Erwachsenenhand hält Kinderhand
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Beispiel Kinderhospiz

Coronavirus und die fragilsten Kleinen

Der Umgang mit dem Coronavirus hat Auswirkungen auf die sensibelsten und fragilsten Bereiche unserer Gesellschaft. Etwa auf den Umgang mit todkranken Kindern. Im Kinderhospiz Netz in Wien etwa fürchtet man gerade die Folgen der Isolierung jener Familien, die ihren kranken Kleinsten gemeinsam mit Helferinnen und Helfern ein möglichst schönes Leben ermöglichen wollen. Viele hätten sich total eingekapselt, berichtete die Leiterin des Vereins, Sabine Reisinger, gegenüber ORF.at. Und erläuterte, wie man gemeinsam durch diese Zeit kommt.

Wie schwer die Auswirkung eines Lockdowns sein können, wird deutlich, wenn man auf die Schutzbedürftigsten unserer Gesellschaft blickt. Im ersten Wiener Kinderhospiz auf der Meidlinger Hauptstraße führt das ausschließlich über Spenden finanzierte Kinderhospiz Netz seit Jahren eine Tageseinrichtung, um den Eltern, die ihre sterbenskranken Kinder aus dem Spitalsbereich zu sich nach Hause geholt haben, Zeit zum Durchschnaufen, Erholen – oder für wichtige Wege zu ermöglichen.

„Während des Lockdowns war das Tageshospiz geschlossen, die Familien wurden alle weiter betreut, nur auf eine andere Art und Weise, weil der persönliche Kontakt weitgehend unerwünscht war“, berichtete Reisinger, die den Verein im Jahr 2005 gemeinsam mit der Palliativmedizinerin Brigitte Humer-Tischler ins Leben gerufen hatte, im Gespräch mit ORF.at.

Schwester, die zwei Kinder betreut
Eva Silberknoll
Betreuung im Tageshospiz. Nach dem Lockdown arbeitet man unter neuen Sicherheitsbedingungen.

Reisingers Tochter Lisa war im Jahr 1997 im Alter von zwei Monaten im Spital gestorben. Aus ihrer eigenen Erfahrung und dem Wunsch, Kinder, die todkrank sind, ins häusliche Umfeld ihrer Familie zurückzubringen, hatte sie zunächst den Verein Netz ins Leben gerufen. Dank großer Spendenunterstützung konnte ein größerer Standort in Meidling mit verschiedenen Betreuungsangeboten für schwerstkranke Kinder gefunden werden. Und der Verein wurde zum Inspirator für andere Gründungen in diesem Bereich.

„Familien dürfen nicht weiter in Isolation kippen“

Reisinger sieht im Moment die Aufgabe vor allem darin zu verhindern, dass die Familien durch die CoV-Schutzmaßnahmen nicht weiter in Isolation kippen – sie fügte aber hinzu, dass der Verein natürlich alle Schutzmaßnahmen auf der höchsten Sicherheitsstufe im Umgang mit den Kindern und Familien einhalte. Hausbesuche etwa seien jetzt nur mit kompletter Schutzkleidung möglich.

Sabine Reisinger, Obfrau des Kinderhospitz Netzes
Eva Kelety
Reisinger, als Betroffene Gründerin des Vereins Kinderhospiz Netz

„Es war wichtig zu verhindern, dass die Familien in zusätzliche Isolation fallen. Deshalb waren wir auch während des Lockdowns mit den Familien telefonisch laufend in Kontakt“, berichtete sie. Und fügte hinzu, dass sich die Familien auch untereinander ausgetauscht hätten.

Ehrenamtliche Mitarbeiter hätten sich während des Lockdowns verstärkt gerade auch mit den Geschwistern dieser Kinder auseinandergesetzt, mit ihnen gelernt und auch gebastelt. Überhaupt, so sieht man bei einen Rundgang durch die Betreuungszimmer in Meidling, ist die sichere, geborgene Atmosphäre das Um und Auf neben der palliativen und medizinischen Versorgung der kleinen Patienten. Die Kinder und ihre Angehörigen sollen sich geschützt fühlen – alles soll möglichst wenig nach „Spital“ aussehen, wenngleich wichtige medizinische Gerätschaft wie Beatmungsmaschinen und lebenserhaltende Apparate überall zu sehen sind – aber gut in eine Form der Wohnzimmeratmosphäre integriert.

„Den Kontakt halten“

Das Wichtigste, so kann man Reisinger verstehen, sei, dass der Kontakt bestehen bleibt. „Medizinische und pflegerische Handlungen mussten selbstverständlich gemacht werden. In der Zwischenzeit haben wir alle Angebote unter erhöhten Sicherheits- und Hygieneauflagen wieder aufgenommen, seit Juni ist das Tageshospiz wieder geöffnet, die Familien werden regelmäßig sowohl vom Palliativteam als auch von den Ehrenamtlichen besucht und betreut“, berichtete sie.

Fuß von Kind mit einem Stoffhund
Eva Silberknoll
Kontakt halten – gerade in Zeiten von CoV-Maßnahmen eine der größten Herausforderungen im Kinderpalliativbereich

Es habe aber auch Familien gegeben, so Reisinger, die sich sehr abgekapselt und zurückgezogen hätten: „Sie wollen kaum Betreuung, nur die notwendigste, verlassen die Wohnung kaum, die gesunden Geschwister gehen nicht in die Schule und auch nicht zu den Aktivitäten der Geschwistergruppe. Sie wollen auch nicht, dass Ehrenamtliche sie besuchen kommen.“

Um diese Gruppen mache man sich große Sorgen und versuche, das auch gemeinsam anzusprechen und den Kontakt wiederherzustellen. Welche Auswirkungen die Pandemie langfristig auf Familien hätte, würde man erst viel später sagen können. „Es ist diesbezüglich wichtig, immer im Gespräch mit den Eltern und wenn möglich auch mit den Kindern oder jungen Erwachsenen zu sein und auf ihre Wünsche einzugehen.“

Schwierigkeiten beim Spendenaufkommen

Deutlich erschwert ist für ein ausschließlich spendenfinanziertes, privates Projekt das Hinausgehen und das Werben für Unterstützer. Gerade für Vereine hätten Weihnachtsmärkte eine große Bedeutung – das drohe heuer wegzubrechen. „Noch sind die Spenden dank unserer treuen Spender und Spenderinnen nicht eingebrochen“, berichtete Reisinger. Aber viele Veranstaltungen habe man absagen müssen.

Umso erfreulicher für den Verein, dass am Donnerstag nun der Benefizklavierabend der Pianistin Dora Deliyskas im Wiener Musikverein stattfinden kann.