„Bild“ an Kurz: „Werden Sie nicht zum Herzlos-Kanzler“

In der Debatte über die Flüchtlingsaufnahme aus Moria appelliert auch die deutsche „Bild“ in ihrer Onlineausgabe an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), eine Kursänderung vorzunehmen. Kurz solle sich die Bilder aus Moria „noch einmal ganz genau anschauen“ und etwa Eltern mit Kindern unter zehn Jahren aufnehmen, heißt es in einem gestern Nachmittag veröffentlichten Kommentar. „Werden Sie nicht zum Herzlos-Kanzler, Herr Kurz!“

Kurz stehe „wie kein anderer europäischer Regierungschef für einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik“, schreibt das Boulevardmedium. Auch weil er im Jahr 2016 als Außenminister entscheidend zur Schließung der Balkan-Route beigetragen habe, „wird in der Debatte um den richtigen Flüchtlingskurs in Europa auf ihn ganz genau geschaut“.

Situation „nicht vergleichbar“

„Aber das, was er nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria sagt und nicht (!) tut, wird immer mehr zum Herzlos-Kurs“, kritisiert „Bild“. Der Vergleich mit dem Jahr 2015 sei „irreführend, weil die Situation keinesfalls vergleichbar ist“. Damals habe es einen durch den Syrien-Krieg und die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgelösten „Massen-Strom“ sowie „einen direkten Weg bis nach Österreich oder Deutschland“ gegeben. „All das ist heute anders.“

„Der österreichische Bundeskanzler sollte sich die Bilder und Videos aus Moria noch einmal ganz genau anschauen: Diese Kinder brauchen JETZT Hilfe, wir müssen sie aus dem Dreck befreien. Kurz könnte mit gutem Beispiel vorangehen, wenn er wirklich ein moderner konservativer Regierungschef mit christlichen Werten und Vorbild sein will. Er könnte sagen, dass sein Land bereit ist, zum Beispiel Kinder unter zehn Jahren mit ihren Eltern sofort aufzunehmen.“

Der Kommentar wurde vom stellvertretenden „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer verfasst, der ein guter Kenner des ÖVP-Chefs ist. Vor knapp drei Jahren hatte Ronzheimer eine Biografie über Kurz verfasst, der dem deutschen Journalisten dafür auch seltenen Zugang zu seiner Familie gewährte.