Ein Arbeiter montiert einen Banner mit der Aufschrift „Vice Presidential Debate“
AP/Patrick Semansky
TV-Duell Pence – Harris

US-Vizekandidaten wichtiger denn je

Rund vier Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl treten die Vizekandidaten Mike Pence und Kamala Harris am Mittwochabend (Ortszeit) in einem Fernsehduell in Salt Lake City im Bundesstaat Utah gegeneinander an. Die „Running Mates“ der Präsidentschaftskandidaten sind dieses Mal wichtiger denn je.

Das Duell der Vizekandidaten wird in diesem Jahr mit besonderer Spannung erwartet. Nicht nur hatten Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden einander vergangene Woche eine chaotische Fernsehdebatte geliefert. Wegen des hohen Alters von Trump (74 Jahre) und Biden (77 Jahre) dürfte dem künftigen Vizepräsidenten oder der künftigen Vizepräsidentin eine besondere Rolle zukommen. Er oder sie würde die Amtsgeschäfte übernehmen, sollte der Präsident schwer erkranken oder gar im Amt versterben.

In der Verfassung findet sich wenig über die konkreten Aufgaben des Vizepräsidenten, der wegen der Abkürzung VP umgangssprachlich „Veep“ genannt wird. Protokollarisch ist er die Nummer zwei im Staat. Sein tatsächlicher Einfluss hängt stark davon ab, wie viel Raum der Präsident ihm oder ihr lässt – und wie er selbst das Amt gestaltet. Der derzeitige Vize Mike Pence gilt neben Trump als relativ wenig einflussreich. Der Vizepräsident ist kraft seines Amtes auch der Vorsitzende des US-Senats. Ein Stimmrecht hat er aber nur, wenn es in der Kongresskammer mit den 100 gewählten Senatoren zu einer Pattsituation kommt. Dann gibt der Vizepräsident mit seiner Stimme den Ausschlag. Viele Präsidenten nutzten ihren Stellvertreter auch als Verbindungsmann zum Kongress bei Verhandlungen über neue Gesetze.

Im Schatten der Pandemie

Im Vorfeld der Debatte wurde auch bekannt, dass Präsidentenberater Stephen Miller am Dienstag positiv getestet worden war. Millers Ehefrau Katie Miller ist Sprecherin von Pence und flog mit dem Vizepräsidenten nach Salt Lake City. Laut US-Medienberichten war ihr Test am Dienstag negativ, sie habe Salt Lake City trotzdem verlassen.

Die demokratische US-Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris
APA/AFP/Getty Images/Ethan Miller
Kamala Harris geht mit Joe Biden ins Rennen um das Weiße Haus

Auch das Setting des TV-Duells ist durch das Coronavirus geprägt. Bei der TV-Debatte werden der republikanische Vizepräsident und die demokratische Senatorin wegen der Coronavirus-Infektion von Präsident Donald Trump durch Plexiglas getrennt sein.

„Wenn Harris eine Festung um sich wünscht, dann los“

Wie das Magazin „Politico“ berichtete, bewilligte die für die Organisation der Präsidentschaftsdebatten zuständige Kommission die Errichtung der Plexiglasscheibe. Unterstützt wurde die Maßnahme auch von der Cleveland Clinic, die für die Ausarbeitung der speziellen Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen während der TV-Duelle zuständig ist. Laut „Politico“ soll bei der Debatte am Mittwoch zudem der Abstand zwischen Harris und Pence auf vier Meter vergrößert werden.

Der amerikanische Vizepräsident Mike Pence
APA/AFP/Mandel Ngan
Vizepräsident Mike Pence ist wieder an Trumps Seite

Dem Bericht zufolge hatte sich Harris für die Plexiglaslösung ausgesprochen, während das Wahlkampfteam von Pence dagegen war. Das Team von Pence stimmte der CoV-Vorsichtsmaßnahme erst zu, nachdem es sich ein Bild von der Konstruktion gemacht hatte, wie die „Washington Post“ schrieb – und dann noch mit einem Seitenhieb auf Harris. „Wenn Senatorin Harris eine Festung um sich herum wünscht, dann los“, sagte Pence’ Sprecherin Miller zu „Politico“. Die Diskussion über erhöhte Schutzvorkehrungen bei den TV-Duellen war nach Bekanntwerden der CoV-Infektion Trumps entflammt. Die zweite TV-Debatte der Präsidentschaftskandidaten ist am 15. Oktober geplant, die dritte am 22. Oktober.

Harris soll Schwarze und Frauen mobilisieren

Harris wurde 1964 im kalifornischen Oakland als Tochter eines aus Jamaika eingewanderten Wirtschaftsprofessors und einer aus Indien stammenden Krebsforscherin geboren. Sie studierte an der historischen Schwarzenuniversität Howard University in Washington und machte einen Jusabschluss an der University of California. Harris hat große Erfahrung: Nach Jahren als Staatsanwältin in San Francisco wurde sie 2011 als erste Frau und erste nicht weiße Generalstaatsanwältin und damit Justizministerin von Kalifornien. Sechs Jahre später zog sie in den Senat in Washington ein.

Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz Ende Mai und den dadurch ausgelösten landesweiten „Black Lives Matter“-Protesten stieg der Druck auf Biden, eine nicht weiße Kandidatin auszuwählen. Harris soll helfen, die Wählerstimmen von Schwarzen und Frauen zu mobilisieren. Allerdings betrachten im Vorfeld ihrer Bestellung als „Running Mate“ nicht wenige Harris’ Vergangenheit als kalifornische Justizministerin als Problem. Sie galt damals als hart und wenig reformorientiert, was sie insbesondere bei Minderheiten umstritten machte.

Vize-Kandidaten: Harris und Pence im Porträt

Kamala Harris und Mike Pence kandidieren um das Amt des US-Vizepräsidenten. Am Mittwochabend treffen die Kontrahenten bei einer TV-Debatte aufeinander.

Pence als Hardliner bekannt

Bekannter ist Pence. „Ein Christ, ein Konservativer, ein Republikaner, in dieser Reihenfolge“ – so beschreibt sich der 1959 in Columbus, Indiana geborene Pence selbst. Pence wuchs in einer Mittelschichtfamilie in Indiana auf. Der frühere Rechtsanwalt und Radiomoderator gehörte zwölf Jahre lang dem US-Repräsentantenhaus an, bevor er 2012 zum Gouverneur seines Heimatstaates gewählt wurde. Als Gouverneur des Mittelweststaates Indiana setzte er eines der rigidesten Antiabtreibungsgesetze des Landes in Kraft.

Der erbitterte Abtreibungsgegner gilt auch als Brücke zur wichtigen Gruppe evangelikaler Christen. Pence agierte oft als Hardliner, neben Abtreibung vor allem, wenn es um Homosexualität geht. Er unterzeichnete auch ein äußerst umstrittenes Gesetz zur „Religionsfreiheit“, das es – so stellten es jedenfalls die Kritiker dar – Geschäften erlaubt, Homosexuelle nicht zu bedienen. Angesichts der Welle der Empörung revidierte er das Gesetz später. Auch stellte er wissenschaftliche Erkenntnisse zur Erderwärmung infrage.