Es tut sich was in Österreich in Sachen Filmregie. Hüseyin Tabak, Zubadeh Mortezai und Riahi können gar nicht genug gewürdigt werden dafür, dass sie das in Österreich sowohl im Politischen als auch im Persönlichen so zentrale Thema der Migration erstens inhaltlich so adäquat und zweitens so wundervoll filmerisch denkend angehen. Alle drei haben sie in Filmen den kindlichen Blick in den Vordergrund gerückt.
Riahi ist selbst als Kind mit seinen Eltern vom Iran über die Türkei nach Österreich geflohen. Darüber hatte er bereits 2008 den Film „Ein Augenblick Freiheit“ vorgelegt, für den er dann den Wiener Filmpreis gewann. Insgesamt soll es eine Trilogie zum Thema Flucht und Migration werden, allerdings ohne einen Zusammenhang der Handlungen. „Ein bisschen bleiben wir noch“ ist Teil zwei, ein dritter Teil ist bereits im Entstehen.
Die Bürde tschetschenischer Vornamen
„Ein bisschen bleiben wir noch“ ist nicht autobiografisch, aber autobiografisch inspiriert. Als ganz, ganz lose Vorlage diente zudem das Buch „Oskar und Lilli“ (1994) von Monika Helfer. Darin ging es allerdings nicht um Flüchtlingskinder, sondern um Kinder, die ihrer psychisch kranken Mutter vom Jugendamt weggenommen worden waren. Im Buch heißen die beiden Oskar und Lilli. Oskar und Lilli nennen sich auch im Film die zwei Flüchtlingskinder Ortsa und Leila, damit ihnen die tschetschenischen Vornamen nicht schaden können.
Ihr Vater wurde schon vor Jahren von der Familie getrennt, nun soll die Mutter mit ihren Kindern endgültig abgeschoben werden. Als es so weit ist und die Polizei vor der Tür steht, schneidet sie sich die Pulsadern auf, kommt ins Krankenhaus, wo sie wegen schwerer körperlicher und geistiger Folgen dauerhaft bleiben muss. Die Kinder werden bei Pflegeeltern untergebracht – getrennt, gegen ihren Willen. So beginnt der Film.
Figuren wie aus einem Märchen
Der Film erzählt seine Geschichte nicht zuletzt visuell. Roter Faden sind freundliche Gesichter, die die Kinder in Dingen sehen – in einem Besen mit Aufreibfetzen, in einer Kette, die wie ein Lachgesicht an zwei Saugnäpfen am Fenster hängt. Wenn schon das Leben nicht freundlich zu ihnen ist, dann sind es wenigstens die Dinge. Diese Ding-Gesichter fotografieren sie und senden sie einander mit den Smartphones zu. So bleibt die Verbindung bestehen.
Die Erwachsenen im Film sind märchenhaft überzeichnet: die verzweifelte, aber liebende Mutter; die spießigen, obermoralischen Bobo-Pflegeeltern des Buben; die parkinson- und alzheimerkranke Großmutter, die zur Komplizin des Buben wird; der selbstsüchtige, schmierige Freund der Pflegemutter des Mädchens, gegen den sich die ansonsten liebe Pflegemutter nicht so recht durchsetzen kann und will.
Lachen, weinen, mitfiebern
Das birgt bei aller Dramatik viel Humor und gibt die Sichtweise der Kinder adäquat wieder. Ungemein talentiert – natürlich gilt hier auch der Schauspielführung Riahis und seines Teams Lob – sind die jungen Darstellerinnen und Darsteller. Sowohl Oskar (Leopold Pallua) und Lilli (Rosa Zant) als auch Lillis beste Freundin Betty (Anna Fenderl) nehmen auch hartgesottene Erwachsene mit auf eine Reise, auf der gelacht, geweint und gespannt mitgefiebert wird.
Der Film ist ganz nah an der Gefühlswelt der Kinder dran und hat einen funktionierenden Spannungsbogen, auch wenn die Dramaturgie zwischendurch aufgrund der vielen Handlungsebenen ein wenig vor sich hin holpert und noch ein bisschen straffer strukturiert hätte sein können. Und an manchen Stellen wollen die Bilder gar viel – im Hotel am Schluss etwa gar ein Wes-Anderson-Film sein. Aber besser eine Spur zu viele Ambitionen als gar keine. Manche heimischen Filme wirken, als ob die Regie sich nicht darüber klar wäre, ob für eine große Leinwand gedreht wird oder für ein Nachmittagsformat im TV. Keine Frage in diesem Fall: „Ein bisschen bleiben wir noch“ ist Kino – und zwar gutes.