„COVID-19“ markiert im Gesetzestext
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CoV-Gesetze

Mildere Urteile bei neuer Begutachtung

Am Freitag ist die Begutachtung für die neue Version der Coronavirus-Gesetze von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zu Ende gegangen. Die bisher bekannten Stellungnahmen verschiedener Interessenvertretungen fielen nach umfangreichen Änderungen im Entwurf deutlich milder aus. Das Bedürfnis, die Novelle zu bewerten, war auch diesmal groß, es gab über 2.000 Stellungnahmen.

Anschober hatte den Entwurf zu den Änderungen im Epidemiegesetz, Tuberkulosegesetz und Covid-19-Maßnahmengesetz überarbeitet, nachdem es in der ersten Begutachtung vielfältige Kritik gehagelt hatte. Die Novelle soll die Grundlage für die Ampelregelung sowie (falls nötig) für eine weitgehende Ausgangssperre bringen.

Auch die neue Version stieß auf reges Interesse: Im Hohen Haus gingen laut Parlamentsdirektion mit Stand Freitagvormittag bereits über 2.000 Stellungnahmen ein, sehr viele davon stammten von Privatpersonen. Zum ursprünglichen Entwurf waren sogar über 10.000 Stellungnahmen eingetrudelt.

Änderungen begrüßt, Ruf nach Präzisierungen

Inhaltlich fällt die Kritik nun milder aus, in den relevanten Stellungnahmen werden die durchgeführten Änderungen begrüßt. Die Rechtsanwälte fordern aber aus Sorge um das Berufsgeheimnis Ausnahmen in der Gesetzespassage, wonach Bezirksverwaltungsbehörden im Rahmen ihrer Coronavirus-Kontrollen etwa in Büros in alle Unterlagen Einsicht nehmen dürfen.

Rudolf Anschober
Reuters/Leonhard Foeger
Interessenvertretungen begrüßen die Änderungen in Anschobers neuen Entwürfen für die CoV-Gesetze größtenteils

Eine Präzisierung dazu im Gesetz selbst will auch die Sozialwirtschaft Österreich: „Gerade im Sozial- und Gesundheitsbereich, in dem es sich bei einem großen Anteil der Daten um äußerst sensible Daten handelt, muss einer generellen Norm zur Einsichtnahme in Unterlagen aus Gründen des Datenschutzes, aber auch gesetzlich vorgegebener Verschwiegenheitspflichten entschieden widersprochen werden.“

Der Rechtsanwaltskammertag fragte sich angesichts des Entwurfs zudem, inwieweit es den Behörden ermöglicht wird, die Einhaltung von Präventionskonzepten auch bei privaten Vereinen zu überprüfen und den jederzeitigen Zutritt zu solchen Vereinsversammlungen zu erhalten. So etwas würden die Rechtsanwälte ablehnen, weil das ein massiver Eingriff in das Vereins- und Versammlungsrecht wäre.

Volksanwälte sehen größte Schwächen beseitigt

Um einen bundesweiten Lockdown zu verhindern, sollen laut dem Entwurf auch regional differenzierte Maßnahmen möglich sein. Die Kärntner Landesregierung sieht aber in der Bestimmung, dass Verordnungen des Landeshauptmannes oder einer Bezirksverwaltungsbehörde schon vor deren Inkrafttreten dem Gesundheitsminister mitgeteilt werden sollen, gerade in Fällen mit Gefahr im Verzug eine „unnötige Erschwernis und Verzögerung“.

In der ersten Begutachtung sehr kritisch waren die Volksanwälte. Nunmehr sieht Volksanwalt Bernhard Achitz den Großteil der Schwächen beseitigt, wie er zur APA sagte. Kritisch merkte er aber an, dass die Begutachtungszeit für die neue Version nur ein paar Tage und damit sehr kurz war, wiewohl er Verständnis dafür habe, dass man bei steigenden Fallzahlen versuche, schnell zu einer Lösung zu kommen.

Auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt hat nach der Überarbeitung des Entwurfs nur noch kleinere Anregungen. In Zusammenhang mit der Sorge um das Berufsgeheimnis bei Coronavirus-Kontrollen empfehlen die Fachleute eine Klarstellung, in welche Unterlagen die Behörden Einsicht nehmen dürfen. Bei der ersten Version der Änderungen am Epidemiegesetz und am Covid-19-Maßnahmengesetz hatte die Stellungnahme des Verfassungsdienstes für Aufsehen gesorgt, weil sie Anschobers Entwurf ziemlich zerpflückte.

SPÖ: Weiter Gesprächsbedarf

Auch die SPÖ begrüßte die Änderungen, sieht aber in einigen Punkten weiter Gesprächsbedarf. Die bisherige Kritik habe Wirkung gezeigt, der neue Entwurf sei in grundlegenden Fragen verändert worden, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried. Verfassungsrechtliche Grundregeln seien jetzt deutlich besser berücksichtigt. Auch werde der Hauptausschuss im Parlament bei freiheitsbeschränkenden Verordnungen eingebunden, merkte Leichtfried positiv an.

Weiteren Gesprächsbedarf ortete Leichtfried bei den behördlichen Kontrollbefugnissen. Unklarheiten sieht die SPÖ auch bei der Frage der Kompetenzen der Gebietskörperschaften in Bezug auf freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Weiter ins Detail ging Leichtfried nicht. „Ich will den Gesprächen in der Öffentlichkeit jetzt nicht vorgreifen“, sagte er. „Wir gehen aber davon aus, dass die Erkenntnisse der neuerlichen Begutachtung von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne aufgegriffen werden.“

NEOS ortet „schwere Mängel“, scharfe FPÖ-Kritik

Nicht zufrieden ist NEOS. Die Kontrollrechte des Hauptausschusses im Parlament „gehen nicht weit genug“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Er ortete immer noch „einige schwere Mängel“ in Anschobers Vorschlag.

Loacker stieß sich auch daran, dass mit den vorgesehenen Möglichkeiten zu Betretungs- und Ausgangsverboten schwerwiegende Einschränkungen in die persönlichen Freiheiten der Bürger „durch die demokratisch nicht legitimierte Bezirkshauptmannschaft“ möglich wären. Generell sollten solche Maßnahmen nur vom Gesundheitsminister mit Genehmigung des Hauptausschusses des Parlaments erlassen werden dürfen, forderte er. Landeshauptleute oder gar Bezirkshauptleute dürften nicht so weitreichende Kompetenzen haben. Unverständlich ist für Loacker auch die „extrem lange Geltungsdauer des Gesetzes“, das mit Ende 2021 befristet ist.

Scharfe Kritik an den CoV-Gesetzen war bereits am Dienstag von der FPÖ gekommen. Die Maßnahmen seien „eine Art Verhängung des gesundheitspolitischen Kriegsrechts“ sowie „eine Art Flächenbombardement auf die Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Bevölkerung“, sagte Klubobmann Herbert Kickl. Die FPÖ beharrt auf der Durchführung eines Expertenhearings im Gesundheitsausschuss zu den geplanten Gesetzen.

Viele Stellungnahmen nach Internetaufruf

Die hohe Zahl an Stellungnahmen zum ursprünglichen Entwurf dürfte auf einen Internetaufruf durch das Institut für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie (RPP), das 2009 unter anderen von dem Psychiater Raphael Bonelli gegründet wurde, zurückgehen. Auf YouTube bezeichnete sich Bonelli in den vergangenen Monaten selbst als „Coronapanik-Jäger“. Auch bei der neuerlichen Begutachtung dürften zahlreiche Stellungnahmen auf Personen aus dem Umfeld Bonellis zurückgehen.