Zendaya
AP/The Television Academy and ABC Entertainment
Preisverleihung

„Wohnzimmer“-Emmys im Zeichen des Virus

„Pand-Emmys“ hat sie Moderator Jimmy Kimmel genannt: In der Nacht auf Montag fand die Verleihung der 72. Emmy Awards in Los Angeles fast ohne Publikum an Ort und Stelle statt. Stars waren vom Wohnzimmer aus mit von der Partie – und wurden eingeblendet. Die Gewinner waren „Succession“, „Schitt’s Creek“, „Watchmen“ und „Unorthodox“. Zum Star des Abends wurde Zendaya Coleman.

Nichts war bei der Verleihung der Emmys so, wie man es sonst beim Kick-off der Preissaison kennt. Die vielen Stars im Publikum, die über Kimmels Witze in der Rede am Anfang der Verleihung lachten, waren – als Gag – aus den Vorjahren zusammengeschnitten worden. „Natürlich haben wir kein Publikum“, so Kimmel. Nur eine Handvoll Schauspieler war abwechselnd mit ihm auf der Bühne, darunter Jennifer Aniston.

Alle anderen Nominierten wurden aus ihren Wohnzimmern eingeblendet, sie hatten extra ein Übertragungsset zugesandt bekommen mit einer Do-it-yourself-Anleitung, wie man ein Heimstudio baut – samt Beleuchtung, Kamera und Laptop. Eigentlich hätten alle Pyjamas tragen sollen, aber daran hielt sich so gut wie niemand – Abendgarderobe dominierte. Statt des roten Teppichs sah man Wohnzimmercouchs von Berlin bis LA. Kimmel blickte statt auf Publikum nur auf Pappkameradinnen und Pappkameraden der Stars.

Zendayas Wohnzimmerjubel

Der Star des Abends war fraglos Zendaya (Coleman nennt sich als Künstlerin nur Zendaya), die als beste Schauspielerin in einem Drama für ihre Rolle in der HBO-Serie „Euphoria“ ausgezeichnet wurde. Ihr Wohnzimmerjubel ging auf Social Media durch die Decke. Zudem war der Preis an sie eine der großen Überraschungen des Abends. Zendaya stach immerhin mit Olivia Colman („The Crown“) eine Oscar-Gewinnerin aus, mit Laura Linney („Ozark“) eine vierfache Emmy-Gewinnerin und mit Jennifer Aniston („The Morining Show“) einen der größten Stars. Zendayas Wohnzimmerjubel wurde das ikonische Bild der Emmy-Verleihung in Coronavirus-Zeiten.

„Nichtdank“ an Donald Trump

Die drei großen Gewinner des Abends waren das Drama „Succession“ um die kaputte Familie eines Medienmoguls, die freundliche Toleranz-Comedy „Schitt’s Creek“ und die auf einem realen Massaker an Schwarzen im US-Süden beruhende Comicverfilmung „Watchmen“.

Er wolle einigen „Nichtdank“ aussprechen, sagte Produzent und Drehbuchautor Jesse Armstrong bei der Bekanntgabe des Preises für die beste Dramaserie an „Succession“. Ein „Nichtdank“ gehe an das Virus und an Donald Trump und Boris Johnson für deren „lausige und unkoordinierte Antwort“ darauf, sagte er. Ein „Nichtdank“ gehe auch an alle Nationalisten auf der Welt und „an alle Medienmogule, die sie an der Macht halten“, sagte der Brite. Auf Social Media wurde jedoch weniger seine Rede, vielmehr seine gewöhnungsbedürftige Wohnzimmereinrichtung kommentiert.

Wenn das Telefon im Wohnzimmer klingelt

Armstrongs opulent ausgestattete Serie handelt vom alternden Patriarchen Logan Roy und davon, wie dessen Kinder um die Nachfolge in seinem Medienkonzern kämpfen. Sie wurde mit sieben Preisen ausgezeichnet, darunter auch Emmys für Jeremy Strong als bester Hauptdarsteller und Andrij Parekh als bester Regisseur. Dass während der Verleihung des Hauptpreises kurz im Hintergrund das Telefon klingelte, blieb eine der wenigen Pannen – „Zimmerservice vermutlich“, witzelte Armstrong.

Nicht nur bei Armstrong war Trump Thema vieler Gags und ernster Anspielungen. „Das hier ist keine MAGA-Rally“, sagte Kimmel als Seitenhieb auf die „Make America Great Again“-Wahlkampfreden, die US-Präsident Trump trotz Infektionsrisikos während der Pandemie vor Tausenden Anhängern hält.

Jimmy Kimmel
AP/The Television Academy and ABC Entertainment
Jimmy Kimmel ohne Publikum im Saal

Comedy-Preisregen für „Schitt’s Creek“

Danach ging Kimmel hinter die Bühne in einen Raum voller Monitore mit Schaltungen zu rund hundert Nominierten. Mit der Vergabe des ersten Preises begann dann der beeindruckende Siegeszug von „Schitt’s Creek“ in den Comedy-Kategorien – über 70 Minuten dauerte es, bis überhaupt irgendeine andere Sendung einen Preis erhielt. Bis dahin gewann in allen sieben wichtigen Sparten die warmherzige Serie über die extravagante Familie Rose, die nach Problemen mit den Steuerbehörden in ein kleines Dorf zieht, das der Vater einst als Spaß dem Sohn geschenkt hatte.

„Im Kern handelt unsere Serie davon, welche Veränderungen Liebe und Akzeptanz auslösen“, sagte Daniel Levy, der Preise als Regisseur, Autor und Nebendarsteller erhielt. „Und das ist etwas, das wir heute mehr als je zuvor brauchen“, ergänzte er, bevor er die Zuschauer engagiert aufrief, am 3. November wählen zu gehen. Außer ihm wurden auch Catherine O’Hara und Eugene Levy für ihre Hauptrollen und Annie Murphy für die beste weibliche Nebenrolle ausgezeichnet. Inklusive der Preise für die beste Comedyserie sowie für die bereits an den Vorabenden vergebenen Preisen für Casting und Kostüme kam „Schitt’s Creek“ auf neun Awards.

Regiepreis für Schraders „Unorthodox“

Bei den Emmys für Fernsehfilme und Miniserien war „Watchmen“ mit insgesamt elf Preisen der große Abräumer. In ihren Reden am Sonntag erinnerten die Macher an ein dunkles Kapitel der US-Geschichte, das der Serie zugrunde liegt: Beim Massaker von Tulsa waren laut Schätzungen im Jahr 1921 bis zu 300 Schwarze umgebracht worden. „Dieses Land vernachlässigt seine eigene Geschichte oft zum eigenen Nachteil“, sagten die Drehbuchautoren Damon Lindelof und Cord Jefferson.

Bei den Preisen für Miniserien gab es den überraschendsten Moment des Abends: Die Deutsche Maria Schrader bekam die Auszeichnung als beste Regisseurin für die vierteilige Serie „Unorthodox“ des Streaminganbieters Netflix. Sie erzählt darin die Geschichte der ultraorthodoxen Jüdin Esther, die vor ihrer Familie aus New York nach Berlin flüchtet. „Ich bin sprachlos“, sagte die auch als Schauspielerin bekannte 54-Jährige in der Liveschaltung, umgeben von einigen Mitgliedern des Teams.

Insgesamt gingen heuer mehr Preise an HBO- als an Netflix-Serien, obwohl Letztere öfter nominiert waren, was neben den Preisen für „Succession“ und „Euphoria“ vor allem an mehreren Awards für „Watchmen“ lag. „Schitt’s Creek“ wiederum, die kanadische TV-Comedy-Serie, war von Netflix ins Streaminguniversum geholt worden.