Biker beim Motorradtreffen in Sturgis (South Dakota) Anfang August
APA/AFP/Michael Ciaglo
Superspreader mit Motorrad

Ein Bikertreffen und 260.000 CoV-Fälle

Allen Warnungen und Bedenken zum Trotz hat die Stadtverwaltung von Sturgis im US-Bundesstaat South Dakota auch in diesem Jahr grünes Licht für die tradionsreiche „Sturgis Motorcycle Rally“ gegeben. Was folgte, war mit rund 460.000 Teilnehmern eine der wohl größten Menschenansammlungen seit Beginn der Coronavirus-Krise – und über 260.000 in Verbindung mit Sturgis stehende Coronavirus-Fälle.

Bei der von 7. bis 16. August abgehaltenen Großveranstaltung seien gleich mehrere „Worst-Case-Szenarien“ eingetroffen, heißt es in einer vom Center for Health Economics & Policy Studies (CHEPS) der Universität San Diego zu dem „Superspreader-Event“ erstellten Studie („The Sturgis Motorcycle Rally and Covid-19“). Diese verweist auf die Dauer der Veranstaltung, dicht gedrängte Menschenmassen, fehlende Coronavirus-Auflagen wie eine Maskenpflicht und nicht zuletzt auf die aus den ganzen USA angereisten Teilnehmer.

Diese hätten der Studie zufolge das Virus schließlich über das ganze Land verteilt – und zwar in einem wohl weit größeren Ausmaß als bisher von den Gesundheitsbehörden angenommen. Konkret bringen die Studienautoren das Bikertreffen mit über 260.000 CoV-Fällen – rund 19 Prozent aller zwischen 2. August und 2. September in den USA gemeldeten Fälle – in Verbindung.

Biker am 80. Motorradtreffen in Sturgis
AP/Invision/Amy Harris
Über 460.000 Menschen kamen zur „Motorcycle Rally“ in das 7.000 Einwohner zählende Sturgis

Kosten in Milliardenhöhe

Für die öffentliche Gesundheit seien der CHEPS-Studie zufolge damit Kosten in Höhe von bis zu 12,2 Milliarden Dollar (10,3 Mrd. Euro) entstanden. „Das ist genug, um jedem der geschätzten 462.182 Teilnehmer 26.553,64 Dollar zu zahlen, damit er nicht teilnimmt“, wie die „Washington Post“ aus der Studie zitierte.

Nach dem Festival sei gekommen, „was kommen musste“, heißt es vom „Motorrad“-Magazin, dem zufolge sich die Verwaltung der 7.000 Einwohner zählenden Stadt zunächst für eine Absage oder Verschiebung der 80. Ausgabe der „Rally“ ausgesprochen habe.

Wegen Klagsdrohungen vonseiten diverser Aussteller und wohl auch mit Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Events auf die gesamte Region habe es dann doch grünes Licht gegeben. Nicht zuletzt sprach sich South Dakotas republikanische Gouverneurin Kristi Noem von Anfang an gegen eine Verschiebung des Treffens aus.

Ein Konzert im Iron Horse Saloon beim großen Bikertreffen in Sturgis
AP/Invision/Amy Harris

„Ungeheuerlich“

Nachdem die CHEPS-Studie für reichlich Aufsehen gesorgt hatte, räumten staatliche Behörden laut „Washington Post“ mittlerweile ein, dass Massenversammlungen ein höheres Risiko der Verbreitung des Coronavirus bergen. Gleichzeitig wollte weder Gouverneurin Noem noch die Stadt Sturgis die auf anonymisierten Mobilfunkdaten der Teilnehmer aufbauende Studie anerkennen.

Man erkenne zwar an, „dass Einzelpersonen auf ihrer Reise zu, von oder während der Rally dem Virus ausgesetzt waren“, aber angesichts der bisher gemeldeten Daten seien die Auswirkungen weit geringer als zunächst von Experten prognostiziert, teilte die Stadtverwaltung per Aussendung mit. Die Schlussfolgerungen der CHEPS-Studie seien „ungeheuerlich“ und „eklatant fehlerhaft“. Noem bezeichnete die Studie als „Fiktion“. Der Gouverneurin zufolge habe es bisher nur ein CoV-Todesopfer gegeben, das eindeutig in Verbindung mit dem Sturgis-Treffen stehe.

Bestätigte Coronavirus-Fälle, die ihren Ursprung in Sturgis haben, gibt es abseits von South Dakota mittlerweile aber sehr wohl in etlichen weiteren US-Bundesstaaten – darunter North Dakota, Minnesota, Montana, Nebraska, Washington State, Wisconsin und Wyoming.

Über sechs Millionen Infizierte in den USA

Auch wenn US-Präsident Donald Trump die Lage in den USA zuletzt als besser darstellte als etwa in Europa, sind die Infektionszahlen in den Vereinten Staaten weiterhin auf einem hohen Niveau. Seit Beginn der Pandemie wurden laut Johns-Hopkins-Universität in Baltimore bisher rund 6.397.500 Menschen postiv getestet, über 191.000 Menschen starben nach einer Infektion mit dem Coronavirus. Die Zahl der täglichen Neuansteckungen wird von der Johns-Hopkins-Universität mit 35.286 beziffert.

In zuletzt publik gewordenen Interviews des Investigativjournalisten Bob Woodward gestand Trump im März ein, die Gefahr durch das Virus bewusst heruntergespielt zu haben. Am Donnerstag dementierte Trump die Angaben nicht, er habe aber „nicht gelogen“, sondern lediglich gesagt: „Wir müssen ruhig bleiben, wir dürfen nicht in Panik geraten.“