Seit 1992 ist Georgia im Südosten der USA fest in republikanischer Hand. Bei der Präsidentschaftswahl im November gilt der Bundesstaat aber als „Swing-State“ – Umfragen zufolge stehen die Chancen des demokratischen Kandidaten Joe Biden nicht schlecht, die 16 Wahlmänner Georgias für sich zu gewinnen. Ausschlaggebend dafür könnten die Stimmen der afroamerikanischen Bevölkerung sein.
Georgia zählt zu den US-Bundesstaaten mit dem höchsten Anteil afroamerikanischer Wählerinnen und Wähler. Ihr Misstrauen gegenüber dem Wahlsystem ist groß: Ausgerechnet in den Wahlbezirken, in denen besonders viele Schwarze leben, kam es schon bei der Vorwahl im Frühsommer zu den meisten Komplikationen mit um über 100 Mio. Dollar neu angeschafften Wahlcomputern.
Schon am ersten Tag der Frühwahl wiederholten sich diese Szenen: Wahlcomputer mussten mehrfach neu gestartet werden, woraus vielfach stundenlange Wartezeiten resultierten, berichtete die „New York Times“. In der Hauptstadt Atlanta und deren Vororten mussten sich die Menschen laut übereinstimmenden Medienberichten bis zu zehn Stunden anstellen. Der Sprecher des Republikaners Brad Raffensberger führte die langen Schlangen auf den Enthusiasmus vor der Präsidentschaftswahl zurück, Berichte über Verzögerungen durch technische Komplikationen in Sozialen Netzwerken wurden allerdings auch durch unabhängige Wahlbeobachter bestätigt.
Langes Warten vor den Wahllokalen
Im US-Bundesstaat Georgia bildeten sich lange Schlangen vor den Frühwahllokalen. Wählerinnen und Wähler mussten teils stundenlang auf die Stimmabgabe warten. (Videoquelle: EBU/CBS)
Gericht: Trotz Mängeln kein Wechsel zu analoger Wahl
Die Bürgerrechtsinitiative Coalition for Good Governance versuchte mit einer Klage bis zur letzten Minute die Verwendung der Wahlcomputer zu verhindern und wieder zur klassischen Papierwahl überzugehen. Erst am Sonntag kam das Urteil des Gerichts, in dem es hieß, die Wahlmaschinen seien problematisch, es sei allerdings zu spät, um das Wahlsystem wieder umzustellen.
Das nun verwendete, hybride System soll zumindest in Sachen Hackerangriff sicherer sein als die bis zur letzten Midterm-Wahl benutzten Maschinen. Immerhin wird nun jede auf einem Touchscreen abgegebene Stimme von den Wählenden selbst ausgedruckt, eingescannt und in eine versiegelte Box geworfen. So sollen Manipulationen von außen ausgeschlossen oder zumindest überprüfbar werden.
US-weiter Rekord an frühzeitig abgegebenen Stimmen
Nach Angaben des „Elections Project“ der Universität von Florida ist die Zahl der nicht am Wahltag abgegebenen Stimmen US-weit heuer schon jetzt um ein Vielfaches höher als drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl 2016. Viele Wählerinnen und Wähler wollen den Gang ins Wahllokal vermeiden, um sich nicht einem Ansteckungsrisiko auszusetzen.
Der republikanische Amtsinhaber Donald Trump macht seit Monaten Stimmung gegen die Briefwahl, die er als stark betrugsanfällig bezeichnet. Experten widersprechen dem entschieden. Kritiker werfen Trump vor, schon im Voraus Zweifel am Wahlergebnis schüren zu wollen – um im Falle seiner Niederlage den Ausgang nicht anzuerkennen.
Eine verzögerte Bekanntgabe des Ergebnisses könnte seinen Vorwürfen Rückenwind verschaffen. Das Szenario ist nicht aus der Luft gegriffen. Im August etwa sagte Trump mehrfach, er werde nur verlieren, „falls die Wahl manipuliert ist“. Die Zweifel sind gesät: Vor vier Jahren hatten in einer Umfrage rund 60 Prozent der Befragten Vertrauen, dass die Wahlergebnisse richtig ausgezählt würden, im August waren es nur noch 45 Prozent.