Kind mit Familie am Esstisch
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Kinder keine „Virenschleudern“

Verschiedene Gründe für Experten denkbar

Angesichts weiter steigender CoV-Zahlen in Österreich steigt auch die Angst vieler Eltern vor einer neuerlichen Homeschooling-Phase. Clusteranalysen zeigen aber, dass der Bildungsbereich bei den Ansteckungen keine große Rolle spielt, der Familien- und Freundeskreis hingegen ist in dieser Hinsicht besonders gefährlich. Die Rolle der Kinder bei der Übertragung des Virus wird überschätzt, so die Österreichische Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP).

Dass Kinder wesentlich seltener und weniger stark an Covid-19 erkranken, könnte unterschiedliche Gründe haben, so ÖGP-Präsident Ernst Eber (Universitäts-Kinderklinik Graz). Zum einen weisen Kinder und Jugendliche weniger ACE2-Rezeptoren im Gewebe auf. Diese Rezeptoren an der Zelloberfläche werden von SARS-CoV-2 zum Andocken verwendet.

Ein zweiter möglicher Faktor laut dem Pneumologen: ein trainiertes Immunsystem. „Kinder machen relativ viele virale Infekte durch. Es kann der Fall sein, dass dadurch ihr Immunsystem besonders trainiert wird. Außerdem erhalten Kinder viele Impfungen.“ So würden sie selbst seltener – und dann vor allem in der Familie durch Erwachsene – mit SARS-CoV-2 infiziert, andererseits verlaufe eine etwaige Erkrankung milder.

Laut Eber gehörten nur etwa acht Prozent aller bestätigten Infizierten in Österreich der Altersgruppe von null bis 14 Jahren an, 1,5 Prozent waren unter fünf Jahre alt. Von 4.000 Kindern und Jugendlichen musste bisher nur knapp ein Prozent stationär behandelt werden, nur eine kleine Minderheit davon auf der Intensivstation.

Übertragung von Kindern auf andere selten

Die oft große Aufregung mit Infektionen in Kindergärten und Schulen samt schneller Schließung von Einrichtungen ist laut Pneumologen eher voreilig. „Grundsätzlich ist es so, dass die Übertragung von Kindern zu anderen sehr, sehr gering ist. Die Schulinfektionsrate liegt bei 0,5 Prozent, in Kindergärten bei einem Prozent“, so Ebner. Wichtig sei, „dass man Kontakte schnell identifiziert. Und das rasche Testen, um komplette Schulschließungen zu verhindern.“ Daten zur geringen Übertragungsrate von SARS-CoV-2 in Schulen und Kindergärten stammen vor allem aus Studien in Australien.

Kinder mit Schultüten
APA/Roland Schlager
Verdachtsfälle in Schulen gab es schon viele, große Cluster im Bildungsbereich blieben bisher glücklicherweise aus

Verlängerung der Herbstferien laut Minister nicht geplant

Auch ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann erklärte am Montag, dass die Zahlen zeigen, dass Schulen nicht die Orte der Infektionsweitergabe seien. Gerade bei den Sechs- bis 14-Jährigen seien die Zahlen „ausgesprochen gering“. In der Schule würden die Kinder zudem sozialisiert und betreut. „Wenn man hier ein Element herausnimmt, führt das schon zu gesellschaftlichen Friktionen.“ Eine Verlängerung der Herbstferien, wie sie gerüchteweise im Raum stand, sei demnach „weder geplant noch beabsichtigt“, so Faßmann.

Die Letztentscheidung über großflächige Schulschließungen liegt freilich laut Faßmann bei der Bezirksverwaltungsbehörde (im Bezirk) bzw. bei den Landeshauptleuten (im Bundesland) oder dem Gesundheitsministerium (bundesweit).

Eltern hoffen auf normalen Unterricht

Es sei sehr wichtig, dass nach den Herbstferien wieder normaler Unterricht stattfinde, betonte die Sprecherin des Bundesverbands der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen Österreichs, Elisabeth Rosenberger, in einem Schreiben an das Bildungsministerium. Sie verweist auf die im Lockdown entstandenen Wissenslücken bei so manchen Schülern und Schülerinnen. „Für Eltern wäre es nicht nachvollziehbar, wenn Bildungseinrichtungen prophylaktisch gesperrt werden, Lokale und Fitnessstudios aber offen gelassen werden und private Familienfeiern weiterhin gestattet bleiben.“ Viele Eltern hätten ihren Urlaub bereits im Frühjahr und Sommer aufgebraucht. Ihre Kinder erneut zu Hause zu betreuen würde daher viele vor massive, oft unlösbare Probleme stellen.

Eine Quarantäne einzelner Schüler oder Klassen sei selbstverständlich fallweise notwendig und nachvollziehbar, und die Eltern würden auch alle Maßnahmen für eine rasche Testung von „Verdachtsfällen“ unterstützen. Aber: „Wir Eltern brauchen die Gewissheit, dass Schule wieder ein planbarer Fixpunkt in diesen schwierigen Zeiten ist und Kinder einen Ort haben, an dem sie in gewohnter Umgebung lernen und sich auch sozial entwickeln können.“

Bildungspersonal bringt Virus eher mit als Kinder

Laut den Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) waren in der Vorwoche von insgesamt 430 Clustern 252 dem Bereich Haushalt zugeordnet, nur 14 dem Bereich Bildung und fünf galten als Mix Bildung/Haushalt. „Die Schule als Ansteckungsort stimmt nicht“, stellte der Vorsitzende der Coronavirus-Kommission, Ulrich Herzog, vorige Woche fest. Bildungscluster würden zwar zunehmen, jedoch wären es Lehrerinnen und Lehrer bzw. Betreuerinnen und Betreuer, die das SARS-CoV-2-Virus mitbringen.