Sterbehilfeverbot wird vor VfGH verhandelt

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) befasst sich morgen in einer öffentlichen Verhandlung mit dem strikten Verbot der Sterbehilfe. Vier Antragsteller, vertreten durch den Wiener Anwalt Wolfram Proksch, wollen die Strafgesetzbuch-Paragrafen 77 („Tötung auf Verlangen)“ und 78 („Mitwirkung am Selbstmord“) kippen und damit den assistierten Suizid in Österreich ermöglichen.

Man verfüge über sehr viele und sehr gute Argumente dafür, dass die (mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug sanktionierte) Regelung, wie sie derzeit gilt, nicht weiterbestehen könne, zeigte sich Proksch auf Anfrage der APA überzeugt.

Er sei froh, dass sich der VfGH ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetze und ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet habe. Sein Gegenüber morgen ist die Republik Österreich, vertreten durch die Bundesregierung. Nach der öffentlichen Verhandlung will der VfGH weiter beraten. Die Entscheidung ergeht in der Folge schriftlich oder mündlich.

Schwierige Abgrenzung zu „terminaler Sedierung“

Die nunmehrigen Antragsteller – drei Betroffene und ein Arzt – fechten die Paragrafen 77 und 78 aus diversen Gründen an, etwa unter Berufung auf das Recht auf Leben, das Verbot der Folter, das Recht auf Religionsfreiheit (auch im negativen Sinn), die Menschenwürde, das Recht auf Selbstbestimmung und auch jenes auf Privatsphäre.

In einer freien und demokratischen Gesellschaft sei die Autonomie ein derart hohes Gut, dass der Staat nicht vorzuschreiben habe, auf welche Art man sterben wolle, und dass man auch nicht leiden müsse, wenn man das nicht wolle. Durch die bestehende Rechtslage würden leidende Menschen gezwungen, entweder entwürdigende Verhältnisse erdulden oder (unter Strafandrohung für Helfer) Sterbehilfe im Ausland in Anspruch nehmen zu müssen.

Außerdem, so der Anwalt, bestehe die Frage der Abgrenzbarkeit zu bestehenden Möglichkeiten der Sterbebegleitung, etwa zur „terminalen Sedierung“, durch die der Patient schneller stirbt und den Sterbeprozess nicht mehr mitbekommt. „Eine Abgrenzung zwischen all diesen Möglichkeiten und der Möglichkeit zum assistierten Suizid, den wir mit Anträgen fordern, ist in Wahrheit nicht mehr gegeben“, so Proksch.

Ablehnung von Kirche und Palliativgesellschaft

Der Anwalt, an den ursprünglich die Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas herangetreten war und der auch im Beirat der Österreichischen Gesellschaft für ein humanes Lebensende vertreten ist, kennt auch die Argumente der Verteidiger der bestehenden Regelung, etwa der katholischen Bischofskonferenz.

„Ist das Verbot der Tötung auf Verlangen und der Beihilfe zur Selbsttötung einmal aufgehoben, dann ist der Schritt zu einer gesellschaftlichen Normalität, die schließlich in eine soziale Pflicht pervertiert, nicht weit“, hatte diese bereits 2019 postuliert.

Für Proksch argumentieren die Gegner entweder moralisch (Suizid als sozial inadäquate Handlung), mit der Warnung eines Missbrauchspotenzials oder der Gefahr, dass Menschen etwa von Verwandten in den Selbstmord gedrängt werden könnten. Für ihn ist all das nicht haltbar.

Doch auch die Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie lehnt eine Änderung der Strafbestimmungen ab. Gestern meldete sich zudem die Österreichische Palliativgesellschaft zu Wort. „In unserer täglichen Praxis erfahren wir immer wieder, dass Menschen trotz schwerer Erkrankungen sehr gerne leben und dass viele Vorstellungen, die gesunde Menschen von schweren Erkrankungen haben, auf kranke Menschen nicht zutreffen“, hieß es darin.

Sie kritisierte, dass die unzutreffende Vorstellung vermittelt werde, dass ein würdiges und autonomes Lebensende nur auf dem Weg des assistierten Suizids oder der Euthanasie möglich sei.