Der kosovarische Premier Avdullah Hoti
Reuters/Yves Herman
Kosovo – Serbien

EU als Vermittlerin unter Druck

Eine Annäherung zwischen dem Kosovo und Serbien gilt als besonders schwierige Aufgabe auf dem Westbalkan. Diese Woche vermittelt die EU, am Donnerstag ist der kosovarische Premier Avdullah Hoti zu Gast im EU-Parlament. Hürden gibt es einige, zuletzt wurden aber auch Fortschritte vermeldet. Eine unter Führung der USA getroffene Abmachung bringt die EU unter Zugzwang – könnte aber auch Probleme für Belgrad und Prishtina schaffen.

Schon Anfang der Woche kam es zu neuen Gesprächen in Brüssel, sowohl Hoti als auch der serbische Präsident Aleksandar Vucic waren zu Gast in Brüssel, um über die Normalisierung der gemeinsamen Beziehungen zu beraten. Am Donnerstag wird Hoti dann im EU-Parlament erwartet.

Zu besprechen gibt es viel, denn lange Zeit ist es um die Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina ruhig gewesen – erstmals hat man sich im Juli wieder zu Gesprächen getroffen, davor gab es seit Ende 2018 keinen Termin in Brüssel. Die ungelöste Frage des Verhältnisses zwischen Serbien und dem Kosovo stellt ein entscheidendes Hindernis für beide beim angestrebten Beitritt zur Europäischen Union dar.

Zahlreiche Baustellen

In einer gemeinsamen Pressekonferenz der österreichischen EU-Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS am Mittwoch wurden noch einmal die großen Knackpunkte in den Gesprächen angesprochen. Eines der größten genannten Themen ist die Visaliberalisierung – und damit das Thema Reisefreiheit. ÖVP-Abgeordneter Lukas Mandl sagte, dass die Reisefreiheit etwas sei, dass alle anderen Westbalkan-Staaten haben, aber die Kosovarinnen und Kosovaren nicht. Für Andreas Schieder von der SPÖ würde die Reisefreiheit „den Zweite-Klasse-Status“ des Kosovo beseitigen.

Ein in der Vergangenheit aufgebrachter Gebietstausch zwischen beiden Seiten sei unterdessen keine Lösung des Konflikts, so Schieder. Das sagte auch der grüne Abgeordnete Thomas Waitz – entsprechende Forderungen nach ethnischen Grenzen würden nur von der Kriegsgeneration kommen.

Und: Parteiübergreifend sieht man auch innenpolitische Reformen als notwendig. Die Stärkung der Demokratie auf dem Balkan sei „generell ein Thema“, so Schieder. Und Waitz sagte, dass es Ziel sein muss, die Zivilbevölkerung zu stärken und sicherzustellen, dass die Justiz unabhängig ist.

Trump verkündete „historische“ Übereinkunft

Doch die EU vermittelt nicht alleine – auch in den USA wurde zuletzt ein Konsens zwischen Prishtina und Belgrad gesucht. Dabei verkündete US-Präsident Donald Trump Ende letzter Woche sogar eine „historische“ Einigung: Serbien und der Kosovo verständigten sich auf eine wirtschaftliche Annäherung.

Donald Trump, Aleksandar Vucic und Avdullah Hoti
Reuters/Leah Millis
Trump sprach vergangene Woche von einer „historischen“ Einigung

„Indem sie sich auf die Schaffung von Jobs und Wirtschaftswachstum konzentrieren, ist den beiden Ländern ein wirklicher Durchbruch für eine wirtschaftliche Kooperation bei einer Reihe von Themen gelungen“, so Trump. Doch im Detail dürfte der Wurf nicht so groß sein, wie vom US-Präsidenten angekündigt – und könnte für eine Annäherung an die EU sogar hinderlich sein.

Das Treffen von Vucic und Hoti ging auf eine Initiative des US-Diplomaten Richard Grenell zurück, der früher Botschafter in Deutschland war und jetzt als Sonderberater Trumps für Serbien und den Kosovo fungiert.

Einigung unter US-Schirmherrschaft mit Haken

Die EU-Expertin Majda Ruge unterstellt im Magazin „Politico“ den USA „Oberflächlichkeit und mangelnde Planung“. In dem Deal würde viel festgehalten, was sowieso bereits zwischen Serbien und Kosovo vereinbart war, so Ruge. Vor allem Trump profitiere durch die Abmachung, denn damit könne er innenpolitisch einen Erfolg vorweisen, der ihm im Wahlkampf freilich gelegen kommt.

Ruge verweist in ihrem Artikel unter anderem auf ein als neu vorgestelltes Bahnprojekt, das mit einem ähnlichen Plan der EU kollidiere. Auch eine Autobahn befinde sich bereits im Bau – gefördert durch die EU.

Demonstration in Pristina, Kosovo, 1998
Reuters
Der Kosovo löste sich 1999 mit Hilfe der NATO von Serbien los – davor, wie hier 1998, wurde für die Unabhängigkeit protestiert

Im Kosovo wertete man die Übereinkunft dennoch als Erfolg – immerhin wird man nun von Israel anerkannt. Doch gerade das könnte im Hinblick auf die EU problematisch werden. Denn sowohl Serbien als auch der Kosovo haben sich verpflichtet, eine Botschaft in Jerusalem zu eröffnen – das steht im Gegensatz zur Position der EU. In Richtung Serbiens hieß es aus Brüssel: „Jeder diplomatische Schritt, der die Position der EU zu Jerusalem infrage stellt, ist bedenklich und bedauerlich.“

Serbien: Frage noch nicht entschieden

Serbien bremste am Mittwoch. Über eine Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem sei noch nicht endgültig entschieden worden. „Es handelt sich noch um keine endgültige Entscheidung“, sagte Suzana Vasiljevic, Beraterin von Präsident Vucic, im regierungsnahen TV-Sender Prva. „Wir haben noch nichts akzeptiert und nichts unterschrieben.“ Die Frage des Umzugs sei nicht in dem Dokument gestanden, das Vucic in Anwesenheit Trumps unterzeichnet hatte.

Österreichische Abgeordnete durchwegs zufrieden

Die österreichischen Abgeordneten im Europaparlament sehen die Einigung unter Schirmherrschaft der USA und die damit verbundene Israel-Problematik durchwegs positiv. ÖVP-Abgeordneter Mandl sagte, man teile die außenpolitische Position der EU. Die Frage solle jedoch nicht „überbetont“ werden, im Hinblick auf eine Annäherung an die EU sei das nicht „unter den prioritär zu behandelnden Punkten“.

SPÖ-Abgeordneter Schieder zeigte sich zurückhaltender: Die Anerkennung durch Israel sei „ein sehr positiver Punkt“, die Verlegung der Botschaft „ein höchst hinterfragenswerter“. Der grüne Abgeordnete Waitz sagte, dass man auch den historischen Kontext für die Nähe zu den USA beachten müsse – schließlich gebe es den Kosovo „nicht wegen der EU“. Für Claudia Gamon von NEOS sei es wichtig, dass die EU das „Machtvakuum“ füllt – und dieses nicht anderen Playern wie Russland und China überlässt.

Nicht alle EU-Staaten erkennen Kosovo an

Auch in der Union selbst gibt es aber noch Aufholbedarf – nicht alle Staaten erkennen den Kosovo an. Vor allem bei Spanien und Zypern ist das durch die Situation des eigenen Landes begründet: So wird Spanien sich wohl kaum zum unabhängigen Kosovo bekennen, solange die Lage in Katalonien angespannt bleibt.

Der Kosovo hatte sich 1999 mit NATO-Hilfe von Serbien losgelöst und 2008 für unabhängig erklärt. Die Regierung in Belgrad erkennt die Unabhängigkeit bis heute nicht an und betrachtet den Kosovo als abtrünnige Provinz. Im Juli führten beide Seiten nach eineinhalbjähriger Unterbrechung erstmals wieder direkte Gespräche unter EU-Vermittlung. Brüssel macht eine Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch Serbien zur Vorbedingung für einen Beitritt Serbiens zur EU.