Amy Coney Barrett
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Neue US-Höchstrichterin

Fragezeichen hinter Eileinsetzung

Die CoV-Erkrankung von Präsident Donald Trump und mehreren Senatoren bringt nicht nur den Wahlkampf durcheinander – sie könnte auch die umstrittene Berufung von Amy Coney Barrett zur neuen US-Höchstrichterin gefährden. Denn zur Abstimmung über ihre Berufung muss zunächst der Justizausschuss und dann der gesamte Senat zusammentreten. Im Plenum wackelt die nötige Mehrheit.

Denn mittlerweile bestätigten drei republikanische Senatoren, dass sie positiv getestet wurden, zwei von ihnen sind Mitglieder im für die Bestätigung zunächst zuständigen Justizausschuss.

Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell setzte – um eine weitere Verbreitung der Infektionen im Senat möglichst zu verhindern – alle Plenarsitzungen für die nächsten zwei Wochen aus. Zugleich soll der Justizausschuss trotzdem mit der mehrtägigen Anhörung Barretts – diese soll virtuell stattfinden – beginnen. Sie soll am 12. Oktober starten. Die Demokraten kritisierten diese Entscheidung.

Drei Senatoren positiv

Seit Freitag hatten drei Senatoren – die Republikaner Mike Lee, Thom Tillis und Ron Johnson – positive CoV-Tests bekanntgegeben. Lee und Tillis sind auch Mitglieder im Justizausschuss. Von Tillis gibt es Fotos, auf denen er Menschen nach der Vorstellung Barretts im Garten des Weißen Hauses umarmt.

Präsident Trump und die Republikaner im Senat wollen Barrett noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November ins Amt bringen. Nach McConnells Plan soll die Abstimmung im Plenum des Senats am 26. Oktober über die Bühne gehen – also eine Woche vor der Wahl.

Zuschauer bei der Präsentation von Amy Coney Barrett
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Dicht an dicht und kaum jemand mit Maske: Barretts Präsentation im Weißen Haus könnte auch Trump CoV „beschert“ haben

Die demokratischen Mitglieder im Justizausschuss kritisierten am Samstag, die Fortsetzung der Arbeit gefährde die Gesundheit der Beteiligten. Der republikanische Ausschusschef Lindsey Graham erklärte, die Senatoren könnten auch per Videokonferenz an den Sitzungen teilnehmen.

51 Stimmen nötig

Sollten alle drei nun CoV-positiven Senatoren nicht abstimmen können, würde McConnell die nötige Mehrheit fehlen, um Barrett gegen den Willen der Demokraten zu bestellen. Denn zwei moderate republikanische Senatorinnen, Susan Collins von Maine und Lisa Murkowski von Alaska, haben bereits klargemacht, dass sie gegen Barretts Bestellung vor der Präsidentschafts- und Kongresswahl am 3. November sind.

Mindestens 51 Stimmen sind nötig, auch wenn die auf Lebenszeit bestellten Höchstrichterinnen und -richter traditionell von einer möglichst breiten Mehrheit gestützt werden sollen. Die Republikaner haben 53 und die Demokraten 45 Sitze im Senat. Zwei Senatoren sind unabhängig.

Thom Tillis und Amy Coney Barrett
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Tillis mit Barrett

Überlegungen für Notfall

Für den Fall, dass sich weitere republikanische Senatoren in Quarantäne begeben müssen oder Tillis, Lee oder Johnson erkranken, braucht McConnell einen Notfallplan. Laut „New York Times“ wird überlegt, die Abstimmung des Justizausschusses im Plenarsaal abzuhalten. Dort könnten infizierte Senatoren in der Gallerie platziert werden – mit dem nötigen Abstand von den gesunden Kolleginnen und Kollegen. Wie die Abstimmung des Plenums mit möglicher Anwesenheit infizierter Senatoren vonstatten gehen könnte, ist noch unklar.

Die Demokraten beschwerten sich darüber, dass die Republikaner trotz der aktuellen Lage unbedingt am Zeitplan festhalten wollen, und verwiesen auf das Gesundheitsrisiko für alle im Kongress Arbeitenden. Die Demokraten fordern, dass erst der Sieger der Präsidentschaftswahl über die Besetzung des Postens der jüngst verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg entscheiden sollte. Sie warnen unter anderem, dass Barrett vermutlich für die Abschaffung der Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama stimmen würde.

Präsentation Barretts im Fokus

Die Infektionen zumindest von zwei der Senatoren lenken zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Veranstaltung im Weißen Haus am vergangenen Samstag, bei der Barrett als Kandidatin vorgestellt wurde. Die Veranstaltung war zwar unter freiem Himmel im Garten des Weißen Hauses, es war aber gut zu sehen, dass viele Teilnehmer keine Masken trugen und keinen Abstand hielten. Auch der Präsident der katholischen Universität Notre Dame, der anwesend war, teilte am Freitag mit, dass sein CoV-Test positiv ausgefallen sei.

Mit Barrett bekämen die Konservativen eine dominierende Mehrheit von sechs zu drei Stimmen im obersten Gericht, das immer wieder wichtige Weichen für die US-Gesellschaft stellt, etwa bei Einwanderung, Gesundheitsversorgung oder dem Recht auf Abtreibung.