch die auf Gelb geschalteten Städte Wien und Linz geübt. Anhand der Zahlen sei die Einstufung nicht nachvollziehbar, hieß es. In Linz hatte Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) angekündigt, die Maßnahmen infolge der Ampel erst umzusetzen, wenn die gesetzliche Basis dafür in Kraft sei.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte, eine regionale Differenzierung ergebe in Wien keinen Sinn, da die Menschen ja nicht ausschließlich innerhalb von Bezirken leben würden. Auch sonst ließ er kein gutes Haar an der Ampel und vermutete eine politische Färbung bei den Schaltungen.

Im Ö1-Mittagsjournal erkannte er eine Lust, rote Städte gelb einzufärben. Bezugnehmend auf die Bundeshauptstadt meinte Hacker, das sei wahrscheinlich dem Wiener Wahlkampf geschuldet. An sich sei die Ampel zu begrüßen, aber sie sei noch nicht fertig, und die Konsequenzen seien nicht klar, so Hacker. „Ich glaube, dass da noch ein bisschen Unseriosität drinnen ist. Und diese Seriosität, die da notwendig ist, um ein brauchbares Gesundheitsinstrument zu machen, die müssen wir uns erst erkämpfen und erarbeiten“, sagte Hacker – mehr dazu in wien.ORF.at.

VfGH-Präsident nimmt Regierung ein wenig in Schutz

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Christoph Grabenwarter, verglich die Ampel in der Ö1-Interviewreihe „Im Journal zu Gast“ mit der echten Ampel im Straßenverkehr. Auch hier gehe es darum, den Menschen rasch zu signalisieren, was sie tun müssten, um sich selbst und andere zu schützen. Die Frage, ob diese Verordnungsdichte der Bevölkerung zumutbar sei, bejahte Grabenwarter. „Das muss zumutbar sein“, schließlich stehe das Leben und die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel.

Der VfGH-Präsident zeigte auch ein gewisses Verständnis dafür, dass Gesetze und Verordnungen in der Coronavirus-Krise so mangelhaft gestaltet waren, dass sie vom Höchstgericht aufgehoben werden mussten. Er sprach von einer speziellen Situation, in der sich die Regierung befunden habe, auch da etwa der Gesundheitsminister erst kurz im Amt war.