Gruppe von Orcas
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„Ungewöhnlich“

Orca-Attacken auf Boote vor Spanien

In den vergangenen zwei Monaten haben Orcas mehrere Segelboote entlang der spanischen Küste gerammt. Die Fahrzeuge wurden beschädigt, Besatzungsmitglieder verletzt. Zuletzt wurde eine Jacht bis zu 15-mal von einem Schwertwal gerammt. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stehen vor einem Rätsel.

Am Freitagnachmittag ist das zehn Meter lange Boot an der Nordküste Spaniens von einem Orca attackiert worden, zitierte der britische „Guardian“ das Unternehmen Halcyon Yachts. Ein Schwertwal – auch Killerwal genannt – habe bis zu 15-mal gegen das Heck gestoßen. Das Boot verlor die Steuerung und wurde in den Hafen geschleppt, um den Schaden zu beheben.

Etwa zur gleichen Zeit hätte es laut „Guardian“ Funkwarnungen vor Orca-Sichtungen 100 Kilometer südlich der spanischen Hafenstadt Vigo gegeben. In der Nähe gab es kürzlich zwei Vorfälle mit Orcas. Am 30. August meldete ein unter französischer Flagge fahrendes Schiff über Funk, dass es von Killerwalen „angegriffen“ werde. Später am selben Tag verlor eine spanische Marinejacht nach einer Begegnung mit Orcas unter dem Heck einen Teil ihres Ruders.

Neugierige Wale

Der Schwertwal gehört zu den Zahnwalen und ist der größte in der Delfinfamilie. Forscher und Forscherinnen, die eine kleine Population der Orcas in der Meerenge von Gibraltar untersuchen, sagen, dass die Wale neugierig seien. Es komme schon vor, dass sie einem Boot genau folgen, sogar mit dem Ruder interagieren. Ungewöhnlich sei, dass bei den jüngsten Vorfällen auch die Kraft der Tiere zum Einsatz kam.

Die spanischen Seebehörden forderten die Schiffe auf, „Abstand zu halten“. Berichte von Seeleuten, die im Juli und August die Meerenge umfuhren, lassen jedoch vermuten, dass das schwierig sein könnte – zumindest eine Gruppe scheint Boote zu verfolgen, was nach Ansicht der Wissenschaftler „höchst ungewöhnlich“ und „beunruhigend“ ist. Für eine finale Beurteilung sei es noch zu früh. Aber es könnte auf Stress einer Population hinweisen, die gefährdet ist.

Gruppe von Orcas vor einem Segelboot
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Die hochintelligenten Säugetiere kommen Booten nahe

Seit Jahrzehnten werden Orcas gefangen genommen oder in der Gefangenschaft geboren. Im Jänner 2019 starb ein Weibchen im Alter von 30 Jahre in SeaWorld Orlando. In der Wildnis wäre sie wahrscheinlich mehr als 50 Jahre alt geworden, womöglich sogar 80. Forscher und Forscherinnen weisen immer wieder darauf hin, dass die hochintelligenten und sozialen Tiere evolutionär darauf ausgelegt sind, im Meer große Entfernungen zurückzulegen. Orcas in Gefangenschaft weisen deutlich akutere und unregelmäßige Schäden auf, hieß es in einer Studie aus dem Jahr 2017.

Thunfischjagd im September

Ein weiterer Vorfall mit Orcas ereignete sich am 29. Juli vor dem Kap Trafalgar. Ein Boot war von neun Orcas umgeben. Die Schwerwale rammten über eine Stunde lang den Rumpf, drehten das Boot um 180 Grad, deaktivierten den Motor und brachen das Ruder. Der „Guardian“ zitierte den Kapitän, der von einer „orchestrierten“ Attacke sprach. Anfang der vergangenen Woche berichtete ein anderes Boot von einer 50-minütigen Begegnung. Der Kapitän sagte, die Kraft des Stoßes habe „dem Steuermann fast die Schulter ausgekugelt“.

Weiblicher Orca
AP/Elaine Thompson
Orcas legen saisonabhängig große Distanzen zurück, wenn sie auf Wanderungen den Beutetieren folgen

Unbekannt ist, ob nur eine Gruppe von Orcas für die jüngsten Vorfälle verantwortlich ist. Ruth Esteban, die die Orcas von Gibraltar ausgiebig studiert hat, sagte im Gespräch mit dem „Guardian“, sie hält es für unwahrscheinlich, dass zwei Gruppen ein solch ungewöhnliches Verhalten zeigen würden. Der spanische Biologe Alfredo Lopez sagte, dass die Orcas jedes Jahr im September vom Golf von Cadiz die Küste hinaufwanderten, um Thunfische in den Golf von Biskaya zu jagen.