Webseite mit der Coronavirus-Ampel der Regierung auf einem Handy
ORF.at/Christian Öser
Steigende CoV-Zahlen

Laute Zurufe vor nächster Ampelschaltung

Der merkliche Anstieg der Neuinfektionen mit dem Coronavirus hat am Donnerstag die politische Debatte erneut angefacht. Vor allem Wien verzeichnete zuletzt starke Zuwächse. Während sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) abwartend äußerte, wurden von ÖVP-Regierungsseite Rufe nach Verschärfungen laut. Aber auch die Bundeshauptstadt selbst stieß in das Horn für härtere Maßnahmen.

Den zweiten Tag in Folge lag die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag jenseits der 650 Fälle – und schien damit den Trend vom Wochenbeginn zu bestätigen. Mehr als die Hälfte aller offiziell gemeldeten neuen Fälle kam dabei aus Wien. Das ließ einen Tag vor der neuen Schaltung der Coronavirus-Ampel den Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ausreiten.

Es sei nötig, die Situation mit dem Bund zu besprechen, ließ Hacker ausrichten. „Wir brauchen einige Spielregeln wieder.“ Wien sei jedoch im „juristischen Dilemma“, die Vorkehrungen nicht selbst treffen zu können, so der SPÖ-Politiker – mehr dazu in wien.ORF.at.

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ)
APA/Herbert Neubauer
Hacker wünschte sich am Donnerstag schärfere Maßnahmen vom Bund

Die Forderungen Hackers fielen mit – freilich keineswegs bestätigten – Vermutungen zusammen, wonach Wien auf Orange (hohes Risiko) geschaltet werden könnte. Zumindest meldete sich am Donnerstag auch das Kanzleramt zu Wort. Die starke Zunahme – nicht nur in Wien – werde mit Sorge beobachtet. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwarte sich von der Ampelkommission „schärfere Maßnahmen“, hieß es aus seinem Umfeld gegenüber der APA. Der Kanzler verwehre sich gegen ein „Schönrechnen der Zahlen“.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/AFP/Joe Klamar
Der Ruf nach Verschärfungen kam am Donnerstag auch aus dem Bundeskanzleramt

Anschober verweist auf Kommission

Etwas anders klang das von Gesundheitsminister Anschober – der das letzte Wort bei der Entscheidung über die Ampelfarben hat. Bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten äußerte er sich Donnerstagvormittag eher zurückhaltend zu der am Freitag anstehenden Schaltung. Gefragt, ob er damit rechne, dass weitere Bezirke und Städte auf Gelb und Wien gar auf Orange geschaltet werden, sagte er, er wolle der Kommission nicht vorgreifen.

Die Sitzung der Ampelkommission werde am Donnerstag wohl bis tief in den Abend dauern. Aber, so Anschober, noch kurz bevor die aktuellsten Zahlen veröffentlicht wurden: „Ich habe derzeit keine Indizien, dass es in Richtung Orange geht.“ Nach der Kommissionssitzung will Anschober alle Landeshauptleute durchtelefonieren, bei denen es veränderte Ampelschaltungen gibt.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Herbert Pfarrhofer
Anschober wollte erst auf die Sitzung der Ampelkommission am Abend warten

Neben der reinen Zahlenentwicklung wertet die Kommission auch die Übertragbarkeit der Fälle, die Quellensuche (Cluster), Ressourcen der Spitäler und Tests (auch den Anteil der positiven Tests). Was die Städte betrifft, will man laut dem Vorsitzenden der Coronavirus-Kommission, Ulrich Herzog, nun auch berücksichtigen, dass es eine gewisse Mobilität der Bevölkerung ins Umland gebe. Die Empfehlungen der Kommission bespreche er innerhalb der Regierung, das sei „keine Soloentscheidung“ des Gesundheitsministers, so Anschober. Am Freitag um 11.00 Uhr gebe es dann eine Pressekonferenz.

Wien-Wahl wirft Schatten voraus

Der Donnerstag machte einmal mehr deutlich, dass die Wien-Wahl nur noch einen Monat entfernt ist. „Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ, Anm.) muss endlich die Realität akzeptieren“, hieß es von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Vor einer Woche sei die Ampelschaltung auf Gelb noch als politisch motiviert kritisiert worden, eine Woche später seien die Zahlen der Neuinfizierten „mehr als alarmierend“, so Nehammer. „Ich habe die Hoffnung, dass dieses Mal die Ampelschaltung und die damit verbundenen notwendigen und strengeren Maßnahmen von der Stadt Wien akzeptiert werden.“

„Die Forderung der Stadt Wien für bundesweite Verschärfungen ist richtig und sinnvoll“, konterte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Die steigenden Infektionszahlen seien nicht überraschend. Angesichts des Schulbeginns und des bevorstehenden Herbstes seien verschärfende Maßnahmen – wie etwa Maskenpflicht im Innenraum – im Sinne einer wirksamen Coronavirus-Prävention in ganz Österreich notwendig.

Auch die Wiener FPÖ schaltete sich in die Debatte ein. „Jetzt findet offenbar ein Wettstreit zwischen der schwarz-grünen Bundesregierung und der rot-grünen Stadtregierung statt, wer es schafft, den Menschen mehr Angst und Schrecken einzujagen“, befand FPÖ-Wien-Obmann Dominik Nepp.

Tirol rechnet mit Gelb für Innsbruck

In der aufgeladenen Debatte rund um die Bundeshauptstadt konnte schon beinahe vergessen werden, dass die Ampelschaltung nicht nur Wien betrifft. Nach Wien vermeldete innerhalb Österreichs am Donnerstag Tirol die höchste Zahl an Neuinfektionen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ging denn auch von einer Ampelschaltung von Grün auf Gelb für die Landeshauptstadt Innsbruck aus – zusätzlich zur derzeit bestehenden für den Bezirk Kufstein.

Die dritthöchste Zahl an Neuinfektionen gab es in Niederösterreich. In dem Bundesland hatte bereits in der vergangenen Woche vor allem Wiener Neustadt Sorge bereitet, war von der Kommission allerdings zunächst mit Grün eingestuft worden. „Auf den ersten Blick ist es tatsächlich nicht nachvollziehbar, warum Wiener Neustadt von der Expertenkommission nicht auf Gelb gestellt wurde“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) damals. Am Donnerstag betonte sie, dass sie jegliche Entscheidung diesbezüglich akzeptieren würde – mehr dazu in noe.ORF.at.

664 positive CoV-Testergebnisse

Die Coronavirus-Zahlen in Österreich haben am Donnerstag einen neuen Höchstwert seit dem Frühling erreicht. Mehr als die Hälfte der Fälle wurden aus Wien gemeldet.

Neben Wien und Kufstein stehen zurzeit auch die Landeshauptstädte Graz und Linz auf Gelb. In Graz ging man davon aus, dass die steirische Landeshauptstadt wohl weiterhin gelb bleiben dürfte. Die Infektionszahlen seien allerdings bereits wieder um rund ein Drittel pro Tag im Vergleich zur Vorwoche zurückgegangen – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

In Linz wird hingegen mit einem Umspringen auf Grün gerechnet. In der vergangenen Woche seien die Fälle weiter weniger geworden, sodass für ihn nur mehr Grün infrage komme, sagte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Novelle der Verordnung am Freitag

Damit die Coronavirus-Ampel zum Werkzeug werden kann, fehlt noch ihre vollständige gesetzliche Verankerung. Erst mit der Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes können alle Regeln aufgrund der vier Farbstufen von Grün bis Rot rechtlich durchgesetzt werden. Ein Beschluss ist für den 23. September geplant. Bis dahin soll die Lockerungsverordnung angepasst werden, etwa zur Ausweitung des Mund-Nasen-Schutzes auf alle Geschäfte in gelben Regionen. Sie soll nun am Freitag vorliegen.