Szene aus „Jean Seberg – Against All Enemies“
Pandafilm
Jean-Seberg-Biopic

Filmstar im Visier des FBI

Seit „Außer Atem“ war Jean Seberg Ikone der Nouvelle Vague, pendelte zwischen Hollywood und Frankreich, drehte mit Clint Eastwood, Sophia Loren und Jean-Paul Belmondo. Abseits des Kinos war sie Bürgerrechtlerin – auf Kosten ihres Lebensglücks: Der Film „Jean Seberg – Against All Enemies“ schildert ein Leben im Fokus von FBI und Medien. ORF.at hat mit Hauptdarstellerin Kristen Stewart gesprochen.

„Ich wollte, dass das im Film genauso schmerzhaft und schlimm ist, wie es sich auf ihrer Wikipedia-Seite liest. Selbst wenn man nur die ganz allgemeinen Informationen zu ihrem Leben liest, ist das erschütternd.“ Kristen Stewart, die das gegenüber ORF.at sagt, spielt in „Jean Seberg – Against All Enemies“ ihre berühmte Berufskollegin, die am 30. August 1979 starb – ob durch Suizid oder, wie manche behaupten, vom FBI ermordet, ist ungeklärt. Der Film, der nun mit pandemiebedingt halbjähriger Verspätung im Kino startet, versucht nachzuvollziehen, wie es so weit kommen konnte.

Am bekanntesten ist Seberg heute für ihre Rolle in dem Film „Außer Atem“ (1959), der Jean-Luc Godard zum „Nouvelle Vague“-Gott machte. Die junge Amerikanerin spielte dort mit burschikosem Pixie-Cut und Jeans eine Studentin, die Zeitungen verkauft, an der Seite von Belmondo. Es war nicht ihre prägendste Rolle: Zwei Jahre zuvor hatte Otto Preminger sie als Johanna von Orleans besetzt, eine Schauspielarbeit, die ihr nicht nur seelische Narben, bedingt durch Premingers tyrannischen Regiestil, zugefügt hatte. Ein Unfall am Scheiterhaufen hinterließ Verletzungen, deren Spuren sie zeit ihres Lebens mit sich trug.

Szene aus „Jean Seberg – Against All Enemies“
Pandafilm
Vereint im Kampf: Jean Seberg (Kristen Stewart) unterstützt den Bürgerrechtskampf von Hakim Jamal (Anthony Mackie), wo sie nur kann.

Begegnung über den Wolken

Das Biopic unter der Regie von Benedict Andrews konzentriert sich jedoch auf einen anderen Aspekt von Sebergs Biografie: 1968, die Proteste auf den Straßen von Paris sind in vollem Gange, freundet sie sich auf dem Rückflug in die USA mit dem Journalisten und Bürgerrechtsaktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) an. Wie sich später herausstellen soll, war Jamal nicht zufällig auf diesem Flug, sondern um Sebergs Unterstützung zu suchen und ihre Öffentlichkeit für den Kampf des „Black Power Movement“ zu nützen.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt am Montag um 22.30 Uhr in „kulturMontag“ einen Beitrag über „Jean Seberg – Against All Enemies“ – mehr dazu in tv.ORF.at

Nicht geplant war allerdings, dass sich zwischen ihm und ihr eine echte Liebesgeschichte entspannt. Mit Sebergs freier Ehe kollidierte die Affäre zwar nicht – mit dem deutlich älteren Schriftsteller Romain Gary, Vater ihres gemeinsamen Sohnes, lebte Seberg nur fallweise zusammen. Mit Jamals Ehefrau Dorothy (Zazie Beetz) war es aber umso dramatischer. Es hätte dennoch gut ausgehen können, hätte Seberg nicht beschlossen, zusätzlich zu anderen Bürgerrechtsgruppierungen auch die radikale Black Panther Party finanziell zu unterstützen – gegen Jamals ausdrücklichen Rat, so schildert es der Film.

Auf der Abschlussliste

Spätestens dieses Engagement ruft das FBI auf den Plan, in Gestalt des jungen Agenten Jack Solomon (Jack O’Connell), der im Rahmen des Überwachungsprogramms Cointelpro (Counterintelligence Programm) Beweise sammeln soll, die gegen die Schauspielerin verwendet werden können. Solomon wird im komplizierten Liebesleben von Seberg rasch fündig – trotz aller Skrupel, die er hat, eine Frau zu erpressen, die doch nichts Böswilliges getan hat. Diese Figur mitsamt misstrauischer Ehefrau (gespielt von Margret Qualley) ist erfunden, was dem Film auch anzumerken ist. Doch die Kampagne gegen Seberg, bei der die Medien bereitwillig mitmachten, war real – und kostete sie vermutlich das Leben.

Mit „Jean Seberg“ gelingt Andrews ein ausgewogener Mix aus Porträt und Thriller, der Sebergs Affäre mit Hakim weit mehr als nur eine Nebenrolle zuerkennt und auch ihre Liebe ernst nimmt, so Jamal-Darsteller Anthony Mackie gegenüber ORF.at: „Die haben ineinander ein Glück gefunden, das es sonst nirgends gab. Das ist doch, was wir alle wollen, diesen Partner und Vertrauten, der uns hilft, voller Selbstvertrauen die nächste Lebensphase zu bewältigen. Jean und Hakim waren einander wirklich wichtig – und dass der Dreck des FBI ihnen diese Liebe genommen hat, ist herzzerreißend.“

Szene aus „Jean Seberg – Against All Enemies“
Pandafilm
Bilder einer Frau: FBI-Agent Jack Solomon (Jack O’Connell) kommt Jean Seberg näher, als ihm lieb ist

Leben im Fokus von Medien und FBI

Das Leben von Seberg sei „wie unter einem sozialen Vergrößerungsglas“ gewesen, so Mackie – und daran sei die Schauspielerin letztlich zerbrochen. Stewart spielt die Titelrolle als aufrechte, mutige Person, die ihre Berühmtheit nutzt, um für die Sache zu werben, die ihr wichtig ist. Sie ist eine echte Verbündete des Bürgerrechtskampfs, die sich nicht als Retterin inszeniert. „Was sie getan hat, finanziell und auch konkret als Aktivistin, darüber wurde nie wirklich gesprochen. Sie hat keine gute Presse dafür bekommen, Leuten zu helfen, und hat dafür auch kein Lob gesucht. Sie hat getan, was sie für richtig hielt“, so Mackie, der Parallelen zur Gegenwart zieht.

„Damals herrschte Krieg gegen bürgerliche Freiheiten, gegen Menschlichkeit und den Anstand, und heute, nach 50 Jahren, sehen wir, wie das alles wieder hochkocht. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem das, was damals erreicht wurde, Schritt für Schritt wieder verloren geht.“ Sebergs Leben als Kollateralschaden dieses Kampfes, der bis heute nicht ausgestanden ist, ist fantastisches, bestürzend zeitgemäßes Material für einen Thriller, der weit über das Biopic einer mutigen Frau hinausgeht: Er erzählt, was echte Solidarität bedeutet, die nicht nur von der Couch aus kundgetan wird.