Kleider auf einem Kleiderständer
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Saudi-Arabien – Türkei

Modeketten geraten in Machtkampf

Die Türkei und Saudi-Arabien befinden sich seit Jahren in einem zunehmend heftigen Ringen um Einfluss und Macht in der Region. Von Syrien über Katar, vom Mordfall Jamal Khashoggi (Dschamal Chaschukdschi) bis hin zu Libyen reichen die Auseinandersetzungen. Nun geraten auch internationale Modeketten wie Mango und H&M in den Konflikt.

Denn seit mehreren Wochen ist laut einem Bericht der „Financial Times“ („FT“) in Saudi-Arabien ein inoffizielles Importverbot türkischer Produkte in Kraft. Ein Mitarbeiter der spanischen Modekette Mango informierte in einer E-Mail die türkischen Lieferanten, Saudi-Arabien habe „alle Importe von ‚Made in Turkey‘-Erzeugnissen verboten“. Offiziell sprach Mango davon, dass man derzeit nach Alternativen zu der „verlangsamten Zollabwicklung für türkische Produkte in Saudi-Arabien“ suche.

Mango ist nur einer von vielen namhaften westlichen Modekonzernen, die in der Türkei produzieren lassen. Für das Land selbst ist die Textilindustrie wiederum einer der wichtigsten Wirtschaftszweige.

„Geht um alle globalen Marken“

Der wichtigste Verband der Gewandproduzenten, die Istanbul Apparel Exporters’ Association (IHKIB), betonte gegenüber „FT“, alle türkischen Produzenten seien betroffen. „Es geht um alle globalen Marken, die Geschäfte in Saudi-Arabien haben, in der Türkei produzieren und die Ware dort verkaufen“, so IHKIB-Chef Mustafa Gultepe.

Türkische Exporteure beklagten im letzten Monat starke Verzögerungen bei der Zollabwicklung in Saudi-Arabien. Unternehmen sehen darin den Versuch, die Türkei für die Bestrebungen von Präsident Recep Tayyip Erdogan zu bestrafen, die Rolle des Landes als regionale Vormacht auszubauen.

Offizielles Dementi

Offiziell bestreitet Riad, dass es ein Importverbot gibt. Man habe keinerlei Beschränkungen für türkische Produkte verhängt, hieß es auf „FT“-Anfrage. Rückgänge bei Handelsvolumen wurden vielmehr mit den Folgen der CoV-Pandemie erklärt.

Der Chef der Handelskammer von Riad, Adschlan al-Adschlan, rief im Oktober allerdings zu einem Boykott aller türkischen Produkte als „Antwort auf die fortgesetzte Feindseligkeit der türkischen Regierung gegenüber unserer Führung, unserem Land und den Menschen“ auf.

Türkische Verbände für Verhandlungen

Am Wochenende sprachen sich türkische Wirtschaftsverbände für Gespräche aus, um den Streit beizulegen. Die Türkei exportierte im Vorjahr deutlich mehr, als sie aus Saudi-Arabien importierte. Die Modekette Mango spielte die Auswirkungen herunter. Man sei bei der Produktion sehr flexibel. Die schwedische Modekette H&M betonte, es sei zu früh, um die Folgen der jüngst bekanntgewordenen Restriktionen einschätzen zu können.

Maersk warnte Exporteure vor

Maersk, das größte Container-Schifffahrtsunternehmen der Welt, warnte türkische Kunden im September vor. Wegen wachsender Probleme beim saudischen Zoll empfahl sie den türkischen Exporteuren, „notwendige Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um mögliche Verluste zu minimieren“.

Viele bilaterale Minenfelder

Politisch sind die Spannungen zwischen den beiden Ländern in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Beide haben starke Ambitionen, als Regionalmacht geostrategisch an Gewicht zu gewinnen. Sowohl in Syrien als auch in Libyen verfolgen Ankara und Riad entgegengesetzte Interessen.

Davor waren die beiden Länder aneinandergeraten, als sich Erdogan 2017 im Streit Katars mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten demonstrativ auf die Seite Katars stellte. Auch damals versuchte Riad, Katar mit wirtschaftlichem Druck de facto dazu zu bringen, Riad als regionale Vormacht anzuerkennen. So sollte Katar unter anderem eine türkische Militärbasis auflösen. Stattdessen entsandte Erdogan zusätzliche Truppen und zog den Ärger Riads auf sich.

Die Spannungen erreichten dann mit der Ermordnung des Journalisten Khashoggi durch saudische Agenten im Konsulat des Königreichs in Istanbul vor zwei Jahren einen Höhepunkt. Khashoggi war ein Kritiker des saudischen De-facto-Machthabers Kronprinz Mohammed bin Salman.

Erdogans Achillesferse

Mit den Sanktionen trifft Riad Ankara jedenfalls an dem vielleicht wundesten Punkt, denn das NATO-Mitglied steht wirtschaftlich schwer unter Druck. Die Notenbank hat seit dem Frühjahr bedeutende Teile der Währungsreserven verwendet, um die Lira zu stützen. Doch selbst diese Bemühungen laufen mittlerweile ins Leere. Auch die überraschende Zinserhöhung im September scheint inzwischen verpufft zu sein. Der Verfall der Landeswährung bringt das Land zunehmend in Bedrängnis. Allein seit Jahresauftakt hat die Lira fast ein Drittel verloren – binnen eines Jahrzehnts sind es mehr als 80 Prozent.

Das treibt die Inflation – und damit die täglichen Kosten für die Bevölkerung – deutlich in die Höhe. Im September ging die Teuerungsrate leicht zurück, liegt mit 11,75 Prozent aber weit über der Zielmarke der Notenbank von fünf Prozent. Experten rechnen nicht damit, dass sich die Inflation bald beruhigt.

Die Teuerung ist jedenfalls ein wunder Punkt für die Türkei, die auf eine Geschichte sehr stark steigender Lebenshaltungskosten zurückblickt – die Zeit der Hyperinflation wurde erst vor 17 Jahren überwunden. Trotz des Verfalls des Erdölpreises dürfte Saudi-Arabien wirtschaftlich gesehen den längeren Atem haben.