Überflutetes Haus in Südfrankreich
Reuters/Eric Gaillard
Von Cote d’Azur bis Venedig

Chaos nach schweren Stürmen

Nach Unwettern mit sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen werden in Südfrankreich und Nordwestitalien mehr als 20 Menschen vermisst, ein Feuerwehrmann kam bei Rettungsarbeiten im italienischen Aostatal ums Leben. Zahlreiche Häuser wurden im Hinterland der französischen Cote d’Azur und in der italienischen Region Piemont von den Wassermassen weggerissen, ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Vielerorts laufen nun die Aufräumarbeiten.

Mindestens acht Menschen wurden in Frankreich vermisst. Von zahlreichen anderen fehle eine Nachricht, sagte der französische Regierungschef Jean Castex am Samstag. Es gebe „große Sorge über die endgültige Bilanz“. Castex und der französische Innenminister Gerald Darmanin waren nach Südfrankreich geeilt, um sich ein Bild im betroffenen Departement Alpes-Maritimes zu machen. Castex sicherte der Bevölkerung Unterstützung zu; am Mittwoch werde das Kabinett den Katastrophenzustand für die betroffenen Gemeinden ausrufen.

Der im ganzen Land bekannte Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, war sichtlich betroffen: „Wir sind mit einem Unglück konfrontiert, wie ich es in Alpes-Maritimes noch nicht erlebt habe.“ Der konservative Politiker kündigte laut Medien an, dass die Armee in der Region eingesetzt werden solle. Etwa 100 Häuser seien in der Region zerstört oder beschädigt worden, so Estrosi.

Überschwemmungen an der Cote d’Azur

Schwere Regenfälle haben zu Überschwemmungen in Südfrankreich geführt. In dem Dorf Saint-Martin-Vesubie stürzte eine Brücke ein, mehrere Menschen werden vermisst.

Viele Dörfer abgeschnitten

Der Abgeordnete Eric Ciotti sprach von „Horrorszenen“. Sein Heimatdorf Saint-Martin-Vesubie in den Bergen nördlich von Nizza sei teilweise zerstört worden. Laut Medien wurde der Friedhof des Ortes fortgerissen.

Viele Straßen der Region mit tief eingeschnittenen Gebirgstälern waren nicht mehr passierbar. Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten. Tausende Haushalte waren ohne Strom. Am Flughafen Nizza laufe der Flugbetrieb wieder normal, teilte der Airport via Twitter mit.

Zerstörtes Haus im Piemont
APA/AFP
Haus und Straße wurden im Piemont von den Wassermassen weggerissen

Feuerwehrmann bei Rettungsaktion getötet

Dramatisch war auch die Lage im benachbarten Norditalien. Dort kamen zwei Menschen ums Leben. Ein freiwilliger Feuerwehrmann aus der Gemeinde Arnad im Aostatal starb bei einer Rettungsaktion durch einen umgestürzten Baum, wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete.

Im Piemont geriet laut Agentur ein Mann in der Nacht im Auto bei Vercelli in die Wassermassen des Flusses Sesia – er wurde weggespült. Auch in Ligurien richteten überschwemmte Flüsse und umgekippte Bäume starke Schäden an. Zahlreiche Menschen wurden vermisst. Viele Haushalte waren ohne Strom.

Wanderer hatten sich in Hütte geflüchtet

In der norditalienischen Region Piemont meldeten die Behörden zeitweise um die 20 Vermisste. Auch eine deutsche Trekkinggruppe habe sich zunächst nicht bei einem Hotelier gemeldet, der sie nach einer mehrtägigen Tour bei Terme di Valdieri abholen sollte, hieß es. Die Wanderer wurden von der Bergrettung auf einer Hütte entdeckt und in Sicherheit gebracht. Im Aostatal waren einige Orte nach Erdrutschen und Brückenschäden zeitweise vom Verkehr abgeschnitten.

Es gab Hunderte von Noteinsätzen in den italienischen Unwettergebieten seit Freitagabend. Tunnel wurden durch Wassermassen überflutet, und Straßen mussten gesperrt werden. Besonders heftig traf es dabei die piemontesische Provinz Cuneo. Der Bürgermeister von Limone Piemonte sprach von einer „katastrophalen Lage“.

Der mobile Damm vor Venedig
Reuters/Manuel Silvestri
Der Hochwasserschutz MOSE vor Venedig

Venedig fuhr MOSE hoch

Die Schlechtwetterfront zog auch in Richtung Venetien. In Venedig wurde die neue Hochwasserschutzanlage MOSE hochgefahren, wie ANSA schrieb. Die Tore der Flutschleusen an den Öffnungen der Lagune seien in Betrieb genommen worden. Die neu gebaute Anlage war in den vergangenen Monaten ausgiebig getestet worden. Sie soll schlimme Hochwasser in der Lagunenstadt verhindern.

Schwere Unwetter in Norditalien

Besonders betroffen waren die westlichen Regionen Ligurien und Piemont. Flüsse traten über ihre Ufer. Es kam zu Überschwemmungen.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sprach Menschen, die vom Herbststurm „Alex“ getroffen waren, via Twitter sein Mitgefühl aus. Der Sturm hatte in der Bretagne im Nordwesten des Landes erhebliche Schäden verursacht. „Gemeinsam werden wir diese Bewährungsprobe bestehen“, schrieb der 42-Jährige.

Zerstörtes Haus in Südfrankreich
APA/AFP/Nicolas Tucat
Zerstörtes Haus in Südfrankreich

Erinnerungen an 2015

Unwetter mit schweren Folgen sind in Südfrankreich keine Seltenheit. Im Herbst vergangenen Jahres kamen 14 Menschen ums Leben. Die dicht bebaute Cote d’Azur wurde genau vor fünf Jahren von schweren Unwettern getroffen, 20 Menschen starben damals. Nizza und die Cote d’Azur sind insbesonders in den Sommermonaten bei Urlaubern beliebt. Die Corona-Krise beeinträchtigt jedoch seit dem Frühjahr den Tourismus, der für die Region eine wichtige Einnahmequelle ist.