Russischer Helikopter mit Fallschirmspringern
APA/AFP/Mladen Antonov
Weißrussland

Russland schickt Fallschirmjäger für Übung

Russland will laut der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti Spezialisten aus einer Fallschirmjäger-Division nach Weißrussland schicken. Sie sollen dort ab Montag gemeinsame Übungen mit dem weißrussischen Militär durchführen, wie RIA am Sonntag unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete. Indes wurden bei Massenprotesten Hunderte Menschen festgenommen.

Die Übung „Slawische Brüderlichkeit“ sei bis zum 25. September angesetzt. Danach würden die russischen Soldaten in ihre Heimat zurückkehren. In Weißrussland kommt es seit der Präsidentenwahl am 9. August zu Massenprotesten. Die Opposition wirft dem seit 26 Jahren autoritär regierenden Alexander Lukaschenko Wahlbetrug vor. Die EU erkennt das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nicht an. Russland ist der engste Verbündete von Lukaschenko.

Bei erneuten Protesten in der Hauptstadt Minsk wurden am Sonntag nach offiziellen Angaben etwa 250 Menschen festgenommen. Die Polizei habe sie in mehreren Vierteln der Stadt festgenommen, teilte das Innenministerium mit, weil sie Symbole der Opposition oder Transparente mit „beleidigendem Inhalt“ mit sich getragen hätten. Mindestens 150.000 Menschen demonstrierten laut Beobachtern erneut gegen Lukaschenko, mehr als vor einer Woche.

Ein Großaufgebot von Polizei und Armee hatte zuvor Stellung bezogen. Der Platz der Unabhängigkeit war von Uniformierten umstellt und mit Metallgittern abgeriegelt. Auch die Unterführungen waren gesperrt. Am Palast der Republik im Stadtzentrum bezogen Hundertschaften der Armee Stellung. Uniformierte zogen dort auch Stacheldraht an den Metallgittern auf. In vielen Seitenstraßen standen Gefangenentransporter und Sicherheitskräfte.

Platzwunden im Gesicht

Am Samstag gingen maskierte Uniformierte mit exzessiver Gewalt gegen friedlich demonstrierende Kritikerinnen des autoritären weißrussischen Staatschefs vor. Bei neuen Protesten Tausender Frauen wurden 114 Menschen festgenommen. Das teilte das Innenministerium am Sonntag in Minsk mit. 87 von ihnen seien bei den Demonstrationen in Gefängnisse gebracht worden. Dem Menschenrechtszentrum Wesna zufolge, das viele Festgenommene mit Namen auflistete, sind überwiegend Frauen in Polizeigewahrsam gekommen.

Eine junge Frau erlitt in Minsk durch Schläge eines Polizisten eine Platzwunde im Gesicht, als sie einem Uniformierten die Strumpfmaske vom Gesicht zog und der Mann mit voller Wucht zuschlug. Der als „letzter Diktator Europas“ bezeichnete Lukaschenko hatte die Spitzenposten im Sicherheitsapparat zuletzt neu besetzt und gefordert, härter gegen nicht genehmigte Proteste vorzugehen.

Die Kundgebungen seiner Gegner werden prinzipiell nicht genehmigt, nur die der Unterstützer, die sich in kleiner Zahl am Samstag im Zentrum an der Siegessäule versammelten. Zur gleichen Zeit kamen die Gegnerinnen Lukaschenkos auf dem Platz der Freiheit zusammen. Die Kundgebung richtete sich vor allem gegen die Inhaftierung der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa. „Gebt uns unsere Mascha zurück“, wurde skandiert.

Eine Gruppe Polizisten kreist mehrere Demonstrantinnen ein.
AP/Misha Friedman
Eine Gruppe von Polizisten beim brutalen Vorgehen gegen Demonstrantinnen – es gab viele Festnahmen

Protestierende eingekesselt

Vermummte Sicherheitskräfte kesselten die Frauen auf dem Platz der Freiheit ein, gingen mit voller Härte gegen sie vor und steckten sie in Gefangenentransporter. Die Frauen waren völlig friedlich, wie ein Reporter der dpa vom Ort des Geschehens berichtete. Vielen Demonstrierenden gelang es, anschließend den Protestmarsch fortzusetzen. Der Demonstrationszug vereinigte sich später mit weiteren Frauen, bis die Menge auf Tausende anwuchs. Laut Berichten waren es mindestens 5.000.

Bisher agierte Polizei zurückhaltender

Bisher hatten sich die Sicherheitskräfte gegenüber Frauen weitgehend zurückgehalten und überwiegend Männer festgenommen. Deshalb beteiligten sich viele Demonstrantinnen an den Aktionen. Die Samstage stehen traditionell im Zeichen der Frauenproteste. Zuletzt gerieten aber auch sie ins Visier der Beamten. Die Polizei hatte zuvor eindringlich vor einer Teilnahme gewarnt.

Außeinandersetzung zwischen Polizisten und einer Gruppe Demonstrantinnen.
AP/Tut.by
Erstmals ging die Polizei mit Härte gegen die Demonstrantinnen vor

Zu sehen war auf Videoaufnahmen im Internetportal Tut.by auch, wie Frauen einem Beamten eine Kamera wegnahmen, mit der er die Proteste filmte. Sie riefen „Uchodi“ – „Hau ab!“. Auch eine Journalistin, die für das Fernsehen die Lage kommentierte, wurde während ihrer Arbeit mitgenommen.

Tichanowskaja verurteilte Gewaltexzesse

Swetlana Tichanowskaja, die sich als rechtmäßige Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August sieht, verurteilte aus ihrem Exil in der EU die Polizeigewalt gegen Frauen. „Ich will Sie warnen, dass jeder, der Verbrechen gegen friedliche Demonstranten und sein Volk begeht, die Verantwortung dafür tragen wird“, sagte die 38-Jährige. „Sie haben die Chance, auf die Seite des Volkes zu wechseln und keine verbrecherischen Befehle mehr auszuführen.“

Archivbild von Swetlana Tichanowskaja
AP/Mindaugas Kulbis
Tichanowskaja flüchtete nach der Wahl nach Litauen

Lukaschenko traf sich mit nationalem Sicherheitsrat

Während der Proteste traf sich Lukaschenko mit dem nationalen Sicherheitsrat. Dabei sagte er der Staatsagentur Belta zufolge mit Blick auf die Militärübungen der NATO im Nachbarland Litauen, wenn die Übung beendet sei, solle die weißrussische Armee „angemessen darauf reagieren“. Zuletzt waren viele Streitkräfte an die Westgrenze verlegt worden. Zudem hatte Lukaschenko einen Teil der Armee „in höchste Kampfbereitschaft“ versetzen lassen.

In dem zwischen Russland und dem EU-Mitglied Polen gelegenen Land kommt es seit der Präsidentenwahl vor mehr als einem Monat täglich zu Protesten. Nach mehr als 26 Jahren an der Macht beansprucht Lukaschenko den Wahlsieg mit mehr als 80 Prozent der Stimmen für sich. Die Opposition hält dagegen Tichanowskaja für die wahre Gewinnerin.