Rechtsstaatlichkeit: Parlament für mehr Druck auf Polen

Abgeordnete des Europaparlaments haben eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit in Polen angemahnt und mehr Druck auf die konservative Regierung des EU-Staats gefordert.

Trotz mehrerer Anhörungen von Vertretern der polnischen Regierung, Aussprachen in Ausschüssen und alarmierender Berichte mehrerer internationaler Organisationen habe es bisher keine großen Fortschritte gegeben, kritisierte Berichterstatter Juan Fernandez Lopez Aguilar gestern im Plenum in Brüssel bei der Vorstellung eines Zwischenberichts. Darin fordern die EU-Parlamentarier unter anderem erneut einen zusätzlichen EU-Mechanismus, um auf die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit zu pochen.

Jourova: Entwicklungen in Polen „besorgniserregend“

EU-Kommissionsvize Vera Jourova nannte die jüngsten Entwicklungen in Polen besorgniserregend. Das Land steht vor allem wegen einer umstrittenen Justizreform und „LGBTI-freier Zonen“ in der Kritik. Zu solchen Zonen hatten sich mehrere polnische Kommunen erklärt. LGBTI steht für Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle. Die Vorsitzende des Ausschusses für die Gleichstellung der Geschlechter im Europaparlament, SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner, betonte im Plenum, dass die Vergabe von EU-Geld dringend an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden müsse.

Der Rechtsstaatsmechanismus soll nach dem Willen des Parlaments eine größere Rolle im mehrjährigen EU-Haushalt spielen. Länder wie Ungarn und Polen, denen Verstöße vorgeworfen werden, wehren sich jedoch vehement dagegen. Der polnische rechtskonservative Abgeordnete Patryk Jaki warf der EU in der Debatte vor, mit zweierlei Maß zu messen. Die Ernennung von Richtern erfolge in Spanien etwa nach dem gleichen Prinzip, aber werde nur in Polen kritisiert, so Jaki.

Die EU-Abgeordneten werden während der ersten Sitzung nach der Sommerpause am Donnerstag über ihren Standpunkt zu dem Zwischenbericht abstimmen. Wegen der Coronavirus-Pandemie tagen die EU-Politiker in Brüssel und nicht wie gewohnt im französischen Straßburg. Die Abstimmungen erfolgen per E-Mail.